Sonntag, 15. September 2019

Morgen vor einem Jahr


... also am 16. September 2018, hat der emer. Pfarrer Dr. Hermann Detering die folgende Betrachtung veröffentlicht:

Kleines Wort zum Sonntag

Ein und derselbe Mond spiegelt sich
In allen Wassern.
Alle Monde im Wasser
Sind Eins in dem einen einzigen Mond.
„Gott. . . spielt gerne Verstecken, aber weil es nichts außer Gott gibt, hat er  niemanden, mit dem er spielen kann,  außer sich selbst. Doch überwindet  er diese Schwierigkeit, indem er vorgibt, nicht er selbst zu sein. Das ist seine Art, sich vor sich selbst zu ver-stecken. Er gibt vor, du  zu sein und ich und alle Menschen auf der Welt, alle Tiere, alle Pflanzen, alle Steine und alle Sterne. Auf diese Weise hat er seltsame und wunderbare Abenteuer, einige davon sind schrecklich und beängstigend. Aber das sind nur schlechte Träume, denn wenn er erwacht, werden sie verschwinden.
(Hier weiterlesen)
Wie ich erst kürzlich erfahren habe, ist Dr. Hermann Detering etwa einen Monat später, am 18. Oktober 2018, nach schwerer Krankheit im 65. Lebensjahr verstorben.

Ich bin nicht theologisch ausgebildet genug, um Hermann Deterings quellenkritische Arbeiten über die Entstehung neutestamentlicher und frühchristlicher Texte (wie z.B. »Turmel redivivus – Die Ignatianen als marcionitische Pseudepigrapha«) in der Fülle ihrer Details und Anmerkungen würdigen zu können, aber sein kleines Büchlein »Falsche Zeugen: Außerchristliche Jesuszeugnisse auf dem Prüfstand« (Aschaffenburg: Alibri 2011. 243 S. Kart. ISBN 978-3-86569-070-8), das ich selbst mit Begeisterung gelesen habe, kann ich nur jedem klar und kritisch denkenden Menschen zur Lektüre empfehlen (hier ein kurzer »Einstieg« ins Thema)!

Es ist erschütternd zu sehen, wie sich ansonsten durchaus intelligente Leute auf religiösem Gebiet mit zum Teil plumpen Fälschungen, deren völlige Unplausibilität doch »mit den Händen zu greifen« ist, abspeisen lassen — bloß weil sie's halt glauben wollen!

Daß die »offizielle Theologie« einen derart klaren und »radikal-kritischen« Gelehrten nicht in ihre (angebliche) scientific community hineinließ, verwundert nicht. Deterings Gedanken und Theorien wären für ihre wohlbestallt professoralen Existenzen ja das reinste Dynamit gewesen! Deshalb fällt das Verdikt auf Wikipedia auch vernichtend aus:
Deterings Thesen sind wissenschaftlich nicht anerkannt. Die Mehrzahl der Neu-testamentler weist sie zurück. Jürgen Becker betrachtet Deterings Umgang mit den Quellen hinsichtlich seiner Identifikation des Paulus mit Simon Magus als „sehr fantasievoll“. Detering müsse der Apostelgeschichte des Lukas jeden Geschichtswert ab-sprechen. Außerdem müsse er den ersten Clemensbrief und die Ignatiusbriefe zu Fälschungen erklären, weil sie Paulusbriefe vor Marcion bezeugten. Dass die Großkirche die angeblichen Marcionprodukte überarbeitet habe, um sie in ihren NT-Kanon aufzunehmen, sei eine „bizarre Vermutung“.
Nun, ich habe die keineswegs »bizarre Vermutung«, daß der Unwille der zitierten Professoren, sich mit Deterings Thesen auseinanderzusetzen, vor allem aus dem Umstand resultiert, daß sie im Fall ihrer Zustimmung ihre Jobs losgeworden, oder (mit »Glück«) zumindest in die Emeritierung gemobbt worden wären ...

Hermann Detering hat dem Interessierten eine reiche literarische Ernte auf den Büchertisch gelegt — vom »gefälschten Paulus« bis zum »lieben Augustin« untersucht er Texte auf ihre innere Plausibilität und historische Entstehung, denn erst beides macht die Erkenntnis »ganz«! Auf seiner Website radikalkritik.de finden sich seine zahlreichen wissenschaftlichen Publikationen verzeichnet.

Wer einen ganz anderen Detering kennenlernen möchte, einen phantasievollen, heiter-burlesken, doch manchmal auch poetischen, der lese seinen Roman »Schlesischer Mohn« – leider das einzige Werk, das der vielseitig interessierte Autor auf belletristischem Gebiet verfaßt hat. Und noch etwas fällt mir zu Hermann Detering, den ich leider persönlich nie kennenlernen durfte (obwohl ein Besuch bei ihm für den Fall, daß ich beruflich in Berlin länger zu tun hätte, von mir fix geplant war), ein: er hat ganz wunderbare Photos über die Städtchen und Dörfer, die Landschaft und die Weiden, die in ihr wurzeln, aus seiner näheren Umgebung gemacht, die man hier ansehen kann. In jenem stillen, künstlerischen Schwarz/Weiß, das Photos so gut ansteht, wie es umgekehrt seinem Geist als Wissenschaftler gut angestanden hat, daß er sich als Autor auf bloße Schwarz/Weiß-Malerei nicht einließ.

Requiescat in pace ...



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