Samstag, 16. März 2024

Salzburg aus spießbürgerlicher Sicht - Teil 1

Gastkommentar
von Rupert Moser
 

Also sprach Andreas Unterberger: 
„… absolut undenkbar, dass sich jemand ausdrücklich als Kommunist bezeichnet und dennoch bei Wahlen im 21. Jahrhundert exzellent abschneidet; und dass in Graz wie Salzburg sogar viele ÖVP-Wähler zu den Kommunisten übergewechselt sind, so wie sie früher zur FPÖ übergewechselt sind, wenn sie der ÖVP-geführten Regierung für was auch immer einen Denkzettel geben wollten.
Um es klar zu sagen: Wer heute einen – stolz diese Bezeichnung tragenden! – Kommunisten wählt, lädt schwere Schuld auf sich.“
Auf ersten Blick scheint an diesen Zeilen nichts zu beanstanden. Bei näherer Betrachtung handelt es sich jedoch um einen typisch spießbürgerlichen Reflex, der auf äußere Erscheinungsformen abzielt und sich damit zufriedengibt. Das Ergebnis ist indes höchst kümmerlich. Lädt einer, der anders bezeichnete, aber dennoch kommunistische Inhalte vertretende Parteien wählt, etwa weniger schwere Schuld auf sich? Worin soll der besondere Unrechtsgehalt liegen, wenn Wähler, die bislang kommunistische Programme wie allem voran den Bevölkerungsaustausch unterstützten, nun auch eine ausgewiesen kommunistische Partei wählen?
„Aber inzwischen wissen zumindest in den Städten Graz und Salzburg fast 30 Prozent nicht mehr, was der Kommunismus ist.“
Oh doch, sie wissen es, Herr Unterberger, offenbar besser als Sie, und sie kriegen eben nicht genug davon. Ich sag nur Multikulti, mehr Staat, nicht zuletzt auch in der Gesundheitspolitik, hoch die internationale Solidarität, vor allem mit der Ukraine und mit der NATO samt entsprechender Friedenspolitik und Aufrüstung… Das Problem scheint viel eher darin zu liegen, dass Sie es nicht so besonders gut wissen scheinen, wie der Kommunismus in Zeiten wie diesen so zu agieren pflegt. Aber auch hinsichtlich der Vergangenheit tun sich da gewisse Lücken auf. So sind diese Ihre folgenden Zeilen blanker Unsinn:
„Die einzigen "sozialen Errungenschaften" von Kommunisten an der Macht: Es gab keine bösen Reichen mehr. Alle waren – bis auf die Funktionärsnomenklatura – gleich arm. Vielfach ärmer als der arme Bevölkerungsteil vorher. Viele der Menschen in Graz und Salzburg sehnen sich heute wieder nach solchen Verhältnissen. Verstehe das, wer es verstehen kann.“
Die wichtigste soziale Errungenschaft des Kommunismus lag in der Beseitigung der Arbeitslosigkeit. Wir wollen hier nicht diskutieren, mit welchen Mitteln dies erfolgte bzw inwieweit dieses Ziel überhaupt sinnvoll war, aber das gänzliche In-Abrede-Stellen von gewissen sozialen Errungenschaften in den realsozialistischen Staaten erscheint entschieden verfehlt. Entsprechend blödsinnig dieses Zitat:
„Beängstigend ist vielmehr auch das Hauptwahlkampf-Argument der Kommunisten in diesen beiden österreichischen Städten selber: das Wohnen. Denn es gibt mit absoluter Sicherheit weltweit niemanden, der beim Thema Wohnen mehr versagt hätte als die Kommunisten“ 
... dies nebst Verweis auf Kuba, Venezuela oder Nordkorea. Hm, merkwürdig, ist man nur mit Blick auf gewisse Slum-Viertel in nichtkommunistischen Ländern Südamerika und Asien geneigt zu sagen. Ganz geheuer scheint dies Unterbergern denn wieder auch nicht zu sein, und schwenkt er über auf scheinbar sicheres europäisches Terrain:
„In den 70er und 80er Jahren hat man noch gar nicht in andere Kontinente fahren müssen, um zu sehen, wie unsozial und unfähig der regierende Kommunismus ist, wie er insbesondere total an der Aufgabe gescheitert ist, genügend und brauchbaren Wohnraum zu schaffen. Damals brauchte man von Ostösterreich ja nur wenige Kilometer nach Norden, Osten oder Süden zu fahren, um das Scheitern des real existierenden Kommunismus gerade in Sachen Wohnen zu sehen.“
Zugegeben, übertrieben viel Wohnraum hatte man im Kommunismus nicht zur Verfügung, aber geht das dennoch nicht zu weit? Waren also die Plattenbauviertel in der CSSR, der DDR, Ungarn etc, etwa in, um in der von Unterberger erwähnten Grenznähe zu bleiben, Petrzalka oder Devinska Nova Ves ein glatter Misserfolg? Hatten die ärmeren Schichten der Länder des Ostens denn zuvor so gediegen gehaust wie man es im Döblinger Cottage tut? Und gab es nach dem 2. Weltkrieg auch dort nicht so etwas wie ein dringendes Wohnungsproblem, dass das aus dem Boden Stampfen von vielleicht nicht den ästhetischen Kriterien eines Döblinger entsprechenden Plattenbausiedlungen erfordert hätte? Hatte der Osten dieses Problem nicht doch wenigstens einigermaßen gemeistert?  
 
(Fortsetzung folgt)

3 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

So,so! Herr Unterberger weiß nicht "für was auch immer der ÖVP-geführten Regierung ein Denkzettel gegeben wurde"?
"Schwere Schuld" wenn man Kommunisten wählt? Dabei befindet sich Herr Unterberger ideologisch schon längst im sozialistischen Fahrwasser. Etwas Selbstreflexion und weniger Meinungsarroganz täte Hr. Unterberger gut.

Ich sehe es wie Michael Klonovsky: "Der Sozialismus ist nicht der Widerpart des Kapitalismus sondern sein Parasit!"

Der Parasit geht eben so lange zum Wirt, bis er völlig ausgelaugt ist. Dann stirbt der Wirt und der Parasit aber nicht ohne Wiederkehr, wie man unschwer an Zeiten wie diesen erkennen kann.

MfG Michael!

Anonym hat gesagt…

Und nochmal "Herr Biedermann und die Brandstifter" lesen!
Im "Lehrstück ohne Lehre" wird ja gerade vor diesen Unterbergers gewarnt, die es jedoch nie kapieren werden. Deshalb "ohne Lehre" ...

Rupert Moser hat gesagt…

Stimmt genau.