Dienstag, 20. März 2018

Freund und Feind

von Fragolin

Bei der Berichterstattung über die russischen Präsidentenwahlen konnte man es wieder sehen. Nein, nicht die Wertung des Ergebnisses; das war nicht wirklich verwunderlich, denn auch wenn der Westen krampfhaft versucht, es so darzustellen, als würde eigentlich niemand Putin wählen, hat er einen starken Rückhalt bei den Russen selbst. Und die Alternativen, seien wir mal ehrlich, waren jetzt auch nicht wirklich überzeugend. Ein kommunistischer Nationalist, ein rechter Ultranationalist und, von Putin rechtzeitig kalt gestellt, ein nationalistischer Oligarch. Wenn der Westen jetzt so tut, als hätten die Russen achsogern einen Neuaufguss der wodkaschwangeren CIA-Marionette Jelzin, dann ist das lächerlich. Aber geschenkt. Ich will mal auf etwas Anderes hinaus, nämlich die medialen Codes.
Woran erkennt man, ob die Medien, natürlich ganz frei und unabhängig und aus tiefster Überzeugung, über einen Freund oder einen Feind derjenigen Politiker berichten, die über Presseförderung und Redaktionsverbleib entscheiden?

Freund:
XY wurde mit großer Mehrheit (wieder)gewählt.
Feind:
XY ließ sich wiederwählen.

Freund:
Vor der Wahlzentrale wurde der Sieger mit einer rauschenden Party gefeiert.
Feind:
Nach der Wahl ließ sich XY mit martialischen Beats von seinen Anhängern feiern.

Freund:
Die Wahlbeteiligung war hoch.
Feind:
Die Wähler wurden mit martialischen Methoden an die Wahlurnen gedrängt.

Man merkt es.
Unsere Freunde sind passiv, sie müssen sich nur lächelnd neben ihr Straßenplakat stellen und schon werden sie von einer Welle der Begeisterung ins Amt gespült.
Unsere Feinde beherrschen ihr Volk, sie sind aktiv, sie lassen sich wählen, sie lassen sich feiern, sie zwingen geradezu ihre schwachen Völker, sie zu wählen.
Unsere Freunde stehen an der Spitze starker Gesellschaften, unsere Feinde treiben eine willenlose Hammelherde vor sich her. Die Umdeutung vom einen zum anderen war ja nach dem Unfall mit Trump besonders anschaulich.

Ein paar konkrete Beispiele habe ich noch aus meiner Lieblingsmanipulationspostille, dem „Standard“.

Putin sichert sich vierte Amtszeit als russischer Präsident“

Putin sichert sich. Nicht die Russen wählen ihn, sondern er sichert sich die Amtszeit. Aktiv.

Mehrere tausend Anhänger ließen sich vor den Mauern des Kreml von militärisch-patriotischen Liedern beschallen.“

Seine Anhänger sind passiv, sie feiern nicht, sie lassen sich beschallen.

Besonders lustig wird es ja, wenn über den schweren Druck berichtet wird, mit dem der toiflische Putin die Russen zu seiner Wahl geknebelt hat:

Vor der Puschkin-Schule, einem weiteren Wahllokal nahe der Jelochow-Kathedrale, sind mehrere Kioske aufgebaut, wo die Wähler nach getaner Arbeit relativ preiswert Wurst, Fisch und Kaviar kaufen können. Die Schlange drinnen zeigte an, dass das Konzept funktioniert.“

Ursache und Wirkung? Hat Putin das Aufstellen der Kioske angeordnet oder ist es vielmehr so, dass die Russen eine freie Marktwirtschaft haben, in der sich Budenbesitzer dort, wo es nach gutem Geschäft riecht, einfach ein paar Extrarubel verdienen?
Keiner würde auf die Idee kommen zu behaupten, dass die Züge auf den Hauptbahnhöfen deshalb anhalten, weil dort alte Frauen am Bahnsteig billige Piroggen und Fladen verkaufen. Das riecht drei Werst gegen den Wind nach einem mühsam herbeikonstruierten Märchen.

Auch weniger elegante Methoden kamen zum Einsatz, um die Wahlbeteiligung in die Höhe zu treiben: Mitarbeiter der städtischen Büros gingen in den letzten Wochen von Tür zu Tür, um die Bürger zur Teilnahme zu bewegen...“

Ach. Hatten die auch eine Pizza mit?
Was ist „wenig elegant“ daran, wenn Wahlhelfer von Tür zu Tür gehen und für eine Wahl werben? Ich habe schon mehrere SPÖ-Kugelschreiber, auch noch ein altes Feuerzeug von der ÖVP (reicht bei einem Nichtraucher sehr lange), der Rest ist inzwischen im Mülleimer gestorben oder aufgegessen. Wenn ich damals geahnt hätte, dass das wenig elegant war, hätte ich die von der Haustür verjagt.
Naja, wenigstens habe ich die nicht gewählt. Zählt das?

...Beamte und Angestellte des öffentlichen Dienstes wurden vielfach regelrecht gedrängt, am Arbeitsplatz abzustimmen. So ist die Kontrolle höher, ob die Betreffenden tatsächlich wählen gehen.“

Kenne ich. Aus dem bfi, mit dem ich eine Weile zu tun hatte und von dessen Leuten ich im lockeren Pausengespräch Insidergeschichten erfahren konnte. Und die auch erzählten, wie es in einigen obersteirischen Stadtämtern und Bezirkshauptmannschaften früher zuging. Das soll sich inzwischen gebessert haben. Aber ich habe auch nicht mehr diese Verbindungen. Der „Standard“ sicher schon.

Unter dem Stirch bleibt eine lächerliche Berichterstattung weit jenseits der immer wieder auf die eigene Brust getrommelten Behauptung der Objektivität. Journalisten sind heute entweder nicht mehr in der Lage zu neutralem Faktenbericht oder sie sind angehalten, eine Agenda zu verfolgen.
Wer zweiteres vermutet ist natürlich ein ultrarechter Verschwörungstheoretiker, also gehe ich mal politisch korrekt davon aus, dass die alle zu doof sind.
Dafür machen sie das aber ganz gut mit der Manipulation.

1 Kommentar:

Anonym hat gesagt…

Dazu passt sehr gut die folgende Boshaftigkeit von Michael Klonovsky, Acta Diurna, 19.03.:

>> Anfrage an Radio Jerewan: "Ist es wahr, dass in Moskau eine Demonstration von Putin-Gegnern durch staatlich geförderte gewaltbereite Blockierer verhindert wurde und die Polizei zusah? Und stimmt es, dass in Chabarowsk der Bürgermeister erklärt hat, es sei 'völlig klar, dass alle im Föderationskreis zusammenstehen', wenn regierungskritische Demonstranten die Stadt für ihre Propaganda missbrauchten?"

Antwort: "Im Prinzip ja, nur handelt es sich bei den Städten nicht um Moskau und Chabarowsk, sondern um Berlin und Kandel, und bei den Demonstranten nicht um Gegner von Herrn Putin, sondern von Frau Merkel." <<

FritzLiberal