Freitag, 29. April 2022

Eyvind Alnæs

von LePenseur
 
 
... erblickte am 29. April 1872, also heute vor genau 150 Jahren, in Frederikstad, südöstlich von Oslo, das Licht der Welt. Wie so viele Komponisten seiner Generation, die sich nicht in die Gefolgschaft der Schönberg-, Strawinsky-Jünger eingliedern wollten, sondern weiterhin der Klangsprache der Spätromantik verbunden blieben, fiel er dem Verdikt von Adorno & Consorten anheim, denen es sogar gelang, einen unbestrittenen Großmeister wie Jean Sibelius wenigstens im deutschen Sprachraum weitgehend von den Konzertpodien auszuschließen. 
 
Im Falle von Sibelius war Adorno nicht auf Dauer erfolgreich — seine Anhängerschaft im angelsächsischen Kulturbereich war einfach zu groß, als daß sie sich den giftigen Anfeindungen eines deutschen Musiktheoretikers von ausgesprochen überschaubarer Genialität gebeugt hätte. Aber die Komponisten der »zweiten Liga« (und darunter) wurden durch die bornierte Absolutsetzung dessen, was als »zeitgenössische Musik« passieren durfte, spätestens ab 1945 um ihr Lebenswerk bzw. den Nachruhm betrogen. Es ist schier unvorstellbar, welch eine Unzahl von Werken durch diese Machenschaften gezielt in die Vergessenheit gedrängt wurden! Wer sich heute — mit vollem Recht! — über die »Säuberungen« durch die Nazi-»Kultur«bonzen erregt, darf seine Augen vor den Taten dieser Kunstinquisitoren ebenso nicht verschließen ... ... Doch zurück zu Eyvind Alnæs, dessen biographische Daten einem kurzen, informativen Wikipedia-Artikel entnehmbar sind.

Neben seiner Tätigkeit als Organist und Chorleiter bedeutender norwegischer Kirchen, 1916 bis zuletzt an der Kathedrale von Oslo, war er einer der Gründer des norwegischen Komponistenverbandes und komponierte zwei Sinfonien (op. 7 und op. 43), die »Symphonischen Variationen« für Orchester, ein Klavierkonzert op. 27, daneben Klavierstücke, viele Werke  für Orgel, Chöre und Lieder.
 
Alnæs' Symphonie No. 1 in c-moll, op. 7, entstand zu Ende seiner Studien in Berlin bei Julius Ruthardt und wurde 1897 dort mit Erfolg aufgeführt. 


1909 entstanden die »Symphonischen Variationen«, ein kürzeres Werk, das von den Fähigkeiten des jungen Komponisten ein eindrucksvolles Zeugnis ablegt:


Das schwungvolle Klavierkonzert in D-Dur, op. 27 aus dem Jahr 1913, das nicht nur ein »Virtuosen-Konzert« ist, sondern dem Orchester durchaus anspruchsvolle symphonische Aufgaben zuweist, würde eine Wiederentdeckung für den regulären Konzertbetrieb verdienen:


Die ebenso schwungvolle Symphonie No. 2, op. 43, gleichfalls in D-Dur aus dem Jahr 1923 zeigt den mittlerweile »arrivierten« Komponisten Alnæs in voller Inspiration und perfekter Beherrschung aller handwerklichen Anforderungen für dieses ambitionierte Werk:


Zum Abschluß sei noch die »Weihnachtsmotette« als Beispiel seines reichen kirchenmusikalischen Schaffens gebracht:


... denn es war am 24. Dezember, also zum »Heiligen Abend« des Jahre 1932, daß der Komponist zu Oslo seinen Lebensweg vollendete ...



3 Kommentare:

Franz Lechner hat gesagt…

Man muss schon sagen, vieux Penseur, Ihre Kulturpolitik ist mehr als reaktionär. Nicht nur, dass Sie laufend Gestalten präsentieren, die der alte Wiesengrund auf den Index gesetzt hat, verweigern Sie systematisch eine Thematisierung der immensen kulturellen Verluste, die unser armes Land gerade heimsuchen: Hermann Nitsch und DDr Kurt Ostbahn! Der größte Maler und der größte Musiker seit bereits unvordenklichen Zeiten, und daneben noch so gaaanz große Denker!

Gestern hab ich übrigens wiedermal beim Autofahren Kommunismus 1 gehört (Radio Stephansdom hatte gerade nix Gescheites), und zwar eine Schmähsendung über dh gegen den von mir bisher nicht beachteten Johann Nepomuk David, wobei sich vor allem der aktuelle Linzer Chefdramaturg sehr hervorgetan hat.* Bei mir hat das natürlich nur das Gegenteil ausgelöst und ich werde beginnen, mich mit David auseinanderzusetzen. Wär das nicht einmal was für einen weiteren reaktionären Kulturbeitrag hier, nur so als Anregung?
* sehr bemerkenswert, dass dem David ausgerechnet Bartok als menschlich-politisch integres Gegenbeispiel vorgehalten wurde, was einer näheren Betrachtung wert wäre...

Le Penseur hat gesagt…

Geschätzter Herr Collega,

es ist schön, daß wenigstens auf Sie Verlaß ist! Ich fürchtete schon, mein Alnæs-Artikel ginge völlig unkommentiert (um Schiller zu zitieren) "zum Orkus hinab"; da Sie ja auch schon Mjaskowski's "Stille" mit Schweigen übergingen ;-) — Aber nein, Sie retten mit einem süffisanten Posting die versungen und vertan geglaubte Sache!

Ja das mit David ist interessant ... ich muß gestehen, der ist, glaub ich, vielleicht trotzdem eher etwas für Sie! Bruckner-Fan und Orgelmusik — perfekt! Und orchestral geht's bis zu seiner 4., 5. Symphonie für mich noch durchaus, ab der 6. beginne ich innerlich eher abzuschalten (die 1. gibt's auf YT nicht und kenne ich daher nicht; aufgeführt wird sowas ja nie ...) — Sie sind aber herzlich eingeladen auf dem LePenseur-Blog einen Gastkommentar zu schreiben, wenn Sie wollen!

Bitte, kontaktieren Sie mich bei Interesse Ihrerseits!

Franz Lechner hat gesagt…

Lieber Herr Collega, ich KANN nicht alles kommentieren, was Sie einstellen, das ist irrsinnig viel, was ja an sich wunderbar ist, nur brauch ich lang, bis ich das abarbeite - es ist ja alles Neuland für mich. Und dieser Spät-oder Postromantizismus ist, finde ich, die schwierigste Musik überhaupt, weil die Qualitäten nicht ganz offen zutage liegen. Ich hab mir jetzt von dem Alnaes die Symphonischen Variationen zweimal angehört, und sie gefallen mir sehr gut, wobei ich sagen muss, dass mir die erste Hälfte noch besser gefallen hat und das Stück daher am Schluss ein wenig hinter den von ihm erweckten Erwartungen zurückbleibt. Wahrscheinlich ist das technisch gesehen das Problem eines zu ausdrucksstarken Themas. Bei Beethoven, DEM Variationenkomponist schlechthin, gibt das Thema an sich nie so besonders viel her, es ist mehr die Grundlage für nicht vorhergesehene Wendungen. Aber ich werd mir das Stück in mein Hörrepertoire aufnehmen und weiterforschen. Bei Miaskowski bin ich noch säumig, aber diese persönliche Lücke von 27 Symphonien ist mehr demotivierend als fordernd,
Über David kann ich nichts schreiben, da ich nichts weiß. Interessant wäre natürlich die momentane Nicht-Rezeption, aber auch da weiß ich zu wenig, auch die ö1-Sendung hat sich mit "konkreten" Vorwürfen zurückgehalten und war nur im Grundton von der gewohnten Niedertracht.
David hat übrigens mit Bruckner nichts gemeinsam. Zu Brahms könnte man viel eher Parallelen ziehen. Und als "Bruckner-Fan" kriegt man es mit "Orgelmusik" sowieso nicht oft zu tun, sieht man vom 1' langen sog. Perger Präludium ab. Überdies scheinen Sie sich bei David viel besser auszukennen - ich hab mich jetzt grad mal mit der Zweiten und Dritten auseinandergesetzt- kommt mir sehr gut vor.
Bei Ihren Beiträge merkt man so schön, was einem noch alles so fehlt...