Mittwoch, 12. November 2008

Willkommen, Türkei!

Da geht einem doch das Herz auf und der Mund (so er einem nicht offen stehenbleibt) über, vor Begeisterung nämlich, wenn man Meldungen wie diese liest:

Der türkische Verteidigungsminister Vecdi Gönül hat den Genozid an den Armeniern und die Ausweisung der Griechen aus der Türkei gerechtfertigt. Die Türkei wäre sonst nicht derselbe Nationalstaat wie heute, gab er zu verstehen. (afp) Mit lobenden Worten zur Vertreibung der Armenier und Griechen aus der heutigen Türkei hat der türkische Verteidigungsminister Vecdi Gönül in der türkischen Presse für Schlagzeilen gesorgt. [Hier weiterlesen]

Und so etwas sollen wir in die EU aufnehmen? Aber klar doch! Die Türkei kämpft schließlich in vorbildlichster Weise gegen "den Terrorismus", wie man hier nachlesen kann:

Der sächsische CDU-Bundestagsabgeordnete Marco Wanderwitz ist derzeit nicht sonderlich gut auf die türkische Regierung zu sprechen [...], denn einer der weltweit bekanntesten Sachsen gilt nun in der Türkei offiziell als Terrorist: Karl May. Der 1912 in Radebeul verstorbene Reiseschriftsteller zählte über Jahrzehnte hin zu den meistgelesenen Schriftstellern Deutschlands. Seine Bücher wurden in 33 Sprachen übersetzt und erreichten eine Gesamtauflage von mehr als 200 Millionen. In der Türkei aber stehen die Bücher von Karl May von sofort an auf dem Index. Und es wurde eine komplette Lieferung mit Karl-May-Büchern beschlagnahmt.

Der Grund: Karl May hatte ein Buch »Durchs wilde Kurdistan« genannt – und das Wort Kurdistan ist in der Türkei offiziell verboten. Das haben die Türken nun nach fast 100 Jahren mitbekommen. Aus türkischer Sichtweise gibt es Kurdistan gar nicht. Und wer das Wort »Kurdistan« dennoch gebraucht, der ist ein »Terrorist«.
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Na, dann! Mit entsprechender Nachhilfe von jenseits des Atlantik werden wir doofen Europäer schon noch erkennen, welche glanzvolle Kultur- und Wohlstandsbereicherung die freundlichen Leute aus Anatolien für uns bedeuten werden. Und die internationalen Baukonzerne werden sich freuen, daß die Auftragsbücher voll sind mit der Errichtung neuer Infrastruktur in Kleinasien. Wer's zahlt? Blöde Frage — Brüssel natürlich! Und von wo nimmt Brüssel das Geld dafür? Ähem ... nun ... also: das ist erstens ganz was anderes, und überhaupt gehören derlei ausländerfeindliche, rassistische Fragestellungen schlichtweg verboten! Die EU ist ein einzigartiges Friedensprojekt und wer das in Frage stellt, ist ein Nazi!

Und mit Nazis redet man einfach nicht, basta!

Dienstag, 11. November 2008

Warum Wahlen ausgehen, wie sie ausgehen

In der "Welt-Online" fand ich eben folgendes Leserposting zu einem, wie man wohl sagen muß, unterschwellig sehr hämischen Bericht über die Abholung von Mrs. Palin zur Verfügung gestellten Kleidern durch einen Anwalt der Republikanischen Partei:

Es fiel mir auf, daß die Medienschelte gegen McCain erst da so richtig begann, als er Palin aufstellte. Diese Frau muß also was wissen oder eine Linie vertreten, die den Medien und den Dollarerzeugungschefs nicht paßt. Und ich glaube zu wissen, worum es geht. PALIN ist nämlich innerlich eine LIBERTARIAN und sie würde dem Amero (der jetzt den Dollar ablösen wird) NIE zugestimmt haben. Sie würde nie die Freiheit der US Bürger in einer nordamerikanischen Union aufgeben, was Obama jetzt bald machen wird. Und daher diese Hetze gegen sie, damit sie politisch bis 2012 tot ist und NICHT zur Leitfigur gegen den Amero wird. Nach Palins Ernennung hat Obama nochmal sagenhafte Geldsummen zugeschossen erhalten. Und waren ALLE Medien plötzlich geschlossen für ihn. Dann ließ man sogar Lehmann stürzen, damit die Krise beim Volk ordentlich schrecklich ankommt. Erst DAS hat Obama den letzten Pusch gegeben. Man hat sich SEHR bemüht, Obama ins Weiße Haus zu holen. Und all das passierte erst nach dem Palin Schock, wo sie soo gut ankam bei den Leuten und von der alaskischen Freiheit schwärmte. Palin hat sich m.E. auch nie klar zum Bankenbailout geäußert. Hier gehts nicht um Klamotten, hier gehts um die Verhinderung einer neuen rechten Kraft bei den Republikanern.

Jetzt werden natürlich die neunmalklugen Welterklärer kommen und das als typische Verschwörungstheorie bezeichnen. Sollen Sie. Aber die Erklärung der aufgeworfenen Frage ergibt durchaus einen Sinn. Natürlich wird dadurch nicht "erklärt", warum McCain verloren hat (das hatte sicherlich vielfältige Gründe), aber daß Lehman Bros. "zufällig" gerade dann über den Jordan ging, als es für Obama nach den Umfragen eng zu werden drohte, soll uns doch auch keiner aufs Auge zu drücken versuchen!

Nach den herben Verlusten der Republikaner wird sich diese Partei wohl neu formieren müssen. Und hier wird die Grundsatzentscheidung zwischen denen, die lieber etatistische Kungeleien mit den Demokraten im Hinterzimmer ausbaldowern wollen, bis sie selbst wieder an die Hebel des "Big Government" gelangen, und jenen, die für einen schlanken Staat und möglichst viel Eigenverantwortung eintreten, fallen müssen.

Die Hoffnung der Welt liegt — anders als bei den US-Demokraten, die schließlich einen frischgewählten und per Rassen- und Religionsmix politisch superkorrekten Messias ihr eigen nennen können — nicht bei einer bestimmten Person der Republikaner. Und das ist auch gut so: Personenkult und Führerfiguren hatte die Welt schon genug, und unser junges Jahrhundert braucht nun wirklich nicht jeden Unsinn des letzten nachzumachen!

Nein: Mrs. Palin ist wohl besser eine sympathische und kompetente Gouverneurin von Alaska, als eine überforderte Bundespolitikerin. Auch McCain wird — schon aus Altersgründen — wohl in absehbarer Zeit seinen wohlverdienten Ruhestand antreten. Doch die Republikaner sollten schon jetzt nachzudenken beginnen, ob ihre wahren, echten Wurzeln nicht eher bei Jefferson als bei imperialistischen Neocons zu finden sind — dazu könnten ihnen ein paar Nachhilfestunden bei Dr. Ron Paul nicht schaden. Nicht, daß ich diesen für den geeigneten Neuorganisator der Partei ansähe, dazu ist er wohl schon zu alt und verbraucht, so sehr ich ihn als geradezu musterhaft integeren und kompetenten Politiker schätze! Aber als "weiser Mann" könnte er einer auf republikanische Traditionen sich besinnenden neuen Parteiführung eine unendlich wertvolle Hilfe sein. Auch wäre die Aktivierung seiner "grass-root"-Bewegung die dringend notwendige Gegenkraft zu entsprechenden Initiativen um den neuen Messias Obama, der dadurch sonst zur multimedialen Erlöserfigur aufgebaut werden könnte, die jede politische Wende in Zukunft mit dem Brandmal des Glaubensabfalls bezeichnen könnte.

Es steht freilich zu befürchten, daß die korrupten Hinterzimmerpolitiker des Ostküsten-Establishments wieder einmal die Oberhand gewinnen, und flugs die nächste Folge der unendlichen Soap "Reich & Korrupt" (Motto: "Wir teilen uns Amerika") abgedreht wird. Sie sollten allerdings bedenken, daß eine Republikanische Partei, die nur als Scheinkonkurrenz zu einer ohnehin seit jeher etatistisch-kollektivistischen Demokratischen Partei antritt, letztlich entbehrlich ist — und entbehrliche Parteien werden, so lehrt uns die Geschichte, früher oder später durch andere, effektivere ersetzt. Welches Schicksal wohl auch einer Traditionspartei wie den Republikanern nicht erspart bleiben würde ...

Freitag, 7. November 2008

Obama unser!

Angesichts der weihevollen, ja enthusiastischen Stimmung, die seit drei Tagen die Welt umfängt, ist es durchaus erfrischend, die kritische Analyse über die Wahl Obamas im Blog von Bettina Röhl zu lesen — nein: auf der Zunge zergehen zu lassen! Denn sie bringt es einfach genial auf den Punkt:

Zuviel Symbolik, zu viel Anreißen der Geschichte, zu viel Mythologisiererei, zu viel Innehalten und viel zu wenig Substanz. Barack Obama ist bisher nur ein schöner Schein und sehr wenig Sein. Und das obwohl er zwei Jahre Vollzeitbeschäftigung Wahlkampf hinter sich gebracht hat. Er hat seine Wähler jetzt zum kollektiven Glückstaumeln veranlasst und sehr viel Geld dafür eingesammelt und ausgegeben. Aus dem Spruch: Yes, we can ist bisher nichts anderes geworden, als dass seine vielen gläubigen Anhänger ihm andichten: He can. Kann er es?



News, das österreichische Referenzmedium für Schulabbrecher und Möchtegern-Durchblicker, verstieg sich in seiner Begeisterung sogar zum Covertitel: »Die Hoffnung der Welt«. Derlei Titulaturen war ich bislang nur aus etwas altmodisch gestrickten Papstpredigten gewohnt (dort bezogen sie sich allerdings auf jemand anderen), bei News umrahmten sie den frischgewählten Heiland der Entrechteten & Enterbten, sowie seine Ehefrau (ob sie auch »die Hoffnung« oder aber in dieser ist, entzieht sich meiner Kenntnis — doch wer will das schon wirklich wissen ...)



Andererseits hat dieser Hype auch was Gutes: wer so hinaufgelobt wird, kann tief fallen — und nach den Erfahrungen der Geschichte wird er es auch. Mein Mitleid hielte sich in Grenzen.

Mittwoch, 5. November 2008

In der Wahl zwischen Paranoia und Narzißmus ...

... hat man sich für letzteren entschieden. Nun gut. »No risk, no fun«, lautete offenbar die Devise. Warten wir ab, wer über welchen fun zuletzt lachen wird, bzw. wem das Lachen noch im Halse steckenbleibt. Change wurde versprochen, ohne zu sagen, in Bezug worauf und in welche Richtung — wir werden ihn bekommen frei nach dem Motto: »I waß zwoa net, wo i hinfahr', aber dafür bin i schnölla durt!«

Ach, wie schön!

Sonntag, 2. November 2008

Wenn neoliberale Ratten spekulieren

... lautet der Titel eines provokanten Kommentars von Christian Ortner in der österreichischen Tageszeitung »Die Presse«, der mit Süffisanz folgendermaßen anhebt:

Menschen mit Ungeziefer zu vergleichen, ist in der deutschsprachigen Publizistik aus der Mode gekommen, zumindest seit die Auflage des NS-Blattes „Der Stürmer“ (dessen Spezialität die Gleichsetzung von Juden mit Ratten war) im Jahre 1945 umständehalber zurückging. Um so mehr ist es irgendwie erfrischend, dass ausgerechnet das Magazin „profil“, traditionell mit einem höchst empfindlichen Nazisensor gerüstet, in seinem jüngsten Leitartikel über die Finanzkrise zu einem wirklich gelungenen Sprachbild fand: „Vorvergangene Woche, als der Kahn schon sank, spekulierten neoliberale Ratten in New York auf den Verfall noch halbwegs gesunder Bankhäuser ...“ [hier weiterlesen]

Wer sich über den angeblich von den ach so pösen »Neoliberalen« mit der diesen Individuen offenbar inhärenten »Gier« verursachten Finanz-Crash der letzten Wochen näher informieren will, dem sei »eigentümlich frei« ans Herz gelegt, mit einer Reihe höchst aufschlußreicher, gut recherchierter Artikel, die die tatsächlichen Ursachen (und auch die vermutlichen — und höchst unerfreulichen — Konsequenzen) dieser Entwicklungen unverblümt beim Namen nennen. Und, sicher, bei diesem name dropping ist auch der Begriff »Gier« dabei — aber nicht an prominenter Stelle. Hier finden sich eher Begriffe wie »Staatsintervention«, »Fiat money«, »Teilreserve« und »Zentralbanken«. Zu Recht!