Mittwoch, 26. April 2023

In memoriam Harry Belafonte

von LePenseur
 
 
Seine Musik war (und ist) nicht die meine — aber daß mit ihm ein höchst talentierter Entertainer von uns gegangen ist, kann wohl kaum bezweifelt werden, wenn man sich etwa dieses Video ansieht:


Wenn die Trollfraktion jetzt vermutlich süffisant anmerkt, daß Belafontes politische Überzeugungen wohl nicht ganz mit der Linie des LePenseur-Blogs übereinstimmen, kann ich nur antworten: So what?!

Darf ich keine Schostakowitsch-Symphonie hören, weil der Komponist für die KPdSU im Obersten Sowjet als Abgeordneter saß? Darf ich keine Wagner-Oper hören, weil der Komponist, gelinde gesagt, krause Meinungen über »Judentum in der Musik« hegte?

Darf man keinen Platon oder Seneca mehr lesen, weil diese Philosophen Sklavenhalter waren? Da kann man nur mit Theodor Fontane kopfschüttelnd fragen: »Wat soll der Unsinn?!«

Belafonte war in politischen Belangen sicherlich ein Mensch, der Kontroversen verursachte. Und ohne Frage war er mit manchen Ansichten einfach »am falschen Dampfer«. Dafür hatte er aber auch den Mut, durchaus berechtigte Kritik zu äußern, die sicherlich nicht von allen geteilt wurde, wie bspw. zu Anfang des Jahres 2006: 
»Wir sind in einer dunklen Zeit angelangt, wo die neue Gestapo des Innenministeriums lauert, wo Bürgerrechte aufgehoben werden.«
War das wirklich unberechtigt? Ich denke nicht, vor allem nicht, wenn ich auf die seither vergangenen Jahre zurückblicke, in denen sich diese Tendenzen, speziell seit der Covid-Plandemie, ins Unerträgliche verstärkt haben. Und wenn er zu Zeiten des Irak-Krieges — als die Systemmedien des Westens (so wie heute, nur jetzt nochmals gesteigert!) vor lauter aufgeblasener Selbstgerechtigkeit kaum mehr gehen konnten — die Heuchelei, mit der die US-Politik ihre geopolitischen Winkelzüge mit dem Slogan »Kampf gegen Terrorismus« behübschte, mit den Worten entlarvte:
Wer gibt uns das Recht, die Menschen im Irak zu töten? Bush behauptet, dass Amerika zum ersten Mal Terroristen jagt – dabei ist Terrorismus ein Teil des amerikanischen Systems. Amerika hat ein ganzes Volk vernichtet, die Indianer. Das ist Terror.
Nochmals: hatte er da unrecht? 
 
Ob seine Konzert- und Plattenerfolge, seine »Hits«, die er in großen Stadthallen immer wieder auf und ab sang, in einnigen Jahren noch mehr sein werden, als die nostalgische Erinnerung an Jugendzeiten, in denen das halt »in« war, kann ich beim besten Willen nicht beurteilen — denn, wie schon gesagt: seine Musik war nie die meine ...
 
Aber daß er nach all dem, was ich von ihm weiß (und das ist, zugegeben, nicht allzu viel) wohl ein aufrechter Mensch war, der Überzeugungen hatte und sie auch vertrat, statt nur opportunistisch auf die Verkaufszahlen seiner Tonträger zu schielen: das ist ein Wert für sich — »ære perennius«, um es mit Horaz (und später Puschkin, aber den darf man heute bei uns wohl nicht mehr zitieren ...) zu sagen.
 
So bleibt uns nur, dem gestern hochbetagt Verstorbenen ein aufrichtig achtungsvolles
 
REQUIESCAT IN PACE
  
nachzusenden, daß er im Jenseits den Frieden finde, den er im Diesseits so oft missen mußte.


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P.S.: hier der Nachruf bei Professore Silvæ. Länger, schöner, »verbundener«. Und anders gewichtet. Aber das versteht sich ohnehin von selbst. Soll auch so sein, denn »die Wahrheit« hat eben mehrere Seiten ... 

1 Kommentar:

helmut-1 hat gesagt…

Harry Belafonte gehört zu den Musikern, aus deren Repertoire ich mir auch einiges herausgegrapscht habe. Die politische Einstellung eines Musikers interessiert mich herzlich wenig, zumal ich ein Anhänger von Voltaire und dessen Ideen bin. Man verweist bei diesem berühmten Zitat zwar auf Beatrice Hall, aber die Denkensart von Voltaire ist hier klar zu erkennen:

"Ich mag verdammen was du sagst, aber ich werde mein Leben dafür einsetzen, dass du es sagen darfst."

Genauso bin ich ein Reinhard-Mey-Fan der ersten Stunde, obwohl auch er Meinungen vertritt, die ich nicht teile, zumindest nicht in dieser Form wie in seinem Lied:

https://www.youtube.com/watch?v=e0qPsYTBCtQ

Ich habe meine Söhne, die aus Überzeugung ihren Anteil an der Landesverteidigung leisten wollten, und als Doppelstaatler die Wahl hatten, in welchem Land sie das tun, davon überzeugt, dass sie das nur für ein Land tun, das nicht der NATO angehört. So ist es auch gekommen.

Und wenn ich mir die weiteren politischen Ansichten dieses Herrn Mey anhöre, gesprochen oder auch gesungen, dann stelle ich fest, dass ich da sehr vieles ähnlich sehe. Zumal er dieses Lied bereits 1996, also vor 27 Jahren, gebracht hat. Und genau die erschreckt mich, diese Weitsicht:

https://www.youtube.com/watch?v=BVpnrTkQqTI

Vor 27 Jahren,... und es passt auf die heutige Zeit wie die Faust aufs Auge.

Deshalb, - einen Musiker resp. dessen Musikdarbietung zu mögen oder nicht, das auf seine politische Einstellung auszurichten, da würde man sich selbst in vieler Hinsicht eine Tür zu machen, hinter der eigentlich viel Licht ist. Die Klassiker wurden hier im Artikel schon erwähnt, ich kann das bis in die "Neuzeit" fortführen, egal ob Bob Dylan, Cat Stevens, und viele andere.

Man kann sicher verschiedener Meinung über die privaten Ansichten der drei Musiker in dem nachfolgenden Video sein. Aber wenn ich mir diesen Song Wort für Wort anhöre, mir vergegenwärtige, dass man das gerade ein halbes Jahr nach Maidan im Jahre 2014 live gesungen hat, dann beginne ich, nachzudenken.

Ich ziehe Parallelen, und ich frage mich, warum diese Musiker Dinge vorausgesehen haben, die andere, so wie ich auch, eher in die Schublade mit dem Titel "Na, so schlimm wirds schon nicht kommen" gesteckt haben. Natürlich kann man behaupten, diese Musiker hätten damals nicht auf die Ukraine gesehen. Kann schon sein, kann sein auch nicht.

https://www.youtube.com/watch?v=SJnmZmy8IEU

Aber nachdenken sollte man, viel nachdenken. Vor ein paar Jahrhunderten gabs den Till Eulenspiegel, der über witzige und tiefsinnige, oftmals zweideutige Wortwahlen den Herrschenden die Maske gelüftet hat, hinter der sie sich verbergen. Einen Till Eulenspiegel findet man heute schwer, - er würde politisch totgemacht werden. Man sieht ja schon, wie z.B. "Servus-TV" im Kreuzfeuer steht.

Aber ein Musiker hat heute wie damals die Möglickeit, in geschickter und ansprechender Form den Finger in die Wunde zu legen. Und er sollte das tun, und auch tun dürfen, - egal, ob mir persönlich seine Meinung gefällt oder nicht.

Genau aus diesem Grund bereite ich mich darauf vor, wenn die Abende lau werden und der Park in Zentrum unserer Stadt wieder belebt ist, mein Akkordeon in die Hand zu nehmen und dort insgesamt 10 russische Lieder zu singen, neun in deutscher Sprache und eines in russisch. Ist etwas Arbeit, aber ich mache das aus Überzeugung.

Egal, welche Politik im Osten Europas derzeit abläuft, ich wehre mich gegen eine von oben verordnete Verallgemeinerung über ein Volk. Denn die Russen sind keine Menschenfresser, da gibts genügend Menschen dabei, die genauso denken und fühlen wie wir.