Dienstag, 10. September 2019

Verbot der Verfassungsfeinde

von Fragolin

Die „Identitäre Bewegung“ soll verboten werden. Nein, nicht durch ein dem rechtsstaatlichen Prinzip entsprechendes Gerichtsverfahren, das es ja bereits gab und bei dem auch in zweiter Instanz erkannt wurde, dass die IB gegen keine Gesetze verstößt, sondern auf Geheiß des Herrn Kurz und seiner ÖVP.

Was besagt zum Beispiel der für alle EU-Staaten rechtsverbindliche Artikel 11 der Europäischen Menschenrechtskonvention dazu? Guckstumal:
Alle Menschen haben das Recht, sich friedlich zu versammeln und sich frei mit anderen zusammenzuschließen...
Ach.
Und diese EMRK ist was in Österreich?
Richtig: im Range eines Verfassungsgesetzes. Die Willkür der Politik gegenüber dem Bürger ist dadurch abgewehrt.
Und was will die mit immer absolutistischerem Machtanspruch geradezu erdoganesk auftretende Kurz-ÖVP? Die in der Menschenrechtskonvention und damit in der Verfassung (und nebenher auch noch im Staatsgrundgesetz von 1867 festgeschrieben) verbrieften grundlegenden Menschenrechte mal eben aus politischem Kalkül einschränken bzw. punktuell außer Kraft setzen.

Kann sich noch jeder an die Aufregung nach dem Spruch erinnern: „Das Recht hat der Politik zu folgen“? Witzigerweise war es in dem Sinne, wie es gemeint war, sogar richtig, denn es ist das Parlament, das die Gesetze beschließt. Nur hat das Parlament dabei auch die Pflicht, dass das Recht, das es beschließt, die verfassungsmäßigen Rechte der Bürger des Staates in keiner Weise einschränkt.

Und da geht es los. Jetzt fordert die ÖVP nämlich ganz offen und unverblümt die Aushebelung des Rechtsstaates, da selbst nach mehreren Verfahren und gerichtlicher Feststellung der Rechtskonformität der „Identitären Bewegung“ diese als Machtdemonstration verboten werden soll. Nicht die Erkenntnisse von Gerichten entscheiden darüber, ob dieser Verein Bestand haben darf, sondern die Kurz-ÖVP fordert das. Der Beschluss einer Partei wiegt also mehr als der Beschluss eines Gerichtes. Da folgt das Recht nicht mehr der Politik, da ist die Politik das Recht und die Justiz hat nichts mehr zu melden. Passt das Urteil eines Gerichtes der Politik nicht, hebelt sie es einfach aus und spricht ihr eigenes Urteil.

Wenn die Roten dem zustimmen (und sie betrachten das Ganze mit unverhohlenem Wohlwollen; zu groß ist die diebische Freude, den „Rechten“ eine reinzuwürgen) und ein politisches Willkürgesetz durchbringen helfen, das nebenbei auch noch das verfassungsmäßige Recht auf freie Bildung von Vereinen beschneidet, also verfassungsfeindlich die Bürgerrechte einschränkt, dann wissen wir, dass die kommende GroKo endgültig in eine Richtung tendiert, die man nur als Diktatur bezeichnen kann, und jeder, wirklich jeder, der Schwarz oder Rot seine Stimme gibt, einen Stein zur Pflasterstraße beiträgt, die in eine Regentschaft eines Größenwahnsinnigen führt. Kurz hat bereits zwei Parteien geschreddert, das gesamte politische System Österreichs durcheinandergewirbelt, meldet Allmachtsansprüche an allen Fronten an und baut Stein für Stein an einer geradezu absolutistischen Führungsmacht. Man ahnt nichts Gutes für die Zeit nach dem 29. September.

Und dabei geht es nicht um die IB-Clowns, die sich mit lächerlichen "Fackelzügen" (wer diese Optik wählt, hat wirklich nichts gelernt – man muss zur sozialistischen Jugend, die alljährlich zum Walpurgisabend mit Fackeln in Wien aufmarschiert, nicht den nationalistischen Ableger spielen) nicht gerade um ein vernunftgeleitetes Bild bemühen, das ihnen besser stehen würde, sondern um verfassungsmäßige Bürgerfreiheiten und Menschenrechte; man will einen Hebel schaffen, über den man jeden Oppositionellen kriminalisieren und jeden oppositionellen Verein verbieten kann. Ob andere Parteien diesem Machtgelüste nachgeben und sich da einen Bumerang basteln, werden wir sehen, denn wie die ÖVP mit ehemaligen Koalitionspartnern umspringt, sollte inzwischen jeder begriffen haben (außer den strunzdummen Grünen, denn der Kogler bettelt ja im Moment richtig darum, dem Kurz seinen Rücken zum Aufsteigen anzubieten). Man holt sich deren Stimmen für Gesetze, um diese dann ohne mit der Wimper zu zucken gegen sie einzusetzen. Mir bereitet diese ins faschistoide abgleitende Kurz-ÖVP schön langsam Sorge. Behalten die Linken doch Recht, die in ihm einen Wiedergänger des Austrofaschismus sehen? Die Optik, die er in dieser Richtung momentan abgibt, ist gelinde gesagt unglücklich.
Heute die ÖVP, morgen Österreich und übermorgen…?

Die Menschen haben das unteilbare Recht, Fackelzüge, Hüpfdemos oder Pride-Paraden zu veranstalten, egal ob links, rechts, oben oder unten und egal wem das gefällt und wem nicht. Man kann darüber schimpfen, toben, lästern, lachen, auch das sind Grundrechte; aber man nicht das Recht, die Menschen an der friedlichen und gewaltfreien Ausübung ihrer Grundrechte zu hindern. Weder mit gewalttätigen Ausschreitungen bei „Gegendemos“ noch mit staatlicher Willkür. Wer das tut, ist ein Demokratiefeind und damit ein Verfassungsfeind.

Da die IB als reine zivile Bürgerbewegung weder in der Position ist noch in ihrem Programm irgendwo dazu aufruft, die Menschenrechtskonvention zu verletzen, die ÖVP aber keinen Genierer hat, die EMRK einfach zu brechen, ist es nicht die IB, die verboten gehört, sondern in dieser Konstellation eher die ÖVP.
Keine Sorge, vom Verfassungsschutz wird die ÖVP ganz sicher nie beobachtet werden.
Der gehört ihr nämlich schon.
Fragt Kickl, der weiß das.

6 Kommentare:

Franzl hat gesagt…
Der Kommentar wurde von einem Blog-Administrator entfernt.
Le Penseur hat gesagt…

Cher Franzl,

Kollege Fragolin hätte Sie vermutlich wegen der Hirnlosigkeit Ihres Kommentarpostings einfach gelöscht. Nun, das wäre zwar absolut verständlich und nachvollziehbar, doch entginge damit unserer Leserschaft ein Einblick in Ihre verbogene Realitätswahrnehmung.

Die Fackelzüge der IB orientieren sich am allerwenigsten an irgendwelchen versprengten Walpurgisnacht-Fackeln irgendwelcher versprengter Sozis, sondern natürlich am erhebenden Fackelzug in der Nacht der Machtergreifung am 30. Januar 1933 durch das Brandenburger Tor, als Deutschland sich endlich wieder seiner Identität besann.

Sie belieben nicht bloß die sprichwörtlichen Äpfel mit den ebenso sprichwörtlichen Birnen zu vergleichen (die beiden sind ja immerhin noch als "Obst" irgendwie vergleichbar!), sondern mit, sagen wir mal, Oberdrückschabottenhämmern (einer Art Gesenkschmiedehammer, falls es jemand genau wissen will).

Das tertium comparationis wäre diesfalls nicht das (immerhin noch halbwegs naheliegende) "Obst", sondern bloß die Tatsache, daß Äpfel (die bekanntlich auch nicht weit vom Stamm fallen können) diese ihre Falltendenz mit dem "Bär" eines Oberdrückschabottenhammers teilen. Was halt deutlich weiter hergeholt ist. Ganz, ganz weit, genauer gesagt.

So, und nun zu Ihrem geistvollen "Vergleich":

Was war der Fackelzug am 30.1.1933?
Eine Machtdemonstration der Nazis aus Anlaß ihrer Machtübernahme.

Was war der aktuelle Fackelzug, an dem (u.a.) Identitäre teilnahmen?
Eine Machtdemonstration aus Anlaß der Machtübernahme der Identitären?

Die Frage zu stellen heißt, sie zu beantworten ...

Cher Franzl — nehmen S' mir, bitte, nicht übel, wenn ich Sie — falls Sie das wirklich ernst meinen sollten — taxfrei zum "Trottel des Jahres" ernenne.

So viel Blödheit und ideologische Verblendung ist ja geradezu schmerzhaft mitzuerleben!

Ich habe Ihr Posting daher gelöscht ("Dümmer als die Polizei erlaubt" ist nicht mal auf diesem Blog gestattet!), aber dessen Text vollständig und unverändert zitiert — um ihn in seiner Absurdität bloßzustellen. Und damit vielleicht (die Hoffnung stirbt bekanntlich zuletzt) doch noch einen Denkprozeß zwischen ihren Ohren in Gang zu setzen.

Ab dem nächsten Mal, cher Franzl, werde ich einfach löschen (bzw. den geschätzten Admin das tun lassen — warum soll ich mir die Finger an Ihrem Gedanken-Unrat beschmutzen?)

Kapiert?

Danke, setzen!

Carolus hat gesagt…

Der VS spielt der IB ja übel mit, indem er sie im VS-Bericht erwähnt. Er definiert einerseits „rechtsextrem“ als antidemokratisch & verfassungsfeindlich & gewaltaffin. Nun erfüllt die IB nicht einmal ein einziges dieser drei Kriterien und trotzdem wird sie andererseits im VS-Bericht einem „modernisierten“ Rechtsextremismus zugeordnet.
https://www.bvt.gv.at/401/files/Verfassungsschutzbericht2018.pdf
Könnte man gegen diese unlogische Willkür nicht rechtlich vorgehen? Das Stigma „rechtsextrem“ schadet der IB ja ungemein.

Kickl ist einer der wenigen, die sich nicht gegen die Identitären gewandt haben.
29.9.: Vorzugsstimme Kickl!

Carolus hat gesagt…

Der Jurist AU gibt in seinem vorgestrigen Tagebucheintrag die Antwort auf meine oben gestellte Frage zur IB-Erwähnung im VS-Bericht:
„... es gibt keinerlei rechtliche Möglichkeiten, gegen solche Feme-artigen Verurteilungen aus dem Dunkel Einspruch zu erheben oder ein rechtsstaatliches Verfahren zur Klärung der Vorwürfe zu verlangen; ...“
https://www.andreas-unterberger.at/2019/09/elf-fakten-zu-trkenbelagerung-stenzel-und-der-demokratie/
Sieht LePenseur das auch so?

Anonym hat gesagt…

Werter Le Penseur,

die Richtung ist klar: Eine Neuauflage von türkis-blau muß unter allen Umständen verhindert werden. Schwarz-rot (am wahrscheinlichsten) oder schwarz-grün bzw. sogar schwarz-grün-pink ist angesagt. Daher auch die "nicht mit Kickl" bzw. "Identitäre verbieten" als vorab einschlagene Koalitionsbedingungspflöcke.

Machen wir uns nichts vor: Kickl hat die FPÖ-Linie in der Migrationsfrage wie vor der Wahl versprochen auch nach der Wahl konsequent weiterverfolgt. Der Knackpunkt hier war der Migrationspakt, als den Altschwarzen klar wurde, daß die FPÖ ihren Standpunkt ernst meint. Als Kickl dann auch noch die schwarzen Netzwerke im BVT ernsthaft bedroht hat, war klar: Der muß weg.

Ob Kurz jetzt dem Druck der Altschwarzen erlegen ist, ob er - womit auch immer - selbst erpreßt wird, oder ob er einfach in Wahrheit ein Mini-Macron ist: Egal - türkis (soweit es überhaupt echt war) ist tot. Und damit auch türkis-blau.

Es wird interessant sein, wie viele Kurz-Wähler sich nach den Wahlen in den Allerwertesten beißen werden, wenn wieder schwarz-rot oder gar schwarz-grün(-pink) kommen wird. Mein Tipp: Es wird eine erkleckliche Anzahl sein.

Mit den unblutigen (aber leider erfolgreichen) Putschen in Österreich und Italien ist die Mittelmeer-Route wieder offen und der moderne Sklavenhandel wieder in Schwung.

Stets der Ihre,
Tomj

PS: Sorry, muß natürlich genderistisch korrekt "Sklav*Innen_Handel" oder so heißen.

Fragolin hat gesagt…

Werter Tomj,
die Strategie ist so durchschaubar, wie es nur geht.
Kurz geht mit dem Sicherheits- und Migrationsprogramm der FPÖ auf Stimmenfang und gaukelt den Wählern vor, voll auf FPÖ-Linie zu schwimmen, schlägt über dumme Ausreden dann aber die Tür zur FPÖ zu, dreht es dann um ("Ich würde gerne mit ihnen koalieren, aber wenn sie an Kickl und den Rechtsextremen festhalten geht das leider nicht..." - Kurz ist immer Opfer.) und tut so, als ob er zähneknirschend mit den Pinken und Grünen zusammengehen muss und nun leider, leider auf die versprochene harte Migrationspolitik verzichten muss, um eine stabile Regierung im Sinne der Österreicherinnen und Österreicher blablablupp...
Entweder kommt eine GroKo (allerdings nur über den Abschuss von Rendi, der aber schneller gehen kann als die Frau Doktor Stetoskop buchstabieren kann) oder eine neue Mischung Schwarz-Pink-Grün. Nach den Ausflüssen der beiden Spitzenkandidaten letztens auf Puls4 passen die charakterlich auch sehr gut zusammen. Für Österreich leider eine Katastrophe, aber eine wirklich gute Konstellation gibt es dank Kurzens Machtrausch inzwischen leider nirgends mehr zu sehen.
MfG Fragolin