Dienstag, 2. August 2022

Ein imposanter Artikel eines rumänischen Autors über Russland

Gastkommentar
von Helmut

 

Man muss die rumänische Mentalität kennen: viele erinnern sich noch an den deutsch-russischen Nichtangriffspakt 1940, als man den Rumänen die Nordbukowina und Bessarabien weggenommen und den Russen überlassen hatte. Auch die vorübergehende Besetzung Rumäniens durch russisches Militär im Jahre 1944 sowie die damit einher gehenden unschönen Ereignisse blieben im Gedächtnis.

So ist es zu erklären, dass bei vielen die NATO-Propaganda auf fruchtbaren Boden und auf ein offenes Ohr fällt. Die Gegenstimmen, die Verständnis für das Vorgehen Putins in der Ukraine haben, waren in der absoluten Unterzahl. Seit einigen Wochen aber ändert sich das, die Kritiker Selenzkys werden immer mehr.

Nu hat jemand einen Artikel vom März 2020 veröffentlicht, und gerade im rumämischen facebook, wo man sowas nicht erwartet hätte. Also zu einer Zeit geschrieben, wo keine Rede von einem Krieg in der Ukraine war. Aber dieser Artikel erklärt die Haltung des Westens, und insbesonders das Bestreben der USA, Putin auf den Mond zu schießen.

Der Artikel beginnt mit einem Foto, das genauso bezeichnend ist. Bei einer ähnlichen Veranstaltung im Westen wäre sicher ein Soldat neben dem Präsidenten anwesend, der einen Regenschirm über ihn hält, selbst aber im Regen steht:

 
Der Artikel (in roter Farbe habe ich erklärende Anmerkungen angefügt):

Wie könnten sie ihn nicht hassen!

Von Cristian Pătrașcu - 16. März 2020

1991 hatte Russland alles, alle Voraussetzungen, alles war bereit für den Ansturm des westlichen wilden Kapitalismus. Diese Zeiten sind so nah und doch so fern ... Russland musste die große Beute sein! ... Mit all seinen Reichtümern, mit den Diamanten unter dem sibirischen Eis, die ausgebeutet werden mussten, mit dem Gas, das in Joint Ventures geteilt und im Westen verbraucht werden musste, mit den ölreichen Perimetern, die an sie verpachtet werden mussten, mit den weiten fruchtbaren Böden, die von ihnen intensiv ausgebeutet werden mussten, mit all den alten Fabriken und Anlagen, die rentabel gemacht werden mussten. Und nur der Westen konnte all dies tun! ... Sie hatten alles und alles wurde ihnen genommen. Wegen ... oder deswegen. Wie könnten sie ihn nicht hassen?!

Sie hatten sogar ihren Abenteurer, ihren perfekten Säufer, wie Basescu (ehem. rumänischer Präsident und aktuell EU-Abgeordneter), den unverantwortlichen Säufer, mit seiner Familie und seinem Gefolge, der bereit war, alles aufzugeben und zu verkaufen, um die ungezügelten Vorteile der Macht zu ge-nießen. Sie verfügten auch über die Parteien, die Opposition und die Macht, die bereit waren, den Staat in zwei Hälften zu zerreißen und ihn zugunsten derjenigen bloßzustellen, die sie besser finanzierten, und zwar auf beiden Seiten, um sich an der Ausübung der nominellen Führung des Staates zu laben. Sie verfügten auch über eine Zivilgesellschaft, die bereit war, die reale Gesellschaft mit neuen Konzep-ten und Paradigmen über die uneingeschränkte Ausübung begrenzter Freiheiten und die vorher fest-gelegte Vielfalt zu stören.

Der IWF war da und bot seine Hilfe an” Hilfe nach Hilfe, auf die Bedingungen nach anderen Be-dingungen folgten, vor anderen Bedingungen, wobei er profitabel machen”, sprich zerstören”, und effizient machen”, sprich für fast nichts verkaufen” würde. Clinton war dort und versprach ihnen, wie auch den Rumänen: „Stay the course, stay the course, the future is yours!” — „Bleibt auf Kurs, bleibt auf Kurs, die Zukunft gehört euch”.

Alles lief so gut, wie es nur laufen konnte!

Aber dann erschien er und der KGB kam hinter der Bühne zurück. Die KGB-ler schaltete sich ein. Mit ihren „unorthodoxen” Methoden. Sie kannten das Spiel, sie wussten, was auf sie zukam. Und das konnten sie nicht zulassen. Sie sagten: „Niet! So funktioniert das nicht mit Russland!” Sie erpressten und eliminierten Jelzin. „Hässlich, sehr hässlich", antwortete der Westen, der nicht wusste, was er sonst tun sollte. Sie haben die Zügel in die Hand genommen. Sie entfernten die Oligarchen, die (wie zur gleichen Zeit in Rumänien) versuchten, sich der Macht anzunähern, und sagten, dass politische Macht, die für den Staat und das Volk arbeitet, wirtschaftliche Macht schafft und nicht andersherum.

Putin kam und sagte, Russland sei kein Opfer, sondern eine Großmacht. Es ist nicht käuflich, aber es kann ehrlich zusammengearbeitet werden. Er hat vorausgesehen, was passieren würde. Die KGB-ler kannten die Westler zu gut, sie glaubten nicht an ihre „Freundschaft”. Und sie sagten: „Niet! Dies ist nicht Rumänien, nicht Albanien, nicht Chile, nicht Argentinien, nicht Thailand, nicht Angola und nicht Elfenbeinküste. Sie werden hier nicht dasselbe Vergnügen haben!”

Und der KGB hat die Russen schnell mit der entsprechenden „Mentalität” ausgestattet. Zur gleichen Zeit war in Rumänien derselbe Ausdruck in aller Munde: die „Mentalität”, die „geändert” werden müsse. Sie mussten sich mit Selbstkritik beschäftigen und sich für den Kommunismus entschuldigen, während sie erneut ausgeplündert wurden, mehr als während der Nazi-Invasion. 

Putin sagte ihnen, dass sie stolz auf ihre Arbeit sein sollten und dass sie den Großen Vaterländischen Krieg gewonnen hätten. Putin kam und sagte ihnen, dass sie sich mit der Geschichte versöhnen sollten, um die Rote Armee und die Opfer ihrer Großväter zu ehren. Er organisierte wieder große Paraden...

Er hat alles ruiniert. Großer Stil! Ein grandioser Plan, der die Wall Street, die Londoner City und die New Yorker Börse glücklich gemacht hätte ... Wie könnten sie ihn nicht verachten?!

Die Russen, die russischen Vasallen, abgehärtet, sollten auf den Baustellen von London, Paris, Mün-chen arbeiten, als Träger in den Häfen fungieren, ihre niederen Arbeiten verrichten, wie die Rumänen, Ukrainer, Polen, Slowaken, während ihr Land ein riesiger Absatzmarkt für westliche Fertigprodukte und ein Exportmarkt für billige Arbeitskräfte gewesen wäre. Stattdessen sind die meisten von ihnen zu Hause geblieben, und einige geben Millionen in ihren Urlaubsorten aus ... Wie können sie das nicht hassen?!

Die russischen Mädchen müssten sich in Amsterdam und Hamburg prostituieren, um als lebendes Fleisch für NATO-Soldaten im Kosovo, in Polen oder Rumänien zu dienen, ebenso wie Rumänen, Ukrainerinnen und Albanerinnen. Um alten Männern den Hintern abzuwischen. Stattdessen blieben sie zu Hause und sind Ehefrauen und Mütter, die zu einer der höchsten Geburtenraten in Europa beitragen, während ihr Westen ausstirbt ... Wie können sie das nicht verachten?!

Russland sollte entvölkert, bankrott, geteilt, unter der ständigen Bedrohung der Abspaltung von Min-derheiten, unter dem Reich des politischen und ideologischen Chaos, unter der immer nur vorüber-gehenden Herrschaft einiger Opportunisten und dann wieder anderer sein. Und in der Zwischenzeit streiten die Russen darüber, welcher Weg der richtige ist ... der Weg der Katastrophe: Liberalismus oder Sozialdemokratie. Putin kam ohne Ideologie, mit der Partei „Einiges Russland” ... Wie könnten sie ihn nicht hassen?!

Sie hätten „extra” die Westler anrufen müssen, um ihre Probleme zu lösen: Was ist besser, alles zu zerstören und dann mit „strategischen Investoren” wieder aufzubauen oder einfach alles zu zerstören und um Hilfe zu bitten? Der Westen würde helfen, er ist in dieser Hinsicht sehr wohltätig: wenn er weiß, dass er alles wegnehmen kann. Sie haben es in Hunderten von Jahren des Kolonialismus be-wiesen! Sie mussten von ihnen neu lernen, wie man fast alles macht und vor allem, wie man fast alles denkt.

...Aber Putin und der KGB kamen und ruinierten alles ...Wie könnten sie ihn nicht hassen?! Sie haben Milliarden und Abermilliarden verloren, die sie aus einem Russland herausgesaugt hätten, das auf der Suche nach Ruhe und Frieden und dem Weg dazu war und sich treiben ließ. Genau wie wir heute....Wie können sie ihn nicht verachten?

(Betrachtung aus rumänischer Sicht)...Aber warum hassen wir Russland? Aus historischen Gründen? Aber wir haben uns so gut mit der Geschichte abgefunden als wir den Verrat des Westens vergaßen, der uns so zynisch wie Churchill den Kommunisten überließ. Warum sollten wir diskriminieren? Hat uns der Westen nicht gelehrt, nicht zu diskriminieren? 

Wir haben das so gut angenommen, dass wir vergessen, dass das Paradies, das durch die berühmte „Ankunft der Amerikaner” versprochen wurde, immer noch mehr als 30 Jahre überfällig ist, während sogar das Land unter unseren Füßen nicht mehr das unsere ist und die Politiker die gehorsamen Skla-ven des Westens sind. Warum sollten wir nicht auch den Russen verzeihen! Wir leben in der Gegen-wart, und wir sollten die Geschichte nicht vergessen und verstehen, aber wir sollten die Gegenwart verstehen, um zu verstehen, was mit uns geschieht ... und mit den Russen!
 
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P.S.: Wenn man nach diesem Artikel noch jenen liest (den ich schon früher geschrieben habe), dann kann jeder verstehen, was in der Ukraine gerade abläuft. So man einen Menschen vor sich hat, der die NATO-Gedanken aufgenommen hat, aber trotzdem noch für ein paar Cent Verstand im Kopf hat, könnte das, wenn er das liest, bewirken, dass er die Welt mit anderen Augen sieht, sofern er nicht total von der Propaganda verblödet wurde.
 
(Fortsetzung folgt)
 

5 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Ja Potztausend!
Ein Staatenlenker, der sich so heldenhaft in den monsunartigen Regen stelt, muss ein Pfundskerl sein! Ein echter Leader, dem kann man sich und sein Land anvertrauen.

Franz Lechner hat gesagt…

Der Anonymus Potztausend vertraut halt lieber Nehammer oder Bello oder Biden oder was weiß ich. Es erweckt den Eindruck, dass er das Gemeinte nicht eigentlich verstanden hat, so bezugslos wie einfältig er "argumentiert". Na ja, fällt halt unter "Mitteilungsbedürfnis." Dieser Blog ist sowieso hochzuloben, aber ganz besonders wegen Artikeln wie diesem.
Nur eine klitzekleine Kleinigkeit gilt es zu bedenken: der (rum.) Autor verwechselt in einem fort die Sowjetunion mit Russland. Das ist unzulässig, Russland war so viel oder so wenig Opfer der SU wie Rumänien.

Anonym hat gesagt…

Nicht bloß Putin hat - im krassen Unterschied zu der puderrosa Regierungpudeln des regelbasierten wertewestens - Schneid, sondern auch der amtierende Verteidigungsminister der Russischen Föderation, der auf dem Photo salutierend im Hintergrund und auch im Platzregen steht (man stelle sich spaßeshalber die häßliche alte Verteidigungsvettel der brd in einer solchen Situation vor - ja, eben).

Chronist hat gesagt…

Russland als Opfer der SU - da lacht sich im Kreml einer aber kaputt. Sieht er die ruhmreiche SU mit ihrer noch ruhmreicheren „roten Armee“ doch als Opfer des teuflischen Westens und bejammert ihr Verschwinden gerne als größte Katastrophe des 20. Jahrhunderts. Von seiner immer unverhohleneren Bewunderung des ruhmreichen Stalin ganz zu schweigen. So viel Wodka kann er gar nicht saufen, um auf die Idee zu kommen, Russland sei ein Opfer der SU.

Franz Lechner hat gesagt…

Was ist das für eine groteske "Argumentation", die noch dazu einräumt, dass R und die SU zwei Dinge sind?