Donnerstag, 20. Juli 2017

Parallelen

von Fragolin

Wann beginnt der Irrsinn? Bei einer Geldstrafe? Bei Bastonade, bei Kerker oder bei Strick?
In Pakistan kann man sich gerade live anschauen, wie das aussieht, wenn man das, was es auch bei uns gibt, ins Maßlose übertreibt. Während man bei uns „nur“ für ein halbes Jahr in den Knast kommen kann, nebst finanziellem Ausbluten und Vernichtung der persönlichen Karriere, wenn man „Blasphemie“ betreibt (das hatte ich ja gerade hier), bekommt man in Pakistan schon mal die Todesstrafe dafür.

Die Regierung zielt offenbar darauf ab, die Redefreiheit im Internet massiv einzuschränken.“

Ach nee, kommt uns das bekannt vor? Zumindest kann da jeder in der angeblich „freien“ westlichen Welt einmal sehen, im Kreise welcher Ideologien wir uns inzwischen bewegen. Ob man jemanden jetzt „nur“ in den Kerker steckt und ruiniert oder doch gleich zu Tode peitscht sind im Prinzip nur noch die verschiedenen Nuancen der gleichen Schweinerei: Menschen erdreisten sich, im Namen eines Gottes Menschen zu verurteilen. Wenn dieser Gott etwas dagegen hat, geschmäht zu werden, soll er gefälligst selbst als Kläger vor Gericht erscheinen, aber solange es ihm offensichtlich scheißegal ist, ist es einer Zivilisation und vor Allem eines angeblich säkularen demokratischen Rechtsstaates unwürdig, sein beklopptes Bodenpersonal gegen andere Menschen wüten zu lassen oder denen in die Hände zu spielen.

Wenn es meine Überzeugung ist (Man erinnere sich, die freie Überzeugung eines Menschen gehört laut Artikel 18 der Menschenrechtsdeklaration zu den unveräußerlichen Grundrechten jedes Menschen.), dass es keinen Gott gibt oder der Gott einer beliebigen Religion ein Götze ist, dann ist das so und hat gefälligst von allen, auch den Anbetern dieses Götzen, akzeptiert zu werden. Jeder Staat, der wie Österreich die Menschenrechtsdeklaration zu Verfassungsrecht erklärt hat, der es wagt, trotzdem ein Blasphemiegesetz zu beschließen und zu exekutieren, egal in welchem Umfang und egal mit welchen Folgen für den Einzelnen, handelt damit verfassungswidrig!

Jedem muss klar sein, welche geistige Verwandtschaft hier besteht. Wer ein Blasphemieurteil in Österreich hinnimmt, der hat den Spruch „Wehret den Anfängen!“ nicht verstanden. Denn heute ist es ein halbes Jahr Knast oder eine jeden finanziell ruinierende Geldstrafe von einem kompletten Jahressatz, und morgen? Zwei Jahre? Bastonade? Auspeitschen? Steinigung? Das geltende und gelebte Recht ist schon da, man muss nur noch kleine Anpassungen im Strafmaß vornehmen, und schon haben wir Pakistan. Oder Iran. Oder Saudi-Arabien. Und bald auch wieder Osmanien.
Wollen wir das? Wenn nein, wieso akzeptieren wir dann den §188 StGB?

"Niemand sollte verurteilt werden, wenn er im Internet friedlich seinem Recht der freien Meinungsäußerung, der Gedanken- , Religions- und Glaubensfreiheit nachgeht."

Ach. Wirklich? Müssen die Pakistaner erst einen hinrichten, dass das jemandem auffällt? So nach dem Motto: Solange die Unterdrückung der Meinungsfreiheit „nur“ durch virtuelle Bücherverbrennung, soziale Ächtung, polizeiliche oder auch antifantische Hausbesuche und gelegentliche Haftstrafen durchgesetzt wird, ist eh alles OK?
Nein, es ist die Meinungsfreiheit, die unterdrückt wird, und es ist vollkommen egal wo (ob im Internet oder in Büchern oder Zeitungen), wie (ob mit „kleinen“ oder „großen“ Strafen), durch wen und mit welcher Ausrede – der Ungeist ist immer der gleiche.
Es gibt mehr Parallelen zwischen Paktistan und Europa, als das Strafmaß allein an Unterschied schaffen kann.

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