Samstag, 29. April 2023

Afrika - Der Sudan (1)

Geopolitischer Wettstreit zwischen USA - Russland - China
von Grantscherben
 
 
Wer ein Land und seine Bevölkerung "verstehen" will, der sollte sich mit dessen Kultur, ethnischen Einflüssen sowie deren Wirtschaft und Konflikten befassen.  Hier ein kleine Zusammenfassung.

Die Geschichte des Sudan umfasst die Entwicklungen auf dem Gebiet der Republik Sudan und historischer sudanesischer Reiche von der Urgeschichte bis zur Gegenwart. Sie ist stark verknüpft mit der Geschichte Ägyptens, mit dem sich das historische Nubien das Niltal teilt, eine der Wiegen der menschlichen Zivilisation.

Der Sudan ist von der Fläche her das drittgrößte Land Afrikas. Der Sudan ist ethnisch und kulturell äußerst vielgestaltig. Seit über 50 Jahren ist das Land von Bürgerkrieg und Armut gezeichnet – trotz seines relativ günstigen Potenzials an fruchtbarem Land und Bodenschätzen.

Das Reich von Kusch

Das Reich von Kusch lag im Norden des heutigen Sudan. „Kusch“ ist das ägyptische Wort für Nubien und stellt zugleich die Eigenbezeichnung des Reiches von Kusch dar.

Nubien ist vereinfacht betrachtet die Bezeichnung des nördlichen Sudan. Das Gebiet grenzt im Norden an Ägypten, wodurch die Geschicke beider Länder eng miteinander verbunden sind. Nubien ist reich an Rohstoffen, vor allem an Gold, sodass es schon früh von Seiten der Ägypter Bestrebungen gab, diese Vorkommen auszubeuten. Zur Zeit der Pharaonen war das historische Nubien teils Bestandteil Ägyptens, teils selbst Herr des ganzen Niltals.

Nubien auf einer alten Landkarte

Im 6. Jahrhundert wurde Nubien christianisiert. Infolge arabischer Einwanderungen aus Ägypten wurden die christlichen Königreiche Nubiens nach und nach zerrüttet. Eine entscheidende Wende war die Umwidmung der Kathedrale von Dongola in eine Moschee im Jahre 1317 n. Chr. Im 16. Jahr-hundert war Nubien formal vollständig islamisiert.

Im Jahre 1821 eroberten die Ägypter, mit modernen europäischen Waffen ausgerüstet, erneut Nubien und Teile des südlich daran angrenzenden Weißen Nil. Da Ägypten zu dieser Zeit zwar faktisch unabhängig war, offiziell jedoch noch immer Provinz des Osmanischen Reiches, erfolgte auch die Eroberung Nubiens in dessen Namen. Daher wird diese Epoche im heutigen Sudan meist als Turkiya bezeichnet. So  wurde der Sudan im 19. Jahrhundert zunächst von Ägypten erobert, dann für kurze Zeit von der Mahdi-Bewegung zurückerobert und wurde schließlich mit britischer Hilfe der so genannte "Anglo-Ägyptische Sudan". 1955 begann der Bürgerkrieg zwischen dem christlich-schwarzen Süden und dem islamisch-arabischen Norden des Landes. Im selben Jahr erfolgte eine Volksabstimmung über den Anschluss an Ägypten, die negativ ausfiel. Daraufhin wurde der Sudan 1956 in die Unabhängigkeit entlassen. Die Grenze zu Ägypten wurde bei Wadi Halfa festgelegt; Nubien war damit zwischen zwei Staaten geteilt.

Die nubische Bevölkerung ist sowohl in Ägypten als auch im Sudan weitgehend arabisiert. Daneben ist Nubisch als Muttersprache jedoch noch immer lebendig. Es wird in arabischer Schrift geschrieben.

Der Sklavenhandel im Sudan

Historische Quellen belegen den Handel mit Sklaven im Gebiet des heutigen Sudans bereits zu pharaonischen Zeiten. Die Sklaven stammten zu unterschiedlichen Zeiten aus Nubien, aus den Nuba-Bergen und weiter südlich gelegenen Gebieten. Der heutige Südsudan wurde im Zuge der Eroberung durch das osmanische Ägypten ab 1821 für Sklavenjäger aus dem Norden zugänglich.

Die Bevölkerung des Nordsudan ist zum Teil arabisch, islamisch und hellhäutiger, während die Bevölkerung des Südens hauptsächlich christlich oder traditionell religiös ist und aus schwarz-afrikanischen Völkern wie den Nuba, Dinka, Nuer etc. besteht. Manche relativ hellhäutige Nord-sudanesen betrachten sich als Araber den dunkelhäutigen Südsudanesen überlegen.

Historisch jagten Sklavenhändler aus dem Nordsudan im Südsudan Sklaven. Unter anderem um dies zu unterbinden, verwaltete die Kolonialmacht Großbritannien den Norden und den Süden getrennt. Im Süden wurde etwa Englisch statt Arabisch als Amtssprache verwendet, und die Tätigkeit christlicher Missionare war zugelassen.

Eine "Besonderheit" der Sklaverei

Angehörige der eigenen turkmenischen Ethnie wurden von den Osmanen nie versklavt. Am niedrigsten rangierten beim Menschenhandel die schwarzen Sklavinnen: Während Weißhäutige als "Luxusartikel" in separaten Räumen den Kunden vorgeführt wurden, bot man Schwarzhäutige offen auf dem Markt an.

Schwarze Eunuchen stellten im Sultansharem die Schnittstelle zwischen Innen und Außen dar; ihre Zahl ging in die Hunderte. Meist wurden sie als Jungen aus Äthiopien oder dem Sudan verschleppt und im Palast erzogen. 

Die koptische Kastration von Sklaven wurde von Peter Charles Remondino in seinem 1900 veröffent-lichten Buch History of Circumcision from the Earliest Times to the Present erörtert. 
 
Eunuchen
 
Laut Remondino, Spooner und mehreren späteren Quellen schnitten die koptischen Priester im Alter von etwa acht Jahren den Penis und die Hoden von nubischen oder abessinischen Sklavenjungen ab. Die Jungen wurden aus Abessinien (Kaiserreich Abessinien war eine Monarchie in Ostafrika auf dem Gebiet der heutigen Staaten Äthiopien und Eritrea. und anderen Gebieten im Sudan wie Darfur und Kordofan gefangen genommen und dann in den Sudan und nach Ägypten gebracht. Überlebensrate ca. 10% (Quelle)

Eine weitere Diskriminierung stellt die weiterhin verbreitete weibliche Genitalverstümmelung (FGM) dar. Gemäß den Vereinten Nationen sind immer noch neun von zehn Mädchen davon betroffen (Stand 2020) - Diese wurde Anfang Juli 2020 unter Strafe gestellt: Wer solch einen Eingriff vornimmt, kann eine Gefängnisstrafe von bis zu drei Jahren erhalten.

Auch in der Zeit des Mahdi-Reichs (1885–1898) wurden weiter Südsudanesen versklavt. Lediglich der Export von Sklaven war verboten worden. Da in der Armee der Mahdisten viele Sklaven kämpften, lag der Grund für das Exportverbot hauptsächlich darin, eine Schwächung der Armee zu verhindern. Die anglo-ägyptische Kolonialmacht unterband den Export, tolerierte aber zum Teil die Sklaverei im Inneren entgegen offiziellen Verboten, weil sie ebenfalls von (ehemaligen) Sklaven in der Armee profitierte und die nordsudanesischen Eliten nicht verärgern wollte.

Die Bürgerkriege im Südsudan, die auf die Unabhängigkeit des Sudans 1956 folgten, führten zu einem Wiederaufleben der Sklaverei. Verstärkt im zweiten Bürgerkrieg (1983–2005) verschleppten Milizen aus dem Nordsudan, die von der sudanesischen Regierung als Paramilitärs gegen die Rebellen der SPLA ausgerüstet wurden, südsudanesische Zivilisten und verkauften sie dort in die Sklaverei. Die Regierung, die 1983 die Scharia eingeführt hatte, tolerierte oder unterstützte dies. Sie verneint die Existenz von Sklaverei und spricht offiziell von "Entführungen“ im Kontext lokaler Stammesfehden, über die sie kaum Kontrolle habe.

Freikauf von Sklaven - "Entführungen aufgrund von Stammeskriegen“

Als ab Anfang der 1990er Jahre in der westlichen Presse über Sklaverei im Sudan berichtet wurde, begannen zahlreiche evangelikale Sekten in den USA und Kanada Geld zu sammeln, um Sklaven freizukaufen. Ab 1995 beteiligte sich Christian Solidarity International (CSI) aus der Schweiz in großem Stil an der „Sklavenbefreiung“. Andere internationale Organisationen wie die britische Christian Solidarity International Worldwide und die US-amerikanische Anti Slavery Group betrieben oder betreiben ebenfalls Freikaufprogramme für Sklaven.

Andere Organisationen wie UNICEF und das Dinka-Komitee kritisieren sie als moralisch fragwürdig und kontraproduktiv, da sie Sklavenhändler für ihre Verbrechen belohnen und zusätzliche finanzielle Anreize für weitere Sklavenjagden schaffen könnten. Kindersklaven aus dem Südsudan wurden teilweise bereits ab 15 US-Dollar verkauft, ein Rückkauf für 50 bis 100 US-Dollar an ausländische Aufkäufer entwickelte, so lautet die Kritik, eine wirtschaftliche Dynamik und war gewinnbringender als der eigentliche Sklavenhandel.

Auf internationalen Druck gründete die sudanesische Regierung 1999 ein Komitee zur Abschaffung der Entführung von Frauen und Kindern (englisch Committee for the Eradication of the Abduction of Women and Children, kurz CEAWC), das nach eigenen Angaben 6000 Dinka-Sklaven in den Südsudan zurückführte. Im August 2006 musste es wegen Finanzproblemen seine Arbeit einstellen. Anfang 2008 nahm es sie, nun finanziert von der südsudanesischen Autonomieregierung, wieder auf.

Das von James Aguer Alic geführte Dinka-Komitee setzt sich für die Befreiung von Sklaven – ins-besondere vom Volk der Dinka – ein und konnte bis 2003 die Befreiung von schätzungsweise 2200 Sklaven erreichen. Hierbei arbeitet es teilweise mit Nordsudanesen zusammen.

Das Friedensabkommen zwischen Regierung und Rebellen im Jahr 2005 beendete den Krieg im Süd-sudan und damit die Sklavenjagden weitgehend.

Literatur

Die Sklaverei im Sudan ist ein zentrales Thema in mehreren Orient-Romanen des deutschen Schriftstellers Karl May. Die Menschenjagd und der Sklavenhandel spielen etwa eine wesentliche Rolle in den drei Bänden der Mahdi-Trilogie. (Die Mahdi-Trilogie bzw. Im Lande des Mahdi umfasst die Bände 16–18 der Gesammelten Reiseerzählungen von Karl May. Sie beschreibt die Abenteuer von Kara Ben Nemsi und seinem Begleiter Ben Nil in Ägypten und dem Sudan. - https://de.wikipedia.org/wiki/Mahdi-Trilogie)





1 Kommentar:

Sandokan hat gesagt…

Betreffs Sklaverei...

Im westafrikanischen Mauretanien wurde die Sklaverei mehrmals "abgeschafft".
Erstmal während der Kolonialzeit und zuletzt 1980, unter Strafe gestellt wurde Sklaverei aber erst 2007.
Die strikte Umsetzung ist aber immer noch eine eigene Sache.

https://www.gfbv.de/de/humanitaere-initiativen/unsere-projekte/gegen-sklaverei-in-mauretanien/
https://de.wikipedia.org/wiki/Sklaverei_in_Mauretanien

Wobei es wichtig ist, modernen Menschenhandel oder Zwangsarbeit von Sklaverei zu unterscheiden.
Sklaverei bezeichnet eine erlaubte und geregelte Rechtspraxis.
Während sog. Menschenhandel und Zwangsarbeit einen Straftatbestand darstellen (selbst dort wo Sklaverei üblich war).

Auch in der Türkei gibt es übrigens bis heute eine kleine Minderheit von schwarzen Nachkommen ehemaliger Sklaven.
Relativ wenige, weil ja die Männer überwiegend kastriert wurden.
Faktisch abgeschafft wurde die Sklaverei dann erst mit Gründung der türkischen Republik nach dem 1. Weltkrieg unter Ata Türk.
Die letzten weißen Sklavinnen waren wahrscheinlich verschleppte Armenierinnen und Griechinnen während des Armeniergenozids im damaligen osmanischen Territorium (heute Teil arabischer Länder).

https://www.google.at/search?q=türkei+schwarze+türken