... fand zu Versailles die »Kaiserproklamation« und damit die Gründung des Zweiten Deutschen Kaiserreichs statt. Der auf diesem Blog bereits in einem eigenen Artikel erwähnte damalige bedeutende Porträtist und Historienmaler Anton von Werner stellte den Staatsakt in gewohnter Accuratesse dar:
Der Festakt wird häufig – aber zu Unrecht – als Gründungstag des Deutschen Kaiserreichs angesehen, denn verfassungsrechtlich ist dieses bereits mit 1. Januar 1871 entstanden:
Am 9. und 10. Dezember 1870 beschlossen Reichstag und Bundesrat, dem Inhaber des Bundespräsidiums (dem preußischen König) den Kaisertitel anzutragen; Wilhelm hatte den Titel gegenüber einer Kaiserdeputation des Reichstags angenommen (18. Dezem-ber). Außerdem sollte das Land in „Deutsches Reich“ umbenannt werden. Wirksam wurde dies am 1. Januar 1871 mit einer neuen Verfassung. Die spätere Proklamation war nur ein „Akt der förmlichen Amtseinweisung und Amtsergreifung“, der „18. Januar war kein Reichsgründungstag“ (E. R. Huber)
... schreibt Wikipedia dazu. Dessen ungeachtet: es war ein Tag von hoher Symbolkraft – wobei seine Veranstaltung im Köngisschloß eines gerade (fast) niedergerungenen Kriegsgegners nicht eben eine diplomatische Meisterleistung an Fingerspitzengefühl war ...
Daß eine deutsche Bundesregierung in Zeiten von Coronoia-Mutti eines solchen Tages nicht einmal im entferntesten zu gedenken gedenkt, durfte als selbstverständlich anzusehen sein. Wenn sie nicht einmal den Anblick der heute offiziellen deutschen Flagge zu ertragen vermag, sondern sie angewidert entsorgt – was soll ihr dann so ein Jahrestag bedeuten ...
8 Kommentare:
Der wackere Penseur "vergißt" (bzw. wahrscheinlicher: verschweigt absichtsvoll, damit das Feindbild einmal mehr passt), dass der deutsche Bundespräsident vergangene Woche ein breit beachtetes Symposium zur Gründung des Kaiserreiches im Schloss Bellevue veranstaltet hat. Alle großen Zeitungen haben darüber berichtet.
Es kann also keine Rede davon sein, dass das heutige Deutschland diesen Anlass totschweigt.
werter lepenseur!
ich möchte auch einen Jahrestag beisteuern:
Merkel wurde am 17. Juli 1954 geboren, an dem Tag, an dem der Bundesverwaltungsgerichtshof in Karlsruhe entschied, dass die kommunistische Jugendorganisation FDJ gegen das Grundgesetz verstößt, und damit in letzter Instanz das FDJ – Verbot der Bundesregierung aus dem Jahr 1951 bestätigte.
Merkel war FDJ – Mitglied, ideologisch noch immer.
Dazu ein passendes cartoon: https://bundesdeutsche-zeitung.de/wp-content/uploads/2017/03/Angela-Merkel-Stalin.jpg
Ich darf daran erinnern, dass der AfD-Vorsitzende Tino Chrupalla ebenfalls FDJ-Mitglied war.
Soviel zur Sinnhaftigkeit von Mitgliedschaften in früheren Lebensphasen und anderen Systemen.
Dass ein deutscher Bundeskanzler und zwei deutsche Bundespräsidenten aktive NSDAP-Mitglieder waren, stört hier auch keinen.
Cher Georg,
aha, der deutsche Bundespräsident ist also Teil der Bundesregierung ... ... interessant, was man als Jurist so auf seine alten Tage noch erfährt.
Noch etwas: die von Ihnen so mit Aplomb als "... breit beachtetes Symposium zur Gründung des Kaiserreiches im Schloss Bellevue ..." hinauflizitiert wird, war eine nur spärlich besetzte Diskussionsrunde von Steinmeier + 4 Historikern. Unter "Symposium" stelle ich mir da schon was anderes vor.
Alle großen Zeitungen haben darüber berichtet.
Nebbich. Aber wie!
https://www.faz.net/aktuell/politik/geschichte/150-jahre-kaiserreich-steinmeier-laedt-zum-gespraech-17144452.html
https://www.tagesspiegel.de/politik/150-jahre-deutsches-kaiserreich-nie-wieder-eisen-und-blut/26795250.html
Steinmeier selbst bezeichnet den Tag (in Zitierung von Heinemann, 1971) als "ungerufenen Gedenktag"; die Historiker apportieren brav dieses Verdikt und die präsidiale Wortspende:
"Einen ungetrübten Blick auf das Kaiserreich, vorbei am Völkermord, an zwei Weltkriegen und einer von ihren Feinden zerstörten Republik, gibt es nicht. Es kann ihn nicht geben."
Der einzige, der einen ungetrübten Blick riskiert, ist Sir Christopher Clark. Den anderen verschwammen offenbar die Augen ob der Gnade ihrer nachträglichen Prophetengabe, aus dem Jahr 2021 erkennen zu konnen, was 1871 noch über sechzig Jahre in der ungewissen Zukunft lag. Die Tagesspiegel-Journalistin Andrea Dernbach formuliert genüßlich:
Auch in Steinmeiers Runde gibt Clark mit sichtlichem Vergnügen den Relativierer des wilhelminischen Ungeheuers, dem der Wille zum "Sieg über äußere Feinde in die DNA eingeschrieben" sei und dem tatsächliche oder vermeintliche innere Feinde überlebenswichtig waren (Conze)
Sie beweist wieder einmal das Kraus'sche Diktum, daß zwar nicht jeder Historiker ein rückwärts gekehrter Prophet sei, aber jder Journalist einer, der nachher alles schon vorher gewußt habe ...
Ja, cher Georg: man hat der Gründung des Zweiten Deutschen Kaiserreichs auf Bellevue gedacht. Nicht durch einen Festakt (wie es in einem normalen Staat selbstverständlich gewesen wäre), sondern in Form eines kangaroo court, dessen vernichtendes Urteil (mit einer dissenting opinion) vom einladenden Präsidenten schon gesprochen wurde, bevor die Verhandlung anfing:
Wir Deutschen stehen dem Kaiserreich heute so beziehungslos gegenüber wie den Denkmalen und Statuen von Königen, Kaisern und Feldherren aus dieser Epoche.
Das glaube ich Steinmeier aufs Wort. Er steht ja vielem anderen ebenso beziehungslos gegenüber. Ein technokratischer Apparatschik der Politszene κατ' ἐξοχήν ...
Wer solche "Gedenkfeiern" für angemessen erachtet, wird der damnatio memoriæ begeistert akklamieren. Es sollte sich aber nicht wundern, wenn dereinst auch ihm (und seinesgleichen) beziehungslos gegenübergestanden wird. Und mit weit größerer Berechtigung ...
Cher (chère?) Anonym,
Ich darf daran erinnern, dass der AfD-Vorsitzende Tino Chrupalla ebenfalls FDJ-Mitglied war.
Das waren viele (und viele davon nicht wirklich freiwillig) in der DDR. So, wie Papst Benedikt XVI in der HJ war.
Merkel war hingegen FDJ-Sekretärin — und das wurde man nicht unfreiwillig, sondern das mußte angestrebt werden.
Außerdem: wie alt war Herr Chrupalla, als die DDR unterging (danach kann er ja schwerlich in der FDJ gewesen sein ...). Wikipedia verrät es Ihnen: er ist Jahrgang 1975 — also 14 Jahre.
Merkel hingegen:
Sie war nicht in der zivilen oder der kirchlichen Opposition aktiv. Während ihrer Tätigkeit für die Akademie der Wissenschaften engagierte sie sich in ihrer FDJ-Gruppe. Nach eigenen Angaben war Merkel dort als Kulturreferentin tätig. Zeitzeugen, die der Merkel-Biograf Gerd Langguth befragt hat, sprachen davon, sie sei für „Agitation und Propaganda“ zuständig gewesen.
Bis zum 35. Lebensjahr war sie dort. In einem Job der Akademie der Wissenschaften, den man nur mit entsprechender Linientreue bekam.
Merken Sie den Unterschied? Nein, vermutlich nicht ...
Ach ja, und die "aktiven NSDAP-Mitglieder", als die Sie uns Scheel und Carstens verkaufen wollen ... sogar die deutsche Wikipedia (die ja bei allem und jedem einen NS-Verdacht wittert) findet das recht harmlos. Also übertreiben Sie nicht! Jedenfalls war keiner der beiden Spitzel für die Gestapo. Was von Mutti mutatis mutandis nicht behauptet werden kann ...
Ich meine nicht Scheel und Carstens, sondern Lübke und Carstens. Lübke war daran beteiligt, Baupläne für KZ's zu errichten. Ein Kavaliersdelikt schaut anders aus.
Von Adenauers Rasputin und Strippenzieher, Kanzleramtschef Globke, Kommentator der Nürnberger Rassengesetze und leidenschaftlicher Antisemit, ganz zu schweigen. Hat auch keinen aufgeregt, dass der nach dem Kanzler der mächtigste Mann der Bonner Republik war.
Die Gründung des deutschen Reiches war eine großartige Antwort: auf die linke Trias Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit der Anarchisten in Frankreich und England gab das Reich die Antwort: Disziplin, Zucht und Standesbewusstsein.
"Lübke war daran beteiligt, Baupläne für KZ's zu errichten."
Noch immer die längst aufgedeckten Fälschungen der DDR-Stasi nicht erkannt? Was du behauptest wird sogar von Wikipedia als Fälschung aufgedeckt. Und Wikipedia ist wirklich nicht die Speerspitze der Neonazis, das solltest sogar du wissen.
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