Dienstag, 12. April 2022

Die Abschaffung der Kultur

Gastkommentar
von Alexandra
 
 
Mit dem Artikel ich will keinen Streit über "Kunstwissenschaften" auslösen — aber der Inhalt dieser Erklärung ist sehr zutreffend über vieles was uns in dieser Zeit bewegt (übersetzt von Thomas Röper – Anti-Spiegel) 
Maria Sacharowa, die Sprecherin des russischen Außenministeriums, hat sich dazu in einer offiziellen Erklärung geäußert. Beginn der Übersetzung: Der Westen ist entsetzt über sich selbst und startet eine weitere Kampagne zur „Abschaffung der russischen Kultur.“ Was wir dabei nicht schon alles gesehen haben. Das ist kein gerechter Zorn, der in den Menschen entfacht wird. Das wird von „Profis“ gemacht. So erklärte beispielsweise der stellvertretende polnische Ministerpräsident und Minister für Kultur und Nationales Erbe Pawel Gliński, dass „die russische Kultur aus dem öffentlichen Raum verschwinden muss.“ Wer bist Du, polnischer Kulturminister, dass Du so etwas sagst? Wer hat Dir dieses Recht gegeben? Er reicht keine Milliarde Jahre, um das Thema zu erlernen, das er abschaffen will. Wenn er über die russische Kultur spricht, kann er nicht einmal ihre Grenzen erkennen. 
 
Wie kann man überhaupt Menschen, die die Kultur von Nationen und Völkern abschaffen wollen, mit Kultur betrauen? Ja, das gab es in der Geschichte – in den 1930er und 1940er Jahren. Genau dagegen kämpfen wir. Noch etwas aus der Reihe „das kann man gar nicht absichtlich erfinden“, aber es geschieht im 21. Die National Gallery in London hat das Gemälde „Russische Tänzerinnen“ des französischen impressionistischen Malers Edouard Degas umbenannt. Jetzt sind sie nicht mehr russisch. Das kommt vor. Für den Westen ist das normal. Die können morgens ein Mann sein, abends eine Frau, und am nächsten Tag ein „Es“. Dann kann man auch die Ethnie auswechseln. Zumal Degas schon vor langer Zeit gestorben ist. Also haben sie es umbenannt. 
 
Es ist nur ein Name, man muss die Staatsangehörigkeit nicht ändern, keine Geschlechtsumwandlung vornehmen lassen. Sie haben es einfach durchgestrichen. Die Geschichte haben die schon lange abgeschafft. Deshalb haben sie in ganz Europa Denkmäler abgerissen, damit sie nicht mehr an die Geschichte erinnern und die Kinder Mama und Papa, oder besser gesagt „Elternteil A“ und „Elternteil B“, nicht danach fragen, was das Denkmal mit dem Mann mit dem Stern auf der Kappe bedeutet. Damit nichts mehr an die abgeschaffte Geschichte erinnert, muss man auch die Kultur abschaffen. 
 
Tschaikowsky, Schostakowitsch und Rachmaninow werden nun in einer Reihe von Ländern von den Konzertplakaten entfernt. Das staatliche akademische Gesangs- und Tanzensemble der Donkosaken wurde in den Niederlanden abgesagt. Jetzt wird das Leben in den Niederlanden sicherlich besser werden. Russische Schriftsteller und ihre Bücher werden verboten. Die Staatliche Universität Bicocca in Mailand hat eine Reihe aus vier Vorlesungen des Schriftstellers Nori über Dostojewski abgesagt, „um keine Kontroverse zu entfachen.“ Wieder, damit es keine Fragen gibt. In dem Staat, den George Orwell beschrieben hat, darf es keine Kontroverse geben. Dort gibt es nur eine Wahrheit. Die Entscheidung wurde am nächsten Morgen widerrufen. Aber es wurde ein Präzedenzfall geschaffen. 
 
Das Govi-Theater in Genua hat das jährliche Dostojewski-Festival wirklich abgesagt. Es hat seine Meinung nicht geändert. Lesen Sie Dostojewskis „Die Besessenen“ nochmal. Es ist der heutigen Zeit sehr ähnlich. Ein einzigartiges, unsterbliches Werk. Schafft es ab oder nicht – es war, es ist und es wird sein. Wir stellen mit Bedauern fest, dass die Russophobie im Westen rasant zunimmt und die wilden Maßnahmen, die ergriffen werden, gegen alle Grundsätze zivilisierten Verhaltens verstoßen. 
 
Die aggressive Durchsetzung der „Abschaffungskultur“ verkommt zu einer „Kultur der Abschaffung“ und bedroht die an dem „Prozess“ Beteiligten mit dem totalen Verlust der Koordination in der modernen Welt. Jetzt ist es schwierig zu wissen, wer vor einem steht – er, sie, es. Welches Geschlecht „es“ zu welcher Tageszeit bevorzugt. Es ist schwierig zu verstehen, wer welches Werk geschrieben hat. Schließlich kann der Titel innerhalb von ein paar Stunden geändert werden. Es ist schwer zu sagen, was wahr war und was nicht. Was war überhaupt in der Geschichte? Denkmäler werden zertrümmert, Museen werden geschlossen, die Geschichte wird in den Schulbüchern umgeschrieben.
 
 

8 Kommentare:

Franz Lechner hat gesagt…

Frau Sacharowa setzt mE ein paar falsche Akzente und irrt in einem Punkt.
Was treibt den "Westen", was will er damit?
Auffallend ist zunächst etwas, das man mit "Prozess der Infantilisierung" umschreiben könnte. Diese sehr pejorative Betrachtung hilft mE beim Erkennen des dahinter liegenden Zweckes, der eben eines ist: negativ, nämlich eine professionell geplante kulturelle Selbstzerstörung und Totalisierung des öffentlichen Lebens. Für letztere ist es eben notwendig, dass die Untertanen bereitwillig jeden Blödsinn mitmachen, der ihnen vorgegeben wird. Neben dieser Disziplinierung liegt noch ein gewisser Erziehungsgedanke, ganz nach dem Motto: bestrafe einen, erziehe hundert. Opfer ist immer derjenige, der gerade ausschert. Das können heute die Russen sein, morgen die Ungarn, übermorgen die Österreicher, etwa wenn sie sich erdreisten, die falsche Partei zu wählen. Die Hauptstoßrichtung ist aber gegen "uns" selbst, dh gegen die sich innerhalb der vorgegebenen Norm bewegenden. Dass die Kampagnen immer tiefer und, wie gesagt, kindischer angesetzt, werden, verfestigt die sich etablierende Diktatur. "Russland" hingegen ist austauschbar, und dass man der "russischen Kultur" mit so einem Unsinn schaden könnte, glauben die ja nicht einmal selbst. Damit geht auch die Gleichsetzung mit dem Dritten Reich ins Leere. Das Dritte Reich wusste, wen es hasste, und war darin ideologisch für ewig festgelegt. Die Gegner der NWO hingegen sind variabel und jeweils der aktuellen Situation angepasst, heute ich, morgen du. Das Dritte Reich wollte mit der Schmähung missliebiger Kulturen die eigene Selbsterhöhung. Die NWO benutzt die Schmähungen letztlich - neben dem tagespolitischen Primärzweck - zur Selbstausschaltung der europäischen Kultur, also zur Selbsterniedrigung. Der Bürger des Dritten Reiches sollte nicht Mendelssohn und Mahler hören dürfen, Beethoven und Brahms blieben das zu fördernde "Eigene". In der Filmindustrie nach 1945 wurde die Klassik als Ganzes negativ konnotiert, etwa zugunsten einer idiotischen "Broadway-Melody" ("Das Mädel aus dem Schwarzwald"). Die amorphe Masse, welche die europäischen Länder bewohnt, soll keine Kultur haben. Dieser Hass gegen das Eigene lag schon den britischen Massenbombardierungen des 2. Weltkriegs zugrunde, und deren Drahtzieher nahmen damit auch bewusst deutsche Vergeltungsmaßnahmen in Kauf.

Der Verweis gegen den McCarthyismus ist verfehlt. In Wahrheit war der McCarthyismus eine kurze Phase des Aufbegehrens gegen die heute so übermächtigen diktatorischen Kräfte. Die Autorin scheint das Phänomen des Westmarxismus nicht zu verstehen, dies teilt sie mit vielen, die in der traditionellen linken Weltsicht verhaftet sind. Dieses Phänomen war auch zB bei einer Wiener Pro-Russland-Demo zu beobachten. Rote Fahnen, erzlinke Parolen, aber grundsätzliche Ignoranz, dass die heute aktuelle Linke längst die Seiten gewechselt hat und für die NATO eintritt. Schließlich verteidigt bzw verbreitet diese heute das, was man dereinst Kulturbolschewismus nannte.
Noch eine Anmerkung: die ewigen russischen Verweise auf ihre ruhmreiche Rolle im 2. Weltkrieg sind schon mühsam. Man sollte angesichts der unfassbaren Greuel der Roten Armee da ein bisschen leiser treten. Das kommt auch nicht gut an in befreiten Ländern wie Litauen und Polen, sogar Slowakei und Tschechien, wo man eben nur zu guten Grund hat, sich nicht gerne an alle Aktivitäten der Roten Armee zu erinnern. Denen waren halt die Amis lieber, und dass muss man jetzt nicht mit dem heute so infantil von oben verordneten Russenhass unbedingt in Verbindung bringen.

Ursula hat gesagt…

Es ist ziemlich lächerlich, wenn Leute über den Westen und dessen angebliche Pläne zur Abschaffung der russischen Kultur barmen, die selbst - bis zu ihren obersten Führern - nicht nur die ukrainische Kultur, sondern gleich die Ukraine selbst abschaffen wollen.
(Und einen Großteil der Ukrainer gleich mit - denn allen "ukrainischen Faschisten" wird jetzt ja unverblümt öffentlich angekündigt, dass sie dasselbe Schicksal wie die deutschen Faschisten ereilen wird.)

Anonym hat gesagt…

In der Zwischenzeit knüpft die ukrainische Kultur beim IS an.

In einem bizarren Propagandavideo wird einem russischen Gefangenen von einer ukrainischen Schauspielerin in traditioneller Tracht mit einer Sichel der Hals durchgeschnitten.

https://www.zerohedge.com/geopolitical/bizarre-isis-style-propaganda-video-shows-ukrainian-woman-mock-executing-russian

Es kursieren aber auch andere Videos.
Etwa eines gefolterten Russen den man eine Panzersperre gekettet und angezündet hat.

Sandokan

Juri hat gesagt…

Selbst wenn man Wladimir Putin sonst nicht bewundern würde (wofür es freilich Gründe genug gibt) - wie er den dummdreisten Parvenü Nehammer gedemütigt und zur Schnecke gemacht hat, das war ganz großes Kino. Wie hieß es kürzlich hier mal so schön: jedes Volk hat die Regierung, die es verdient. Österreich hat offenbar diese grenzdebilen Pygmäen verdient, die mit den ganz großen Hunden pinkeln wollen und nicht mal das Beinchen hoch kriegen.

Franz Lechner hat gesagt…

Leute wie "Ursula" können nicht mehr über Verfassungspatriotismus hinausdenken. Die "Abschaffung" eines Staates ist für solche Leute identisch mit der Abschaffung einer Kultur. Nicht, dass damit zugestanden sei, "die Russen" wollten "die Ukraine" "abschaffen". Und dass aus der heutigen "Ukraine" kulturell sehr üble Zeichen kommen, hat Sandokan ja schon aufgezeigt.

Alexandra hat gesagt…

werter Hr. Lechner

herzlichen Dank für ihren Kommentar....ich habe ihn mehrmals durchgelesen und darüber nachgedacht - interessant wie sie die Dinge einschätzen und dies auch dementsprechend argumentieren.

..."Prozess der Infantilisierung"......... "Diese sehr pejorative Betrachtung hilft mE beim Erkennen des dahinter liegenden Zweckes, der eben eines ist: negativ, nämlich eine professionell geplante kulturelle Selbstzerstörung und Totalisierung des öffentlichen Lebens."....."Opfer ist immer derjenige, der gerade ausschert."

Von ihrem Blickwinkel aus betrachtet, kann ich ihnen in vielen ihrer angeführten Punkte zustimmen.

Der Grund warum ich die Erklärung von Sacharowa zutreffend fand, war ihr "erhobener Fingerzeig" auf unser überhebliches "Gutmenschtum". Ich habe zunehmend immer mehr das Gefühl in einer total verrückten Welt zu leben.

Werke russischer Künstler, selbst wenn sie schon seit 100 Jahren tot sind, dürfen nicht mehr dargeboten werden, Bilder werden umbenannt - irgendwie erinnert das dann doch an unselige Zeiten.

Oder ist dieses Elternteil A - Elternteil B - oder andere Vorschläge lauten ja auch auf Elter und Elterin noch nachvollziehbar?

Da setzt sich ein Mann morgens eine Perücke auf, schlüpft in Frauenkleider, weil er glaubt er wäre eine Frau und schafft es damit über die Frauenquote ins Parlament zu kommen - und abends ab unter die Dusche und anschließend, (verzeihen sie den vulgären Ausdruck) "vögelt" er seine Ehefrau weil ihm grad wieder in den Sinn kommt,er wäre vielleicht doch ein Mann? Das ist doch nicht normal, zumindest nicht in meinen Augen.

Ich habe meine Ansicht der Dinge sehr vereinfacht zum Ausdruck gebracht, während sie sehr "tiefschürfend" diesen Artikel unter die Lupe genommen haben. Ich hoffe, von ihnen noch mehr zu lesen. Ihre Betrachtungen waren überaus interessant.

mlg Alexandra

PS: Nebenbei bemerkt ist ihr Nickname gut gewählt - in meinem Ort hat jeder Zweite diesen Nachnamen ;)

Franz Lechner hat gesagt…

Liebe Frau Alexandra, bitte verstehen Sie mich nicht falsch, ich stimme mit Frau Sacharowa in vielem überein und halte es auch für gut und richtig, dass Sie diesen Artikel hier gebracht haben (noch dazu in einem Tschaikowsky-Beitrag des unseres geschätzten Penseurs). Ich denke aber, es ist auch für die Mitforisten interessanter, eine kritische Würdigung der sagen wir vielleicht 20% hinterfragenswerten Aspekte zu lesen, als die Erklärung, mit dem Text im Großen und Ganzen übereinzustimmen (was hier ohnedies so gut wie jeder tut).

Anonym hat gesagt…

@Juri
Hamma den Nähkoffer verdient? I'm not so sure... Gewählt ham wir ihn jedenfalls nie, sondern allenfalls das Ohrliwunder, aber dieses konnte sich immerhin auf dem internationalen Parkett einigermaßen bewegen (derlei Fassadismus war ja so ziemlich seine einzige Tugend). Mit dem Nähkoffer eine Wahl zu bestreiten - das müssen sie sich erst einmal trauen!