Dienstag, 10. Dezember 2019

Team Strache? — 1. Straches Irrtum


Den Lesern dieses Blogs wird es wohl aufgefallen sein: derzeit komme ich kaum dazu, längere Artikel zu verfassen — der Streß des nahenden Jahresendes, vor dem meine Klienten noch unbedingt ein paar Projekte fertighaben wollen, fordert seinen Tribut! Und da ich diesen Blog aus eigenem Vergnügen in meiner Freizeit schreibe (im Gegensatz zur Journaille, die sich für ihre Artikel bezahlen läßt — à propos: hat sich Strache für seinen Sager: »Die Journalisten sind die ärgsten Huren!« schon bei den ... Huren entschuldigt?) muß mit weniger Freizeit halt auch der Umfang meiner Bloggereien weniger werden (weniger zu schlafen funktioniert nur kurze Zeit). Deshalb kommen meine Überlegungen zu der offenbar geplanten Parteigründung durch H.C. Strache in mehreren Teilen. Doch besser verteilt, als nie.

1. Straches Irrtum

Strache plant also, wie's scheint, ein »Team Strache«, mit dem er bei der nächsten Landtagswahl in Wien antreten will. Lt. »oe24.at« ist
Dreh- und Angelpunkt dafür [...] der Wiener Abgeordnete und Strache-Freund Karl Baron, der auch Präsident der Freiheitlichen Wirtschaft ist. Aufgrund seiner Loyalität zu Strache – und nicht zu Neo-Parteichef Dominik Nepp – stellt er in der Wirtschaftsver-tretung am Montag die Vertrauensfrage. Das bestätigte Baron gegenüber ÖSTERREICH.
Neuer Strache-Klub 
mit drei Mitgliedern
Später am Tag trifft er außerdem etliche Parteigranden zu einer Sitzung der soge-nannten „Stammmitglieder“, in der es um seine Zukunft in der FPÖ geht.
 
Sollte Baron der Vorsitz in der Freiheitlichen Wirtschaft genommen werden, könnte er sein Mandat zurücklegen. Die Folge: Niemand anderer als Strache würde nachrücken, weil er 2015 in Barons Bezirk Donaustadt kandidierte und nachrücken würde. Findet Strache zwei weitere Überläufer, kann er einen neuen Klub im Wiener Landtag gründen. Im Gespräch sind Strache-Vertrauter Didi Kops sowie Barons Vertreter in der Frei-heitlichen Wirtschaft, Klaus Handler.
Nun ist es ja psychologisch verständlich, daß ein mit einer üblen, kriminellen Machenschaft um sein Amt gebrachter Berufspolitiker mit allen Mitteln danach strebt, sich zu rehabilitieren. Nur: der alte Satz semper aliquid hæret hat seine Berechtigung, so ungerecht es auch ist. Und Straches Problem für jede weitere Tätigkeit in der Politik ist ja wahrscheinlich nicht, daß ihm strafrechtlich relevante Dinge nachgesagt werden, sondern schlicht — und wesentlich untilgbarer! — die Tatsache: mit seiner Aktion in Ibiza hat er sich blamiert und einfach lächerlich gemacht. Und das ist bei einem Politiker wohl das ärgste, was ihm passieren kann. Ein Politiker, der eine Lachnummer ist, kann das beste Programm und das makelloseste Leumundszeugnis haben — er wird von den Wählern einfach nicht ernstgenommen.

Dabei hatte es Strache unmittelbar nach der Sendung der Videoschnipsel vielleicht in der Hand, das Blatt zu wenden! Er hätte statt seines Rücktritts in die Offensive gehen können und mit kühlem Lächeln sagen können: »Damals wurde ich von den Initiatoren des Videos ohne mein Wissen unter Drogen gesetzt und kann mich daher an diese Ausschnitte der Unterhaltung nicht erinnern. Wenn ich damals etwas Gesetzwidriges getan haben sollte, ersuche ich die Staatsanwaltschaft, uns mitzuteilen, welche Tatbestände ich in einer Privatunterhaltung, die illegal aufgezeichnet wurde, denn angeblich verwirklicht haben soll; ich werde mich aber nicht durch solche Machinationen einschüchtern lassen, sondern vertraue der Justiz, daß sie die Hintermänner dieser kriminellen Aktion zur Verantwortung zieht.«

Es ist nicht gesagt, daß er mit so einer Kaltschnäuzigkeit erfolgreich geblieben wäre — aber er hat eben den anderen Weg gewählt: sich emotional betroffen zu entschuldigen und zurückzutreten. Und wenn er das gemacht hat (was ihn durchaus ehrt!), dann hätte er eben diesen Weg auch weitergehen müssen, und nicht später versuchen dürfen, corriger la fortune zu spielen.

Nochmals: Straches Problem ist, daß er durch seinen Auftritt in Ibiza zur Lachnummer wurde. Nehmen wir ein anderes Beispiel: stellen wir uns einfach vor, die SPÖ-Chefin hätte sich bei einer ihrer letzten NR-Wahlkampfreisen nach einem anstrengenden Tag alleine auf Tour im Hotelzimmer entschlossen, sich mit Benutzung eines Vibrators vor dem Schlafen etwas zu entspannen, und wäre dabei durch eine versteckte Kamera aufgenommen worden. Das zu veröffentlichen wäre wohl noch verwerflicher als das Ibiza-Schnipselvideo, und Rendis Verhalten wäre auch in vertracktester Theorie noch um Lichtjahre weniger strafverdächtiger als es das besoffene Herumprahlen mit kühnen Plänen im Fall Strache gewesen sein kann — aber Rendi wäre durch so eine Dildo-Szene dennoch ebenso um den Ruf gebracht wie z.B. ein unverheirateter Politiker, den Journalisten in der Tür eines Stricherlokals abgelichtet hätten. Ist ebenso nicht verboten, aber macht keine schlanken Fuß.

Daß Strache den Unterschied zwischen der vermutlichen strafrechtlichen Irrelevanz seiner damaligen großklotzigen Sprüche, und deren imageschädigender Wirkung nicht sieht (sehen will? sehen kann? — letztlich egal!), ist seine persönliche Tragödie. Daß er jetzt drauf und dran ist, zu der persönlichen Tragödien noch den tragischen Hauptdarsteller eines Götterdämmerungs-Dramas zu spielen, und die Partei, die er seinerzeit vor dem Untergang gerettet hat, in ebendiesen zu treiben (obwohl ihm das vermutlich nicht gelingen wird), ist allerdings etwas, was ganz Österreich etwas angeht.
Mehr dazu in Teil 2.


1 Kommentar:

Anonym hat gesagt…

Auch für Strache gilt nach der Ibiza-Geschichte: Si tacuisses, Philosophus mansisses.