Freitag, 19. Juli 2019

Und wieder die menschliche Dummheit

von Fragolin

Erster selbstfahrender Bus erfasst Fußgängerin“ titelt die „Krone“, und begeht damit den klassischen Fehler der Berichterstattung über menschliche Dummheit.
Wir erinnern uns: Jedesmal, wenn es den Leuten an den ersten schönen Wochenenden im Frühling den Hormonschub durch den präfrontalen Cortex pumpt und das Denken beim Anblick des frisch ausgemotteten Motovelozipeds in reinem Testosteron ersäuft, dann lesen wir wieder diese bullshittigen Schlagzeilen: „Der Straßenverkehr forderte drei Todesopfer“ oder „Das Osterwochenende forderte einen hohen Blutzoll“.

Es gibt einen einfachen Grundsatz, wie man Bullshit erkennen kann: Immer dann, wenn ein Abstraktum oder Ding zum Schuldigen erklärt wird, wenn Menschen beteiligt sind, handelt es sich um Bullshit. Warum wohl hat noch niemand den Straßenverkehr oder das Osterwochenende verklagt? An welche Adresse sollte man auch die Vorladung schicken?
Weder der Straßenverkehr noch das Osterwochenende und ebensowenig ein „selbstfahrender Bus“ haben jemals irgendwas gefordert, angefahren, erfasst oder – last but not least – terrorisiert. Die Nummern „LKW rast auf Weihnachtsmarkt“ oder „PKW rast in Menschenmenge“ fallen da nämlich auch darunter. LKWs und PKWs machen sowas nicht einfach so.
Es sind immer Menschen. Immer. IMMER.

Doch zurück zu dem „selbstfahrenden Bus“, der einfach so mal eine arme Fußgängerin „erfasst“ hat. Wie hat er das angestellt? Hat er vor dem Schutzweg Gas (oder Elektronen) gegeben? Hat er die Fußgängerin auf dem Trottoir verfolgt, bis er sie endlich kurz vor ihrer Haustür erwischt hat?
Nein.
Wir erfahren:

Unser Operator meldet, dass eine Dame mit Kopfhörer und Blick am Handy die Straße passiert hat. Der Bus hat sie links seitlich touchiert.“

Aha.
Fassen wir zusammen. „Dame mit Kopfhörer“, „Blick aufs Handy“ und „seitlich touchiert“.
Klartext: Ein typischer Smombie, Stöpsel in den Ohren um besser nichts zu hören als überlaut aufgedrehte Musik und den Blick starr auf das Smartphone getackert, um die neueste WhatsApp-Nachricht auch nicht um eine Zehntelsekunde zu spät zu bemerken, latscht faktisch blind und taub quer durch den Straßenverkehr, der bekanntlich recht ignorant ist, da er nur ein Abstraktum aus schwammigen Polizeiberichten ist. Und dieser sich selbst im wahrsten Sinne des Wortes sinnbefreite Trampel rennt auf diese Weise seitlich gegen den vorbeirollenden Bus.
Meine Fresse, hatte die ein Glück! Wäre das ein Schlenki mit Fahrer in voller Fahrt gewesen, hätte man ihre Reste mit einem feuchten Fetzen vom Asphalt wischen können! Aber die Spielzeug-Rollgondel fährt maximal 12 km/h, um uns schon mal auf die klimaneutral entschleunigte Eselkarren-Zukunft vorzubereiten, und hat als rollender Roboter zum Glück eine weit kürzere Reaktionszeit als ein menschlicher Busfahrer (der mit etwas Pech gar nicht mitbekommen hätte, wenn ihm während der Fahrt seitlich jemand ins Chassis rennt) und ist sofort stehengeblieben. Sie kam mit einem aufgestoßenen Knie weg.

Die korrekte Schlagzeile wäre gewesen: „Hirnloser Smombie ramponiert selbstfahrenden Bus“. Jetzt muss natürlich das komplette Projekt auf Eis gelegt werden und alle „Experten“ rätseln, wie es passieren konnte, dass ein autonomer Bus eine arme Fußgängerin erfassen konnte.
Dabei ist die Antwort einfach: Hat er nicht! Die ist ihm reingerannt!
Das ist wie bei dem russischen Versicherungstrick, wo der, der vor dir an der roten Ampel stehenbleibt, einfach den Rückwärtsgang einlegt, mit Vollgas in dein Bug rammt und dann die Polizei ruft, um dich für den Auffahrunfall festzunageln. Deshalb haben die da alle eine Dashcam. Oder dieser 2016 ein paarmal versuchte Trick von GoldstückchenTM, sich finanziell zu verbessern, indem sie stehenden Autos auf die Motorhaube gesprungen sind und dann schreiend zu Boden gingen und den Autofahrer beschuldigten, ihn angefahren zu haben. Es scheiterte an Zeugen und scheint deshalb heute kein Thema mehr zu sein.
Mit ihrer hirnlosen Blödheit hat dieser Smombie es geschafft, einen Großeinsatz auszulösen (Polizei, Unfallkommando, Rettung und mehrere Fahrzeuge der Wiener Linien sind zur Ilse-Arlt-Straße ausgerückt.“) wegen einem geprellten Knie. Wenn die statt gegen den Bus gegen einen Laternenpfahl geknallt wäre, hätte es kein Schwein interessiert. So geht der Schaden in die Zigtausende.

Und die Klugscheißer in den Foren toben natürlich, dass dürfe ja nicht sein, dass so ein automatisch fahrender Bus nicht rechtzeitig stehen bleiben kann – und man erkennt die durch die oben erwähnten Schlagzeilen komplett aufgeweichten Hirne. Ob ein Fahrzeug rechtzeitig stehen bleiben kann hängt nämlich von zwei Größen ab: erstens der Reaktionszeit, und da ist jeder Roboter weit schneller als ein Mensch; zweitens der Geschwindigkeit des Fahrzeugs; drittens dem Gewicht, also die Schwungmasse des Gefährts und viertens dem Abstand zum Hindernis bei dessen Auftauchen.

Wenn also, wie ein genanntes Beispiel war, plötzlich ein spielendes Kind zwischen zwei Autos einen Meter vor dem Bus auf die Straße rennt, dann ist es einem menschlichen Fahrer sogar noch unmöglicher, rechtzeitig stehen zu bleiben. Weil Schrecksekunde; bei 30 km/h macht die bereits 10 Meter Fahrweg aus, bevor der Fahrer überhaupt seinen Fuß auf das Bremspedal stemmt. Der Roboter würde da schon stehen. Aber beide zu spät, weil, und jetzt wird es für jene schwer, die glauben, die Realität wäre nur ein soziales Konstrukt, geboren aus einem Sprechakt: PHYSIK. Dieses eklige patriarchalische Unterdrückungsinstrument, das leider diesseits des Ereignishorizonts von Schwarzen Löchern überall allgemein gültig ist. Geschwindigkeit, Weg, Bremskraft, Schwungmasse. Lassen sich so lange exakt berechnen, bis menschliche Dummheit ins Spiel kommt. Und damit Smombies. Dann kommt sogar Einstein nicht weiter.
(War da nicht erst vor ein paar Tagen was mit einem Bengel, der vor lauter Handygaffen das Ende vom Bahnsteig übersehen und in eine einfahrende S-Bahn gerannt ist?)

Wenn man ein Fahrzeug erst dann zulassen will, wenn es garantiert keinen Unfall erleben wird (denn verursachen tut es diesen in keinem der genannten Fälle) und immer, egal wie die Umstände sind, garantiert rechtzeitig stehen bleibt, dann kann man es niemals zulassen. Weil es irgendwann eben genau den Trottel gibt, der als Smombie seitlich in das Auto rennt und dann schfreit.

Ich täte der Frau ja den Schaden am Fahrzeug und vor Allem den Totalausfall eines kompletten, zig tausende Euro teuren Projektes in Rechnung stellen.

Und nein, das beinhaltet keine Wertung meinerseits, ob autonome Busse wirklich notwendig sind. Aber warum die von der selbsternannten Arbeiterpartei verwalteten Wiener Linien ihre Busfahrer von Robotern ersetzen lassen wollen, müssen die Busfahrer ihre Genossen Führungskräfte selbst fragen.

3 Kommentare:

Rizzo Chuenringe hat gesagt…

Das alte Heizer-auf-der-E-Lok-Problem. Damit werden die Genossen herumraufen, solange es sie noch gibt, die Genossen. Fahrerlose Schienenfahrzeuge gibt es ja schon zuhauf, fast jeder grössere Flughafen weltweit hat sowas mittlerweile. Weil es sich höchstens noch die Nordkoreaner leisten könnten, im 24/7 Betrieb Unmengen an Fahrern geisttötend zwischen Terminals hin- und herpendeln zu lassen. Die N-Koreaner haben aber schlauerweise erst gar keinen 24/7 Betrieb und stehen an der Spitze des Klimakampfes gegen übertriebenes Fliegen. Sind halt vorbildliche Genossen.

Laurentius Rhenanius hat gesagt…

Mal wieder meinen ganz herzlichen Dank für Ihren Beitrag!
Herzerfrischend.
Ich gehöre noch zu der Generation, die im Kindergarten nicht mit Vegetarismus und CO2-Vermeidung malträtiert wurden, sondern auf das Leben in der Großstadt vorbereitet wurden. So kam zu uns die Polizei mit dem berühmten und beliebten "Verkehrskasperle". Merkspruch des 1. Aktes: Schau links, schau rechts, schau gerade aus, dann kommst du immer gut nach Haus!
Vielleicht könnte man daraus eine hippe Retro-Äpp machen, welche die audio-visuell Geschädigten vor Bordsteinkanten warnt...

Anonym hat gesagt…

O ja. Vor ein paar Monden mußte die Busfahrerin ein schon sagenhaftes Bremsmanöver vollziehen, weil so ein Dödel, auf dem Fahrrad dem Bus zunächst entgegenkommend, mit Ohrhörern natürlich, eiskalt nach rechts abbog. Alle nach vorn Sitzenden hat es vom Sitz gewedelt, ich stand, eine hinter mir sitzende Dame hat meinen schon in leidlicher Abheilung befindlichen mürben Kniegelenken ungewollt neue Frische verliehen ... Manchmal wünsche ich mir öffentliche Stäupungen zurück, es ist nicht recht, ich weiß.