Mittwoch, 27. Juni 2018

Melania und die Panzerfaust

von Fragolin

Manchmal gibt es Meldungen, da weiß man: Das musst du ganz schnell speichern, bevor der Artikel „aktualisiert“ wird. Passiert mir im „Standard“ häufiger, und ich habe da auch schon einiges an Veränderungen und Manipulationen erlebt.

Kleines Beispiel: Als vorgestern in Bregenz ein Irrer seine Frau mutmaßlich aus dem Fenster geschmissen und dann mit einer Schreckschusspistole eine ganze Hundertschaft Polizei beschäftigt hat, war mehrmals von „der Mann“ die Rede. In einem Kommentar postete der übliche ultralinke Bodensatz, der regelmäßig in diesem Forum ausflockt, es würde sich nach einer Meldung einer (nicht existenten) Internetplattform um einen rechten Staatsverweigerer handeln. Das Posting wurde sofort freigeschaltet und sorgte für die erwartbare Empörungskommentare gegen Rechte, die täglich in dieser Filterbubble gefüttert werden muss. Eine Recherche von nicht einmal einer Minute brachte zu Tage, dass diese Internetplattform nicht existiert und „oe24“ bereits von einem 30-jährigen Rumänen schrieb. Sämtliche Postings, in denen ich darauf hinwies, wurden nicht freigeschaltet und geschreddert. Die dreiste Lüge jedoch stand noch eine ganze Stunde lang dort, bis sie auf eine hintere Seite im Thread rutschte und keinen mehr interessierte – dann wurde sie gelöscht. Außer auf meiner Festplatte.

Doch zurück zum heutigen „Standard“. Da steht, ziemlich weit hinten in der Reihung, der Artikel (auf „Google News“ erscheint er gar nicht erst, obwohl er in mehreren Medien steht) über einen Sprengstoffanschlag auf eine niederländische Tageszeitung. Oder besser, ein Vorkommnis. Wenn einer einen Silvesterböller gegen eine Baustellenwand schmeißt, hinter der ein Flüchtlingsheim oder eine Moschee gebaut werden sollen, dann wäre es ein Sprengstoffanschlag. Aber so…

Das Fahrzeug fuhr gegen eine Glasfassade des "Telegraaf" und ging in Flammen auf. Der Lenker befindet sich auf der Flucht.“

So, nochmal, denn den muss man erst dekantieren, faktisch ausrauchen lassen, und ihn sich dann tröpfchenweise über die Zunge laufen lassen bis er einem einen geradezu orgiastischen Abgang beschert:

Das Fahrzeug fuhr gegen eine Glasfassade des "Telegraaf" und ging in Flammen auf.“

Also dann, erstes Schlückchen: „Das Fahrzeug...“. Da kommt so ein kleiner Lieferwagen einfach so mich-nix-dich-nix angerollt. Hat gerade nichts Besseres zu tun. Der Lenker, wie wir oben erfahren durften, ist wahrscheinlich zu diesem Zeitpunkt bereits auf der Flucht. Also ein Flüchtling. Wohin auch immer. Jedenfalls: „Das Fahrzeug fuhr...“ Nicht „ein Täter“ oder wie auch immer man den Menschen nennen will, fuhr mit dem Fahrzeug, sondern das Fahrzeug fuhr. Dem Foto nach zu urteilen eher keine solche Selbstfahrlafette von Tesla; also doch nur der übliche rabulistische Trick der Schmierfinken, wenn es danach riecht, dass bestimmte Angehörige einer bestimmten Bevölkerungsgruppe mit Religionshintergrund involviert sein könnten.

Nächstes Schlückchen: Das Fahrzeug, nun ist es einmal da, fuhr „gegen eine Glasfassade“. Ja, das tat es. Und zwar mehrmals, weil es selbige erst beim zweiten Mal durchbrach. Das hat die Qualität von „der Rammbock klopfte gegen die Eingangstür“. „Die Badehose sprang vom Turm mit einem doppelten Salto auf das Wasser.“ Man sieht das Bild einer zersplitterten Glasfront und eines explodierten Wagens, und liest dann, es fuhr „gegen eine Glasfassade“.
Liebe Standard-Wortakrobaten, den Unterschied zwischen „gegen“ und „durch“ möchte ich Flamenco tanzen können. Das muss ein recht unerfahrener junger Mann geschrieben haben, denn eine Frau kennt den Unterschied von dem Tag ihrer Defloration an.

Doch der dritte Schluck bringt erst das volle Aroma zum Blühen: „...ging in Flammen auf.“
Aha. Das Auto ging in Flammen auf. Einfach so. So wie es auch einfach gegen eine Glasfassade fuhr. Machen Autos einfach ab und zu, gehen in Flammen auf, erwärmen sich ein bisschen, kennen wir ja von Tesla. Die Tür fiel einfach so von allein aus dem Rahmen. Das Jungfernhäutchen zerriss von ganz allein, einfach so. Die WTC-Türme kippten plötzlich um. Die Titanic fuhr an einem Eisberg vorbei, dann ging sie unter. Die „Standard“-Schreiberlinge sollten Drehbücher schreiben.

Dass es ein Video gibt, auf dem man sehen kann, dass diesem „in Flammen aufgehen“ noch etwas vorangeht und auch etwas folgt, muss man als Qualitätsmedium jetzt nicht unbedingt erwähnen. Das Vorangehende ist ja nur das unwesentliche Detail, dass der Fahrer seelenruhig aussteigt, die Hecktür aufklappt und einen Brandsatz reinwirft, bevor er sich aus dem Staub macht. Sofort steht das Fahrzeug in Flammen, was darauf hindeutet, dass es mit Brandbeschleuniger präpariert war – und nicht nur das, denn kurz nach dieser spontanen Selbstentzündung kommt das Folgende und es explodiert ein Sprengsatz, der sich offenbar in diesem Wagen befand.
Kann man mit „ging in Flammen auf“ nur sehr mager beschreiben.
Über Hiroshima fiel „Big Ben“ aus dem Flugzeug, auf halbem Weg nach unten ging die Stadt kaputt.

Soviel Rabulistik muss man in einen einzigen Satz bekommen, alle Ehre!
Wenn ich das jetzt mit den Meldungen über brutale Brandanschläge vergleiche, wo Böller gegen leerstehende Asylunterkünfte geworfen wurden – naja, „Standard“ eben.

Aber gießen wir uns noch ein Gläschen ein, in dem Artikel gibt es noch etwas zu genießen:

Am vergangenen Donnerstag hatte ein Mann mit einer Panzerabwehrwaffe auf ein anderes Gebäude in Amsterdam gefeuert, in dem ebenfalls Medienunternehmen untergebracht sind.“

Ah.
Ja.
Hat das jeder hier mitbekommen? Es ist etwa eine Woche her, da hat in Amsterdam jemand mit einer Panzerfaust, wie man sie bekanntlich beim Müller in der Spielzeugabteilung kaufen kann und wie sie jeder Hobbybastler zuhause herumliegen hat, auf ein Redaktionsgebäude gefeuert.
Mit einer Panzerfaust.
In Amsterdam.
Irgend eine Schlagzeile? Irgend eine Meldung? Irgend ein Hinweis in unseren Medien?
Es ist nichts geschehen, gehen Sie weiter!

Na gut, das muss man auch verstehen. Letzte Woche gab es ja viel wichtigere, weltbewegende und die Schlagzeilen beherrschende Themen. Allen voran die Jacke von Melania Trump.
Wenn die eine Jacke trägt – wen interessieren dann Angriffe mit Kriegswaffen mitten in einer europäischen Hauptstadt?

Ja, diesen Artikel habe ich sofort gespeichert und gesichert; wer weiß, wann er „aktualisiert“ wird und diese kleine Info wieder verschwindet. Denn sie ist ein Beweis für die Größe der Lücken, die die Medienagenturen aufreißen, um den Pöbel nicht mit Informationen zu versorgen, die er nicht erfahren soll. Hätte ja – unabhängig, wer später wirklich als Täter identifiziert wird – irgend eine Stimmung drehen können, und wer will das schon?
Die Frage, wer und warum das verhindern will und wieso derjenige genug Hoheit über die Medien hat, um so etwas konzertiert durchzuziehen, bleibt.

1 Kommentar:

Rizzo Chuenringe hat gesagt…

Ein **-jähriger hat kürzlich in einer westeuropäischen Stadt seinem Unmut über lückenhafte Berichterstattung in manchen Medien Ausdruck verliehen, indem er mit einem militärischen Anklopfgerät heftig gegen ein zufälliges Gebäude hämmerte. Nach amtsärztlicher Feststellung kompletter Unzurechnungsfähigkeit wegen psychischer Überbeanspruchung wurde der **-jährige zum Freifuss erklärt und mit der üblichen Portion Schokopudding verabschiedet. Das zuständige Betreuerkollektiv versicherte: "Es hat ihm sehr gut geschmeckt und er hat sich sofort wieder völlig beruhigt. Wir brauchen jetzt dringend mehr Staatsknete für uns und Schokopudding für Freifüssige".