Donnerstag, 20. April 2023

Heute vor 25 Jahren

von LePenseur
 
 
... hat die Rote Armee Fraktion (RAF) — in ihrer Frühzeit auch als Baader-Meinhof-Bande bekannt — mit einem achtseitigen Schreiben an die Niederlassung der Nachrichtenagentur Reuters in Köln ihre Selbstauflösung bekanntgegeben. Also an einem 20. April, dem Föhrer-Geburtstag. Man muß schon sagen — einen gewissen, wenn auch etwas kurios anmutenden Sinn für historische Zusaammenhänge kann man den Herrschaften nicht absprechen: am Geburtstag des Idols der Übriggebliebenen (man könnte auch von Zurückgebliebenen sprechen, in jeder Hinsicht ...), des Mannes, dessen Ideen sie zutiefst zu verabscheuen vorgaben, weshalb sie überall in Staat und Gesellschaft seine — getarnten wie offenkundigen — angeblichen Anhänger ausmachten ... ... also genau an der Wiederkehr von dessen Geburtstag sich aufzulösen: das hat was ...
 
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Doch nun zu etwas ganz anderem. Etwas wesentlich erfreulicherem! Zwar noch zur Amtszeit des besagten Geburtstagskindes (aber eben nur zwei Jahre vor deren Ende) wurde Sir John Eliot Gardener heute vor 80 Jahren geboren, ein Dirigent, dem die Musikwelt unzählige herausragende Interpretationen klassischer Musikwerke verdankt. Bei einem Bach-Spezialist liegt es nahe, speziell in der österlichen Zeit des Kirchenjahres, dessen Oster-Oratorium, BWV 249, zu bringen. Hier eine Aufnahme aus dem Jahr 2013:


AD MULTOS ANNOS!
 

9 Kommentare:

helmut-1 hat gesagt…

Das mit dem 20.April ist so eine Sache. Ich kann mich daran erinnern, da gabs in den 70er oder auch noch einem Teil der 80er Jahre in einem bestimmten Lokal in Heidelberg (genannt "Ritterhalle") an diesem Tag Remidemi und Freibier. Irgendwann hat man dann von behördlicher Seite dort einen Riegel vorgeschoben.

Vor zwei Jahren gabs zuhause in Rumänien im Hof eine nette Darbietung der Blasmusik, gerade am 20. April. Ums klar zu sagen, - kein Mensch hat mich deshalb blöd angesehen, die Nachbarn, - egal ob Rumäne oder Ungar, sagten mir danach, wie schön das geklungen und dass es wieder an die alten Zeiten erinnert hätte.

Nur ein Deutschstämmiger hat mir in verdrehter Form komische Fragen gestellt, und ich hab ihn natürlich verarscht. Ich sagte ihm, dass es anlässlich des Frühlingsbeginns wäre, - und ich hätte mich leider um einen Monat im Datum geirrt.

Die Wahrheit, so profan und unpolitisch das auch klingen mag, ist eine andere. Vor zwei Jahren waren es am 20. April genau 55 Jahre, als ich meinen Lehrvertrag unterschrieben habe und damit in meinen bis heute gültigen Beruf (abgesehen von den Erweiterungen durch verschiedene Studiengänge auf den Fachschulen) eingetreten bin.

Interessiert vielleicht niemanden, aber für mich ist das ein Feiertag. Ich habe damals gegen den Willen meiner Chefs zuhause meinen Willen durchgesetzt, und der Grund meines Feierns liegt ganz einfach darin, dass ich diese Entscheidung sowie die grüne Berufswahl bis heute nicht bereut habe, im Gegenteil.

Würde mich mal interessieren, wer denn heute noch dasselbe von sich behaupten kann, zumal fast jeder überlegt, ob er nicht schon deutlich vor dem Renteneintrittsalter den Bettel hinschmeißt, wie man so schön sagt. Einen Rechtsanwalt in meinem Bekanntenkreis kenne ich, der auch schon weit über 70 ist und immer noch die Klienten vor Gericht vertritt. Nicht weil er Geld braucht, davon hat er genug, - sondern weil es ihm immer noch Freude macht.

Egal, meine Mutter hat auch ihre berufliche Tätigkeit erst mit 70 beendet, und ich werde das vermutlich mit 75 tun. Aber vorher werde ich noch den 60. Jahrestag meines Berufseintritts feierlich begehen, wieder mit Blasmusik am 20. April bei uns im Hof, mitten im Zentrum unserer Stadt.

Um auf dieses "denkwürdige" Datum des 20. April zurückzukommen:
Ich als Enkel meines Großvaters, den ich leider nie kennengelernt habe, weil er damals im Widerstand gegen Hitler sein Leben verloren hat; ich als jemand, der sich intensiv mit der 1. Hälfte des vergangenen Jahrhunderts beschäftigt und darüber genügend Kenntnisse hat; ich kann über so manche Reaktionen gewisser Leute nur den Kopf schütteln, und muss feststellen, dass es genügend Leute in der Bevölkerung gibt, die bis jetzt nicht in der Lage waren, die Geschichte vor dem 2. WK aufzuarbeiten.

Aber ich muss Herrn Henryk Broder recht geben, wenn er im skurrilen Vergleich mit der Nazizeit sowie der Entwicklung unter der Tante Corona einem jüngeren Menschen geantwortet hat:

«Wenn ihr euch fragt, wie es damals passieren konnte: weil sie damals so waren, wie ihr heute seid».

helmut-1 hat gesagt…

Völlig unabhängig zu meinem Vorkommentar aber interessiere ich mich für die grundsätzlichen Ideen der RAF. Nicht um das nachzumachen, nicht um diese Gruppe posthum zu verherrlichen, nein. Ich will einfach nur wissen, welche grundsätzlichen Überlegungen diese Leute dazu gebracht haben, sich so zu verhalten, wie sie das getan haben.

Natürlich war der von ihnen gewählte Weg falsch. Mit Terror und Angst kann man zwar das einfache Volk beeinflussen und willfährig machen, wie schon Hermann Göring zitiert wird. Aber die Führungskräfte in Politik und Wirtschaft wird das höchstens dazu bringen, ihre Bodyguards und ihre Schutztruppen um sich herum zu vergrößern, aber von ihren Plänen wird man sie nicht abbringen.

Leider finde ich dazu nichts Passendes im Internet, ähnlich wie in Adolf.H. "Mein Kampf", wo man das nachlesen kann, wie sich die verschrobenen Ideen aufbauen. Eine objektive Darstellung der Grundgedanken dieser Gruppe, vielleicht auch ein Pamphlet, - man sucht umsonst im Net. Da findet man nur negative Bewertungen wg. des Terrors, aber nichts analytisches.

Hat man Angst davor, dass manche Leute im Vergleich mit der seit 2015 offensichtlich gewordenen Staatsanarchie (wenn bestehende Gesetze von der politischen Führung missachtet werden, dann bezeichne ich das als Anarchie) hier Parallelen erkennen könnten? Haben diese Leute bereits damals erkannt, wohin der Stecken sich anschickt, zu schwimmen? Damit meine ich in Richtung totaler Kontrolle, Ausbeutung des Volkes durch Globalisierung, etc.

Könnte es sein, dass man sich scheut, das Gedankengut dieser Gruppe objektiv zu bewerten, um zu verhindern, dass irgendjemanden heutzutage die Idee kommt, man hätte damals das falsche Schwein geschlachtet? So, wie das in Rumänien im Zusammenhang mit Ceausescu zunehmend die Runde macht?

Vielleicht kennt jemand eine Schrift, wo man sich mit den Gedanken und Zielrichtungen dieser RAF auseinandersetzen kann. Aber vermutlich wird es da - ähnlich wie beim braunen Adolf - jedem kalt über den Rücken laufen und dazu bringen, schnell an beiden Händen zur Abwehr des Teufels die Finger zu spreizen.

helmut-1 hat gesagt…

Noch als Nachtrag zu meinem 1. Kommentar:

Ich hab geglaubt, ich sehe nicht richtig. Da fällt mir dazu nur der alte Spruch ein:

"Wenn Dummheit weh tun würde, dann müssten so manche Tag und Nacht schreien".

Worum gehts:

https://www.heute.at/s/tut-gut-noe-spital-serviert-patienten-hitler-speise-100267132

Ich zitiere aus der Meldung:

>"Heute"-Leser Rudolf* (Name von der Redaktion geändert) befand sich am Donnerstag selbst in dem Krankenhaus in Amstetten und traute beim Anblick des Speiseplanes seinen Augen nicht: "Ist das Zufall oder nicht? Eiernockerl mit Salat und das am Geburtstag eines Mega-Idioten", schäumte Rudolf vor Wut.<

Also, der arme Mensch schäumte vor Wut. Typische Anzeichen für Tollwut (kann man im Krankheitsbild nachlesen).

Danach kann man lesen:

>Auf Nachfrage bedauerte eine Sprecherin der zuständigen Landesgesundheitsagentur (LGA) den Fall zutiefst: "Das ist ein rotierender Speiseplan für acht Wochen. Somit kommen Eiernockerl alle acht Wochen vor. Das dies auf den heutigen Tag fällt, bedauern wir sehr und wir entschuldigen uns für diesen Fehler."<

Ich entschuldige mich nun öffentlich dafür, dass ich Unterhosen benütze, weil auch Adolf hat Unterhosen getragen.

Was soll man davon halten? Lachen, weinen, sich wundern? - Ich weiß es nicht. Aber es unterstreicht meinen Tenor im 1. Kommentar, dass auch nach fast 80 Jahren manche immer noch nicht in der Lage sind, die NS-Zeit zu verarbeiten, - die sie gar nicht selbst erlebt haben.

Ein politisches Beispiel par excellence, was man mit geplanter Umerziehung alles bewirken kann. Aber der Schuss geht offensichtlich nach hinten los. Denn würde man sich nicht so krampfhaft blöd verhalten und derlei Dinge erst gar nicht bewerten, würde schon bald kein Mensch mehr daran denken, dass der "Führer" am 20. April geboren wurde. Auf diese Art aber hält man die Erinnerung wach.

Sandokan hat gesagt…

@helmut-1

Ich habe deren Schriften jetzt nicht gelesen, aber als Theoretiker und Vordenker linken Terrors (der ja historisch vor dem des Faschismus liegt) gelten etwa Personen wie Michail Bakunin, Antonio Gramsci und Giuseppe Mazzini.
Moderner ist jemand wie Saul Alinsky (Rules for Radicals).

Historisch lässt sich das jedenfalls bis zu den Schriften der Illuminati (Adam Weishaupt) und der Französischen Revolution zurückverfolgen (siehe Francois "Gracchus" Babeuf).
https://de.wikipedia.org/wiki/Verschwörung_der_Gleichen

Cum grano salis - aber mit vielen historischen und zeitgeschichtlichen Informationen die man auch einfach nachprüfen kann... https://tinyurl.com/4th8papp

Sandokan hat gesagt…

Nachtrag...
Konkret zur RAF - Ich glaube, die RAF-Leute sahen sich eher als Leninisten (siehe dessen Schriften) denn als Trotzkisten oder Stalinisten.


https://www.google.at/search?q=raf+trotzkisten

helmut-1 hat gesagt…

Sandokan:
>Ich habe deren Schriften jetzt nicht gelesen<

Lass mich nicht ganz blöd sterben (oder tue ich das sowieso?). Wo kann man deren Schriften nachlesen? Ich hab keine gefunden.

Sandokan hat gesagt…

Einfach in Google oder anderswo den betreffenden Namen und Bücher, Schriften oder PDF eingeben.

ZB.:
https://www.google.at/search?q=Lenin+bücher
https://www.google.at/search?q=Michail+Bakunin+pdf

helmut-1 hat gesagt…

Sandokan:

Wir reden aneinander vorbei. Nicht die Schriften von Lenin oder Bakunin habe ich gesucht, sondern die Schriften der RAF. Gut möglich, dass die Kerle sich auf Lenin und andere Gestalten beziehen. Aber mir gehts um die Sichtweise der RAF zu Beginn.

Das Manifest von Ulrike Meinhof vom Mai 1971 habe ich gefunden, - mit dem Titel "Konzept Stadtguerilla".

https://www.hdg.de/lemo/bestand/objekt/dokument-das-konzept-stadtguerilla.html

Ist in diesem link nur schwer lesbar einzusehen, man kann auch nichts rauskopieren.

Deshalb nochmal meine Frage:

- Gibts das irgendwo anders nachzulesen, wo man da vorteilhafter drankommt und Passagen rauskopieren kann?

- Gibt es noch irgendein anderes Manifest, vielleicht umfangreicher, von dem ich nichts weiß?

Sandokan hat gesagt…

@helmut-1

Es gibt verschiedenste Texte bzw. Verlautbarungen.
Offenbar sind die bekanntesten oder wichtigsten der von Ihnen genannte und einer der sich "Über den bewaffneten Kampf in Westeuropa" nennt (Mai 1971).

Nachzulesen ua. hier: www . rafinfo . de/archiv/raf . php

Ich empfehle den Besuch der Webseite bei zeitgeschichtlichem Interesse aber nur über einen sicheren Browser (wie etwa Brave) und der Verwendung einer VPN oder TOR.
Am anderen Ende sitzen sicher keine netten Zeitgenossen.