Montag, 16. März 2009

Märtyrer im Kampf gegen den Neoliberalismus

... seien die arbeitslosen Arbeiter, meint Christian Ortner in einem — wie zumeist ganz vorzüglichen — Kommentar in der Wiener Tageszeitung »Die Presse«. Er meint es ein wenig sarkastisch. Was eine ganze Reihe von Postern freilich nicht daran hinderte, seinen Kommentar wörtlich zu nehmen und gegen den pöhsen Neoliberalismus vom Leder zu ziehen. O sancta simplicitas ...
Je deutlicher sichtbar wird, dass wir in eine Jahrhundert-Depression eintauchen, umso mehr ähnelt die Weltökonomie jener, die sich Globalisierungsgegner à la „Attac“ schon immer gewünscht haben: Man trägt wieder Verstaatlichung, Regulierung und Protektionismus; der Neusozialismus stürzt den Turbokapitalismus.

Das erlaubt ein interessantes, wenn auch unfreiwilliges Experiment. Denn in den kommenden Jahren wird sich herausstellen, ob eine Weltwirtschaft nach dem Geschmack der Globalisierungsgegner wirklich besser funktioniert als der angeblich kalte, herzlose und menschenverachtende Neoliberalismus, der nach Ansicht von Attac & Co. gescheitert ist.

Ortner legt argumentativ gleich noch ein Schäuferl nach:

Ähnlich günstige Auswirkungen wird auch der wohlverdiente Zusammenbruch des globalen Finanzsystems haben. Denn wenn sogar superreiche Staaten wie Österreich plötzlich hohe Risikoprämien bezahlen müssen, um Kredit zu bekommen, kann man sich gut vorstellen, wie leicht wohlstandsfördernde Investitionen in armen Ländern jetzt zu finanzieren sind. Allein in der Gruppe der ärmsten Länder wird das laut Weltbank eine Investitionslücke von 300 bis 500 Mrd. Euro bewirken; quasi als Kollateralkosten der Entglobalisierung.

Aber er vergißt auch nicht, die Vorteile herauszustreichen:

Bruder Baum, Mutter Erde und die Eisbären in der Arktis werden natürlich davon profitieren, dass umweltschädliche Autos kaum noch gekauft, hergestellt und über die Weltmeere transportiert werden. Es wäre daher unkorrekt, Entglobalisierung und Kollaps des Welthandels als Nachteil zu verstehen: Sie sind vielmehr ein wichtiger Beitrag zum Erreichen der Klimaziele; die demnächst wohl Millionen Arbeitslose müssen sich bloß als Märtyrer im Kampf gegen das böse CO2 verstehen, dann werden sie ihr Schicksal vergnügt ertragen.

Mit einem Wort: Christian Ortner ist wieder einmal angetreten, sich herzlich unbeliebt zu machen. Aber wann hätte ein rechtes Wort zur rechten Zeit nicht unbeliebt gemacht?

Dienstag, 10. März 2009

Der Supervatikan und die Zivilreligion

Oft reichen schon wenige Tage, um irgendwelche Aufgeregtheiten der Mainstream-Medienszene kopfschüttelnd ad acta zu legen, die wegen eines ganz und gar "skandalösen" Vorgangs, ohne Vorwarnung ausgebrochen ist. Manches freilich, das in solchen Zeiten geschrieben wurde, bewahrt seine Treffsicherheit auch länger als die Zeitspanne zwischen Druck und Entsorgung im Papiercontainer*) währt. So z.B. ein Artikel vom 10. Februar 2009, also vor exakt einem Monat erschienen in der "Jungen Freiheit", einem Medium, das die Gemüter der linken Systempresse seit Jahren zu Recht erregt, beweist sie doch völlig schlüssig, daß man einfach nicht links denken darf, um was rechtes zu schreiben ...
Der Super-Vatikan
Von Thorsten Hinz

Der Zusammenstoß des Papstes mit Presse und Politik in Deutschland war von Benedikt XVI. nicht gewollt, er war bloß unvermeidlich. Denn erstens stellt die Institution der katholischen Kirche noch im Stadium ihrer politischen Machtlosigkeit die leibhaftige Provokation für die moderne Massendemokratie dar.
Alles, was sie ist und repräsentiert: Tradition, Hierarchie, Askese, Dienst an einem ferneren Ziel, das dem Einzelnen unerreichbar ist, die Ablehnung innerer Demokratie usw., steht konträr zum massenhaften Bedürfnis, die materiellen, ideellen, sexuellen Gelüste schnell und umstandslos zu befriedigen.
Da sie die Offenbarung auf ihrer Seite zu haben meint, kann die Kirche auch den Majoritätswillen gelassen als Irrtum abtun. Sie hält es für wichtiger, das einzelne Gewissen zu schärfen und das Individuum gegen die Allmacht der demokratischen Mehrheit zu stärken, welche die Menschenrechte nach Belieben gewährt oder entzieht.
[hier weiterlesen]

*) früher hätte man vielleicht "Druck und Toilette" gesagt — aber wer will sich mit heutigen Presseprodukten auch nur den Hintern wischen ...?