von Fragolin
Ach, was waren das für Zeiten, als die dralle Maid hinter der
Wursttheke erst mit einem leicht angegrindeten Fetzen die klebrigen
Krümel vom letzten Aufschnitt beiseitewischte und dann wollüstig am
Leberkäse herummatschte, den sie daumendick in die Kaisersemmel
stopfte. Wir mussten uns keine Sorgen machen, dass da irgendwas
unhygienisch wäre. Immerhin trug die Wurstfachverkäuferin dabei
Einweg-Fingerkondome, die wohl deshalb Einweg heißen, weil es es nur
einen Weg für sie gab: morgens an die Pratzen und abends in den
Müll.
Niemand konnte ja ahnen, dass daran irgend etwas unhygiensich sein
könnte. Immerhin ist das Tragen von Bakterienverhüterli der
ultimative Schutz.
Dass er zwar die Hand der messerschwingenden Leberkäsemaid vor den
Bakterien im Rest der Welt schützt, aber den Rest der Welt nicht,
kratzt diesen Rest nicht. Erst als die obrigkeitliche Weisung erging,
itzt und folglich das Tragen gummierten Hautschutzes während der
Zubereitung der Wurstsemmel für den hungrigen Installateurslehrling
und kalorienbedürftigen Bauarbeiter zu unterlassen, fielen die
Hygienegläubigen aus allen Desinfektionswolken. Denn jetzt, so ganz
ohne vulkanisierte Finger, können Bakterien, die – so der feste
Glaube der Priesterinnen des Gottes Domestos – ansonsten teflonesk
von der Hand abperlen, ungehindert den Weg vom Putzfetzen zur
Leberkässemmel finden. Und das wäre der Super-Gau!
Und so reicht diese
Meldung aus, dass vorzugsweise weibliche Leserinnen in
Schockstarre verfallen.
„...für
mich hat sich die Feinkosttheke auf jedenfall erledigt!“
...toben die Schneeflöckchen sofort los.
„Im Pfegebereich auch bald oder wie?“
Man muss ja nicht mit Logik und Vernunft darüber nachdenken, um was
es überhaupt geht und dass Äpfel nicht viel mit Birnen zu tun
haben. Mimimi und kotz, fertig.
Bei manchen Leuten denkt man sich, die haben solche Angst vor
Einzellern, weil sie sonst mehr Hirnmasse auf den dreckigen Fingern
haben als zwischen den Ohren.
„Ja,Richtige
Hygiene ist leider vielen fremd.“
Richtig. Nämlich all denen, die glauben, Gummihandschuhe wären
Hygiene. Frisch gewaschene Hände sind zwar weit hygienischer als
durchgeschwitzte eintalkumierte Präservative für das Greiforgan,
aber mach das mal Hysterikern verständlich.
„....kaufe
nichts mehr ohne das Handschuhe getragen werden!“
Auch
keine Baumarktartikel? Und wie schaut‘s im Gasthaus aus?
„Da
in der Tierhaltung der Einsatz von Antibiotika weit verbreitet ist,
bekommen die Feinkost-Mitarbeiter zukünftig direkt in Kontakt mit
den multiresistenten Keimen.“
Nein,
das kann ich nicht mehr kommentieren. Das muss für sich selbst
sprechen.
„...na
viel Vergnügen in Schnupfen/Grippezeiten, da kaufe ich dann nur
Verpacktes“
Genau.
Das ist nämlich ganz von selbst in die Verpackung gelaufen. Das
Unberührte Abendmahl aus der weichmacherdurchseuchten
Kunststoff-Schutzverpackung. Der lebende Zellhaufen Mensch, in dessen
Verdauungstrakt von der Zahnlücke bis zur Rosette zehnmal so viele
Bakterien wohnen wie sein eigener Körper Zellen hat, muss sich vor
ein paar weiteren Keimen, die in seiner Magensäure zersprudelt
werden, dringend schützen und dafür eben in Kauf nehmen, organische
Kunststoffe mitzufressen, die körpereigenen Enzymen und Botenstoffen
chemisch entsprechen und auch unverdaut aufgenommen werden und
irreversiblen Schaden im Körper bis zum Erbgut anrichten können.
„In
Zukunft kaufe ich nur noch abgepacktes, denn da sind die
Hygienevorschriften noch so wie sie sein sollen.“
Wer
noch nie in einem Produktionsbetrieb der Lebensmittelindustrie
(allein der Name sagt alles) war, dem möge der Glaube nie abhanden
kommen. Nur Wissen kann den Glauben nachhaltig zerstören. Die
Vorschriften mögen so sein, wie sie sollen, das hindert aber keinen
daran, sich einen Dreck darum zu scheren.
„Ich
werde Lactoveganer, wenn sich das durchsetzt.“
Gut,
bleibt mir mehr.
„Bei
der Prostatauntersuchung auch keine Handschuhe mehr.“
Also
jetzt bin ich erstaunt. Ich dachte immer, sowas wird im Spital
erledigt, aber die Fleisch- und Wursttheke? Obwohl, so ganz unlogisch
ist das nicht. Muss ich die stramme Matrone in unserem Spar-Markt
gleich morgen mal fragen. Aber ich warte wohl besser, bis sie das
Messer beiseite gelegt hat.
„Na
dann bis Mai alles einkaufen was es nur gibt.“
Richtig.
Im Mai kauft man die Wurstsemmel für den August. Wenn sie dann schön
grün und pelzig ist, ist sie garantiert hygienisch gereift.
Es ist ja so schrecklich, dass die neue türkisfaschistische
Regierung des Grauens den unbedarften Pöbel den Keimen zum Fraße
vorwirft!
Abgesehen davon, dass, wer schon einmal auf einem orientalischen,
südamerikanischen oder ostasiatischen Straßenmarkt war, das Thema
Hygiene generell aus einem ganz anderen Blickwinkel betrachtet, finde
ich es immer wieder unterhaltsam, wie Leute, auf deren Lenkrad mehr
Keime wohnen als unter der Klobrille (weil diese weit häufiger
geputzt wird) bedenkenlos den ebenso grindigen Griff ihres
Einkaufswagens angreifen und mit diesen Dreckpratzen dann auch die
Semmel auspacken, die sie unterwegs in sich hineinstopfen, mit allem,
was auf ihren Fingern so leibt und lebt, sich aber aufregen, wenn die
Wurstsemmelbelegerin keine Gummischicht auf der Hand trägt. Nicht
ahnend oder besser wissen wollend, dass in dem körperwarmen
Feuchtraumbiotop zwischen Gummimatte und fettcremeverschmierter Haut
die Bakterien sich explosiv vermehren und Pilze wachsen und gedeihen,
deren Namen nicht nach einem Waldspaziergang und einer duftenden
Schwammerlpfanne klingen und die die holde Maid der knackigen Jause
regelmäßig zum Hautarzt treiben zwecks Heilung der aufgedunsenen
rissigen Ackerfurche für Keime.
Ich halte mich einfach (mal wieder) an meine großartige selige
Großmutter, die dem ganzen Quatsch wohl mit einer ihrer kernigen
Weisheiten begegnet wäre: „Dreck reinigt den Magen!“
Und macht gesund, wie wir wissen. Der Weg vom Dreck über das
Desinfektionsmittel führte geradewegs in die Allergie gegen Alles
und Jedes.
Wer den orientalischen Markt überlebt hat, den kann auch keine
Fleischtheke bei Rewe mehr schocken.
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