Sonntag, 22. April 2018

Ostritz

von Fragolin

Im dunkelsächsischen Ostritz, rein geografisch seinem Namen alle Ehre machend, versammelte sich am Geburtstag des nationalsten Sozialisten aller Zeiten allerlei Gelichter, welches von der Idee des sozialistischsten Nationalismus aller Zeiten beseelt den Sinn ihres Lebens darin sehen, mutig verbotene Symbole zu zeigen, sich mit echtem doitschen Bier zuzuschütten bis sie sich für Herrenmenschen halten, ekligen kleinkapitalistischen Wucher mit Führerdevotionalien zu treiben und sich dazu mit irgendwelchen Tönen zuzudröhnen, die entstehen, wenn man einen von echter teutonischer Hand getriebenen Kupferkessel voller Feiner Sahne Fischfilet mit Essig aus in der hundertsten Generation mit Ariernachweis geklonten Äpfeln übergießt und mit dröhnenden Bässen beschallt.

Die Berichtbestattung darüber kann sich jeder vorstellen, da wird ganz bewusst kein Unterschied zwischen sogenannten „Rechten“ und diesen begeisterten Neonazis gemacht, ganz im Gegenteil. Als Nichtlinker würde ich mich schon als Rechter bezeichnen, wenn da nicht diese unsinnige Koppelung wäre. Ich verschmähe mit Inbrunst jegliche Form des Kollektivismus, egal ob inter- oder nur national, ich halte den Sozialismus in all seinen Facetten neben der religiösen Massenaufpeitschung für das größte Übel der Menschheit. Der Rotzbremsige betrieb beides zwecks Unheilsmaximierung, und wenn ich etwas feiere, dann sicher nicht den Geburtstag dieses Ekels. Mit Leuten, die sich Hakenkreuze tätowieren und einem Massenmörder hinterherblöken, passe ich weniger in einen Topf als rotsterntragende Antifanten oder türkenfahnenschwenkende Sultanatsbegeisterte.

„„Sicherheitsdienst Arische Bruderschaft“ steht in Frakturschrift auf dem schwarzen T-Shirt des blonden jungen Mannes, der jeden kontrolliert, der hier am Freitag hineinwill.“

Dazu zwei oder drei Anmerkungen: was in den USA unter „Arian Brotherhood“ läuft, ist eine reine rassistische Sekte, die als Phönix aus der Asche der verbrannten Kreuze des KKK aufstieg. Der Schwarze Block der Nazis. Ein Gelände, auf dem diese Typen Ordner sind, möchte ich auf keinen Fall betreten. Und die Frakturschrift liebe ich. Ich finde sie einfach genial. Ich habe Bücher aus dem 19. Jahrhundert, eine ganze Shakespeare-Ausgabe und mittelalterliche Städtechroniken, herrlich dieser Mix aus wundervoll gepflegter deutscher Sprache und kunstvoller Fraktur-Schrift. Aber das ist ein künstlerischer Genuss, der mit Gesinnung gar nichts zu tun hat, sonst müsste ja jeder, der Germanistik studiert, bereits zu den Nazis zählen. Na gut, für die komplett Linksverseuchten vom deutschlandhassenden Rand ist das wohl auch so, aber da ist diese Einstufung ja wieder ein Kompliment. Und was das mit der Haarfarbe des jungen Mannes zu tun hat, kann wohl nur jene Apothekerzeitung erklären, die auch schon den Zusammenhang zwischen blondbezopften Mädchen und Nazi-Eltern offenbarte. So ganz können sie bei dem Versuch, schnippisch sein zu wollen, ihren Rassimus doch nicht verstecken.

Nähert sich ein Auto der Einfahrt, kommt er hinter dem Bauzaun hervor, der das Festival abschirmt. Geht zur Fahrerseite, prüft, ob Gleichgesinnte drinsitzen und auf dem Gelände des Hotels „Neißeblick“ zelten möchten.“

Wie „prüft“ der, ob „Gleichgesinnte“ darin sitzen? Haben die ein Gedankenlesegerät aus den geheimen Versuchslaboren unter Peenemünde gerettet? Oder ist das nur journalistischer Sondermüll? Wer da rein will, ist ein „Gleichgesinnter“, da muss man nicht mehr viel prüfen, ein normaler Mensch hält sich da fern. Wenn die sich schützen müssen dann höchstens vor gezüchtetem oder geschenktem Terrorismus.

Doch die Anreisenden lassen sich am Freitag Zeit. Sie tröpfeln vereinzelt ein, die Dutzende Fotojournalisten warten zunächst vergeblich auf Bilder specknackiger, tätowierter Neonazis.“

Wie es scheint, nicht nur „zunächst“, denn querpresse und auch im MDR-Liveticker finden sich haufenweise Bilder buntgekleideter fahrradfahrender Gegendemonstranten, lachender Nonnen und von der Polizei einkassierter Linksaktivisten, aber irgendwie keine specknackigen tätowierten Nazis. Naja, man nimmt was man hat.

Den Ostritzern sei es nicht egal, sagt er, welchen Ruf ihre Stadt habe. „Die Ostritzer“ – sie fallen vor allem durch ihre Abwesenheit auf. Zwar ist das Zelt der Neonazi-Gegner gut gefüllt, 1000 Teilnehmer sollen es auch hier sein. Doch ein Mitorganisator zeigt sich hinter vorgehaltener Hand enttäuscht, dass wenige Einheimische den Weg zum Marktplatz gefunden haben. Viele im Ort seien der Meinung, man solle das Neonazi-Fest einfach ignorieren.“

Da zeigt sich, dass die einfachen Bewohner eines kleinen Dorfes mehr Weisheit zwischen ihren Zehen besitzen als die empörgepeitschte Presse und die ganze Klaviatur der permanent nazijagenden Selbstverwirklicher rauf und runter spielende Politikerdarstellerriege zwischen den Ohren. Wenn im mehr als 80 Millionen Einwohner zählenden Kernland des Nationalsozialismus heute der Geburtstag ihres angehimmelten „Föhrers“ gerade mal 1.000 Idioten hinter dem Ofen hervorlockt, dann kann man es dabei belassen, denen ihren Devotionalienmarkt und das Gegröle ihrer Kampfparolen überlassen und ihnen keine weitere Bedeutung durch Kenntnisnahme der Existenz einräumen.

Wenigstens Eines kann Ostritz für sich verbuchen: Hätten die Veranstalter nicht dieses verpennte Dörfchen nahe der verblichenen Oder-Neiße-Friedensgrenze zum Ort ihrer Devotionalienmesse samt Krachhintergrund erkoren, würde kein Schwein außerhalb des Verwaltungskreises dieses Kaff kennen. Nicht beleidigt sein, ist vielleicht ein liebenswertes Kaff, aber eben ein Kaff, dessen Chance, nationale oder gar internationale Beachtung zu finden, jenseits grenzwertiger Vorkommnisse oder surrealer Todesfälle eher unwahrscheinlich ist. Noch bekannter wäre es allerdings geworden, wenn die toleranzgebeutelten Buntheitsfanatiker zur Gegenveranstaltung ihre verhaltenskreativen Sturmtruppen herangekarrt und das halbe Dorf in Schutt und Asche gelegt hätten. Denn wenigstens Eines muss man den Idioten lassen: sie sehen scheiße aus, sie denken scheiße (wie alle, die welchem Sozialismus auch immer anhängen) und benehmen sich auch nicht unbedingt sympathieheischend *), aber sie hinterlassen nach ihren Festen zwar Müll, Schmierereien, Überstundenabrechnungen der örtlichen Polizeistube und Ortsbekanntheit, aber von Messerattacken gegen Anwohner, versuchten oder durchgeführten kollektiven Vergewaltigungen, ausgebrannten Autos oder demolierten Kaufläden hört man nichts.

*) Anmerkung: Es ist erstaunlich, dass sich zum Geburtstag des Rotzgebremsten massenweise Gestalten einfinden, die mit seiner Lebensweise (als Vegetarier, Tierliebhaber, Naturfreund und Kapitalistenhasser wäre er heute bei den Grünen weit besser aufgehoben als bei den „Nationalpatriotischen Dumpfbacken“, oder wie sich die NPD abkürzt) so gar nichts anfangen können, Schachtelfressen und Bier in sich reinschütten, idiotische Klamotten aus amerikanischer Baumwolle von Farmen mit Sklavereihintergrund, total bekloppte Frisuren (oder auch gar keine) tragen, sich volltätowieren und sich mit etwas akustisch zudröhnen, was ihr herbeigesehnter Führer nie als Musik erkannt sondern eher zur Insassenfolter in Konzentrationslagern freigegeben hätte. Der hätte die wahrscheinlich alle zum Lagerfrisör deportiert, neu eingekleidet und mit der Spitzhacke in den Steinbruch geschickt. Was die Frage aufwirft, ob diese Typen nicht sogar noch bekloppter sind als es ihr irres Idol schon war.

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