Mittwoch, 11. Dezember 2013

Jede große Reise beginnt mit dem ersten Schritt

... sagt das Sprichwort, und wenn es bloß ein zaghafter Schritt in die richtige Richtung wäre! Wie z.B. in Uruguay:
Erstes Land der Welt: Uruguay erlaubt Marihuana-Handel

Der Staatschef erhofft sich eine effizientere Bekämpfung der Drogenkartelle. Privatpersonen dürfen bis zu sechs Cannabis-Pflanzen züchten.

Als erstes Land der Welt legalisiert Uruguay den Anbau und Verkauf von Cannabis. Nach dem Unterhaus verabschiedete am Dienstagabend (Ortszeit) auch der Senat ein entsprechendes Gesetz. Registrierte Konsumenten über 18 Jahren dürfen danach künftig pro Kopf bis zu sechs Cannabis-Pflanzen zum Eigenverbrauch anbauen oder bis zu 40 Gramm Marihuana pro Monat in lizenzierten Apotheken kaufen. Zudem werden Marihuana-Clubs mit 15 bis 45 Mitgliedern erlaubt. Diese dürfen bis zu 99 Pflanzen pflegen. Der Start des legalen Verkaufs wird für Mitte 2014 erwartet.

Staatschef Jose Mujica erhofft sich dadurch eine effizientere Bekämpfung der Drogenkartelle. Mujica räumte am Dienstag ein, es gebe viele Zweifel an der Cannabis-Legalisierung. Im Kampf gegen den Drogenkonsum müssten jedoch "neue Wege" beschritten werden. Der von Mujicas Mitte-Links-Bündnis Frente Amplio dominierte Senat stimmte nach zwölfstündigen Debatten schließlich mit einer knappen Mehrheit von 16 zu 13 Stimmen für das Gesetz. "Der Krieg gegen die Drogen ist fehlgeschlagen", sagte der Senator Roberto Conde und bezeichnete das Legalisierungsgesetz als "unvermeidbare Antwort" auf dieses Versagen. Hunderte Cannabis-Fans feierten indes das Abstimmungsergebnis mit einem Feuerwerk.

Kritik: "Experiment mit den Bürgern"

Alfredo Solari von der oppositionellen Colorado-Partei kritisierte, durch die Legalisierung gerieten die Risiken des Cannabis-Konsums aus dem Blickfeld, vor allem Kinder und Jugendliche seien gefährdet. Er warf der Regierung vor, mit den Bürgern des Landes ein Experiment zu veranstalten. Präsident Mujica hatte das Legalisierungsgesetz in der Vergangenheit als Experiment bezeichnet.
(Hier weiterlesen)
Nun, zu diesem »Presse«-Artikel ganz spontan ein paar Zeilen aus meiner Sicht ... ich unterdrücke die off topic mir auf der Zunge liegenden, spitzen Bemerkungen über die orientalische*) Regierung und ihren Chef Jose Mujica (nicht mit Migrations-, dafür mit Terrorhintergrund):

1. wenn etwas zu kritisieren ist, dann die etatistische Halbherzigkeit und Bevormundungsmentalität, mit der vorgegangen wird. Es hat »den Staat« einfach einen Dreck zu interessieren, ob Volljährige eine oder sechs — oder eben 50 oder 683 Cannabis-Pflanzen züchten. Und es hat ihm auch egal zu sein, ob das für den Eigenbedarf geschieht, oder mit Verkaufsabsicht. Auch Winzer »züchten« schließlich Weinstöcke mit der Absicht, deren Produkte zu verkaufen. an Minderjährige und nicht Geschäftsfähige (was u.U. auch Süchtige einschließen kann!) mag der Verkauf unzulässig sein, von mir aus — aber an Volljährige?

2. Was soll, bitteschön, der Unsinn mit den »Marihuana-Clubs« und »bis zu 99 Pflanzen«? Nenas 99 Luftballons standen da Pate, oder was ...?

3. Noch größerer Unsinn ist die Äußerung von Alfredo Solari »durch die Legalisierung gerieten die Risiken des Cannabis-Konsums aus dem Blickfeld, vor allem Kinder und Jugendliche seien gefährdet«. Denn der Verkauf (wie überhaupt der Verkauf) an Minderjährige ist ja weiterhin illegal, und nur über 18-jährige dürfen züchten. also wird höchstens ein illegales Verhalten (nämlich die illegale Zucht) durch ein anderes, ebenso illegalen (nämlich den illegalen Verkauf) ersetzt. So what?!

4. Im ganzen 19. Jahrhundert gab es die heute fast weltweit üblichen Suchgiftbestimmungen nicht (die wurden bspw. in Deutschland erst durch das »Opiumgesetz« ab 1.1.1930 eingeführt) — und ich habe nie gelesen, daß davor die Menschen in Deutschland in dauerbekifftem Delirium auf den Straßen rumlagen. Wohl aber, daß nach Einführung dieser Bestimmungen auf einmal die organisierte Kriminalität aufzublühen begann (wie bei jeder Prohibition).

5. Ja, es kamen und kommen gelegentlich Exzesse vor. Na, und? Kommen die etwa beim Schnaps- und Weinsaufen, beim Hamburger- und Schnitzelfressen, beim kondomlosen Rudelbumsen, beim Windsurfen und Skifahren und vielem, vielem anderen nicht vor? Und sind diese Exzesse — wenigstens solange sie bloß den erwachsenen (und nicht entmündigten) Betroffenen schädigen — nicht einfach der Ausfluß der selbstverständlichen, privatautonomen Willensfreiheit?

6. Jeder Menschen hat die Freiheit, sich mit den Mitteln seiner Wahl aus dem Leben zu befördern — unter der einzigen Bedingung: er darf durch die Umsetzung dieses Tuns keinen anderen an Leib, Leben oder Gesundheit nennenswert schädigen. Wer sich eine Kugel durch den Kopf jagt, soll sehen, ob neben ihm einer steht, den er dadurch verletzen könnte. Wer säuft oder kifft, darf nicht autofahren. Wer die Piste runterbrettert, was das Zeug hält, muß halt aufpassen, wohin er fährt  — und nicht Jagd auf stemmbogenfahrende Opas und Volksschulkinder machen.

7. Aber sonst? Jeder Mensch hat als Geburtsrecht die licence to kill himself — über deren Gebrauch oder Mißbrauch er sich vor Gott, und keinem anderen zu verantworten hat. So viel Freiheit muß sein.

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*) Die Bewohner Uruguays, also der (amtl.) »República Oriental del Uruguay« bezeichnen sich nicht als »Uruguayer«, »Uruguayaner« etc., sondern als »Orientales« — so auch in ihrer endlos langen, an Donizetti/Verdi-Tschinbum-Musik gemahnenden Staatshymne (»Orientales, La Patria O La Tumba!«, also: »Orientalen, Das Vaterland oder das Grab!«), die wegen ihrer oper(ette)n-arienhaften Kuriosität allein schon hörenswert ist ...

1 Kommentar:

FDominicus hat gesagt…

Hier bin ich mit Ihnen völlig einer Meinung. Das ist eine gute Entscheidung und die sollten wir hier durchaus nachahmen.

Es braucht aber keine "besondere Erlaubnis" oder Können. Leben kostet nun mal früher oder später dasselbe.