Sonntag, 19. Mai 2019
Es braucht keinen Jörg…
Gastkommentar
von nattl
Die FPÖ hat mal wieder das geschafft, was sie praktisch jedesmal macht, wenn sie in einer Regierung sitzt: sie sprengt sich in die Luft. Das liegt wohl daran, dass, je weiter entfernt von der politischen Mitte eine Partei ist, die Persönlichkeiten deren Akteure ziemlich besonders ist – das gilt für links oder rechts.
Nun stellt sich aber bei Ibizagate die Frage, wer das eingefädelt hat. Vor allem, wer hat soviel Geld und Ressourcen, um einen hollywoodfilmmäßigen Heist aufzuziehen, um einen 2017 politisch lauten aber eher unwichtigen Politiker eines kleinen EU-Staates aufs Eis zu führen. Um das dabei zustande gekommenen Filmmaterial nachher zurückzuhalten und auf die Gelegenheit zu warten, es zur richtigen Zeit, Jahre danach, irgendwelchen Journalisten zuzuspielen.
Es gibt hier mehrere Möglichkeiten:
Erstens, die russische Oligarchennichte war echt. Die Connection ist wirklich über Gudenus gute Kontakte nach Russland zustandegekommen. Daraus ergeben sich zwei Szenarios:
Irgendjemand aus dem FPÖ-Inner Circle hat das Video mitgeschnitten, zur Sicherheit (nach dem Motto Feind, Erzfeind, Parteifreund). Aus irgendeinem Grund dachte diese Person, jetzt wäre der richtige Zeitpunkt, die Bombe platzen zu lassen. Das könnte zum Beispiel ein den Identitären nahestehender FPÖler sein, der den Film linken Medien zugespielt hat, quasi als Rache für den Verrat der FPÖ an Sellner und den Identitären. Hierfür spräche auch die Aussagen von Gottfried Küssel in einem Interview, das dieser letztens dem Dokumentationsarchiv des österr. Widerstandes gab, in dem er angab, einiges gegen Strache in der Hand zu halten. Generell halte ich dieses Szenario aber als nicht sehr wahrscheinlich.
Oder die russische Oligarchennichte oder deren Leute haben den Film mitgeschnitten. Aus irgendeinem Grund ist diese angepisst, weil mit den Geschäften nichts geworden ist und rächt sich. Sehr unwahrscheinlich.
Zweitens, die russische Oligarchennichte war nicht echt. Es war also ein großangelegter Schwindel wie in den alten „Kobra, übernehmen sie“-Folgen. Hier ist einmal die Frage, wer hat Geld, Ressourcen und Vorbereitungszeit, so etwas aufzuziehen? Die folgenden Szenarios:
– Investigationsjournalisten – sehr unwahrscheinlich, denn welche Journalisten haben solche Geldmittel zur Verfügung…
– Der russische Geheimdienst: natürlich macht es Sinn, mit solchen Filmchen Druckmittel in der Hand zu haben. Es wird in einigen Medien bereits propagiert, dass es der böse russische Geheimdienst war. Aber mal ehrlich: soviel Geld geben die Russen nicht für einen unwichtigen Politiker wie Strache aus, zumal die FPÖ ja Russlandfreundlich ist… daher auch dieses Szenario auszuschließen.
– Ein westlicher Geheimdienst: das ist die vermutlich realistischte Variante. Ein westlicher Geheimdienst, z.B. der deutsche BND hat die Falle für den europakritischen FPÖ-Politiker aufgebaut. Möglicherweise unter Mithilfe von Leuten aus dem BVT? Das würde nämlich möglicherweise die BVT-Affäre erklären, die ziemlich rasch zu Beginn von schwarz-blau unter dem FPÖ-Innenminister Kickl gestartet wurde. Wollte man da vielleicht Material sichern?
– Die letzte Version ist zugegeben sehr Aluhut, aber man muss alle Möglichkeiten in Betracht ziehen: eine von einem gewissen Milliardär gesponserte Aktion, um die Europa- und Globalismuskritiker auszuschalten. Das ganze unter Mitwirkung von linken NGOs und Journalisten… das ganze klingt aber ein bisschen nach James Bond und ist deshalb unwahrscheinlich.
Wie auch immer, das Material wurde diversen linksstehenden Journalisten und Komödianten zugespielt und war zumindest schon mehrere Wochen bekannt.
Letztenendes stellt sich die Frage: cui bono?
Klar, auf ersten Blick scheint die Kurz-ÖVP, welche die Regierung hat platzen lassen, jetzt ähnlich wie die Schüssel-ÖVP seinerzeit der große Abräumer zu sein. Allerdings wird das erst durch die Neuwahlen geklärt werden, ob die ÖVP wirklich so stark dazugewinnen kann. Dazu müsste Kurz noch einen Zahn zulegen und noch mehr FPÖ-Parteiprogramm zumindest im Wahlkampf übernehmen, um die irritierten FPÖ-Wähler auf seine Seite zu ziehen. Und das könnte wiederum alteingesessene ÖVP-Wähler abschrecken.
Die SPÖ und die restlichen Oppositionsparteien werden möglicherweise ein bisschen von dem Chaos profitieren, aber es ist nicht anzunehmen, dass FPÖ-Wähler plötzlich JETZT, die NEOS oder die SPÖ wählen…
Auf Europaebene schaut es anders aus: durch das Sprengen der Regierung wurde ein Keil in die erstarkende rechte Phalanx getrieben. Scheinbar war Strache das schwächste Glied in der Kette. Somit wird einerseits die neue rechte Kooperation beschädigt und andererseits wird auch Sebastian Kurz, ja Kurz, geschwächt, da er zunehmend den beiden großen in der EU, Merkel und Macron gefährlich geworden ist.
Wie auch immer: man sieht, eine Regierungsbeteiligung der FPÖ ist immer sehr gefährlich. Und eines ist seit dieser Woche gewiss: es braucht keinen Jörg Haider, um die FPÖ in die Luft zu sprengen.
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1 Kommentar:
Ja, ist bedenkenswert.
Aber das mit den hohen Geldmitteln ist eine Räuberpistole. Ein paar Tausender reichen. Die stehen jederzeit aus den reichlich fließenden Geldern im Kampf gegen RRRächts zur Verfügung.
Und ja, zum Sprengen heutiger Regierungen reichen Leichtmatrosen wie Strache und Böhmermann.
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