von it’s me
Dieses
alte, einsam gelegene, etwas renovierungsbedürftige Haus hat es mir
angetan, aber es ist unser Traum, daher wollen wir das Projekt angehen.
Meinem
Freundes- und Bekanntenkreis habe ich das gesagt und angekündigt, den
Baumeister meines Vertrauens, der jahrzehntelange Erfahrung hat, als
Experten beizuziehen, ob der Kauf Sinn macht und wie hoch die
Sanierungskosten werden.
Da
hörte ich natürlich Gegenstimmen, dass ich als alter Mann doch mit der
Zeit gehen müsse und nicht einem einfachen HTL-Ingenieur vertrauen
dürfe, auch wenn er Erfahrung hat, sondern ich müsse auf die Chance
zurückgreifen, wahre Akademiker – jeder ein Experte auf seinem Fach – zu
konsultieren.
Ich
gestehe, ich bin in der Steinzeit aufgewachsen, als man an der
Universität nur die Wahl hatte, Theologie, Jus, Philosophie oder Medizin
zu studieren. Dann gab es noch Wirtschaftshochschule, die Technische
Universität und die Montanistik in Leoben. Und das war’s auch schon mit den akademischen Studien.
Heute
ist natürlich alles besser, wurde ich belehrt, ich werde den Baumeister
nach Hause schicken und mit Experten – jeder auf seinem Gebiet – das
Projekt realisieren.
Erst
einmal – soll ich das alte Gemäuer überhaupt kaufen? Bei der Bewertung
der Immobilie habe ich jetzt die Möglichkeit, mich beraten zu lassen
entweder von einem „Akademischen Experten für Immobilienbewertung“, der
an der Donau-Universität diesen Grad in 3 Semestern berufsbegleitend um
11.270€ erworben hat, oder von einem richtigen Akademiker, einem Master
of Science, der sich seinen akademischen Grad in 4 Semestern –
berufsbegleitend – um 15.900€ erworben hat, aber dafür Experte in
„International Real Estate Valuation“ ist. Ich denke, dass ich mich als Dr.med. für den Akademiker, den MSc., entscheiden werde – so von Akademiker zu Akademiker.
Da
ich im Haus etwas Schimmel gesehen habe, hat mir der MSc. für
„International Real Estate Valuation” geraten, einen Experten zu Rate zu
ziehen, der ebenfalls an dieser Eliteuniversität sein Studium gemacht
hat, nämlich einen zertifizierten Experten (leider gibt es noch keinen
MSc.) für „Schimmel im Bauwesen“ (2 Semester, berufsbegleitend um
2.700€). Gott sei Dank habe ich jetzt Profis an meiner Seite und wir
können weiterschreiten.
Da die alte Bude saniert
und revitalisiert werden muss, benötige ich einen entsprechenden
Experten, den ich in Form eines MSc. für „Sanierung und Revitalisierung“
an dieser Uni gefunden habe (4 Semester, berufsbegleitend, 14.500€).
Halt, jetzt sehe ich, da gibt es ja etwas Besseres, nämlich einen, der
gleich die Planung auch machen kann, den MSc. für „Sanierung und
Revitalisierung – Planen und Entwerfen“ (5 Semester, berufsbegleitend,
18.500€). An dieser Stelle frage ich mich manchmal, warum ich zwölf Semester verschissen habe für einen einfachen „Dr.“, wenn ich in derselben
Zeit an der Donau-Uni Krems ganze drei „MSc.“ hätte machen können? Vergaß,
in der Steinzeit gab es diese intellektuelle Bildungsstätte noch nicht.
Zurück
zu meinem Hausprojekt: Obwohl die Bude alt, ist, möchte ich auf die
Annehmlichkeiten der modernen Technik nicht verzichten, und für diesen
Zweck wurde mir der nächste Akademiker empfohlen, nämlich der Master of
Engineering – Building Innovation, (5 Semester berufsbegleitend,
18.500€), der mir alles Technische planen soll, bis hin zum
Zentralstaubsauger und der Gegen-stromanlage im Swimmingpool.
Das
Heizsystem muss ebenfalls effizient und ökologisch kompatibel sein,
daher der nächste Aka-demiker für mein Projekt in Form des MSc. für
„Energy Innovation Engineering and Management“ (4 Semester,
berufsbegleitend, um wohlfeile 14.900€).
Ein paar weitere akademische Topprofis kommen noch an Bord, nämlich MSc. für „Building Inno-vation“, „Energie
Autarkie“, „Gebäudeautomation“, „Lightweight Membrane Structures“,
„Digitales Bauen“ und „Building Information Modeling“.
So,
das Haus kann dann irgendwann saniert werden, aber parallell dazu
möchte ich noch den Garten gestalten lassen, und dazu habe ich noch den
MSc. für „Ökologisches Garten- und Grünraum-management“ (4 Semester
berufsbegleitend, 12.500€) gefunden, der mir meinen Garten zu einer
Oase gestalten soll.
Auf geht’s, nichts kann passieren mit dieser geballten Ladung an Profis.
Zeitsprung:
5 Jahre später: Jetzt habe ich ein Vermögen ausgegeben und dennoch
befindet sich mein Haus im Zustand wie das von Düringer aus dem Film
„Hinterhaus“ und ich werde reumütig zum alten erfahreren,
nichtakademischen Baumeister zurückkehren, damit dieser mit seinen
Maurern, Zimmerern, Installateuren und Elektrikern das Begonnene zu
einem befriedigenden Ende bringen kann.
P.S.:
Und diese ganzen Bachelor und Master wünsche ich mir auf die Müllhalde
der Pseudo-akademiker – mögen sie dort kein Unheil anrichten.
P.P.S.:
Wenn diese inflationäre „Akademikerschwemme“ weiter anhält, werden in
Zukunft an den Kassen von Billa und Hofer nur mehr „Bachelor for
Monetary Science“ sitzen, weil sie – ohne auf die Kasse schauen zu
müssen - bei einem Einkauf von 22,66€ das Wechselgeld auf 100€ zurückgeben können.
P.P.P.S.: Keine Akademikerin, aber mir lieber, vom Großmeister der Fotografie – Helmut Newton
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