Donnerstag, 1. Februar 2018

Die alten Germanen

von Fragolin


Jetzt ist also das Germanen-Lied auch in anderen Liederbüchern aufgetaucht. Oh, wie kann das nur sein?
Ganz einfach: es ist ein altes studentisches Sauflied aus einer Zeit, als Hitler noch als Weißkäse im Schaufenster lag, oder um es etwas weniger blumig zu sagen, als Rotz ohne Bremse. Der ursprüngliche bzw. inzwischen aus dem Ursprung abgewandelte Text hat deshalb mit Nazis auch gar nichts zu tun, nicht einmal ansatzweise, wie man hier nachlesen kann:

Es saßen die alten Germanen
zu beiden Ufern des Rheins;
sie lagen auf Bärenhäuten
und soffen immer noch eins.

Refrain:
Und eins und zwei und drei und vier:
Sie soffen unheimlich viel Lagerbier.
Und fünf und sechs und sieben und acht:
Sie soffen die ganze Nacht.

Da Trat in ihre Mitte
ein Jüngling römischen Blut’s:
„`Grüß Gott, ihr alten Germanen,
ich bin der Tacitus.“,

Da hoben die alten Germanen
zum Bergmannsgruße die Hand.
„`Glück auf, du römischer Jüngling,
du bist uns wohl bekannt.“‚

Da hoben sie an zu saufen
so manchen Tropfen Met.
Sie würfelten um ihre Weiber–
es wurde ziemlich spät.

Da mixten die alten Germanen
dem Römer einen Trank.
Den soff er fröhlich hinunter,
bis er zu Boden sank.

Da lachten die alten Germanen
zu beiden Ufern des Rheins,
und ließen ihn trinken und trinken:
ein Glas und immer noch eins!

Und als am anderen Morgen
der Römer den Schaden besah,
schrieb er mit zitternden Händen
an seine Germania:

„`Wir sind zwar keine Germanen
doch üben wir uralten Brauch.
Wir würfeln nicht um unsre Weiber,
doch saufen können wir auch!“‚

Und das ist unsre Devise,
an dieser halten wir fest:
„`Früh ist noch keiner gestorben,
der bis ins Alter gezecht.“‚

Die Melodie ist einfach, der Text ebenso, also ein typisches Sauflied. Kann man zu beliebig vielen Humpen singen, auch wenn es erst in Grölen und dann in unverständliches Lallen übergeht. Texttreue ist unwichtig und eigentlich geht es nur um die Fortsetzung des Stadiongrölens beim Fußball in der Kneipe und mit anderen Texten.
Deshalb gibt es auch haufenweise Umdichtungen. Und in politisch brisanten Zeiten blühen natürlich auch politische Spottlieder. Und so entstand in der Katholischen Studentenvereinigung Münster 1939 ein Spottlied auf die Nazis, das in den katholischen und elitären, die primitiven Sozialisten nationaler Coleur zutiefst verachtenden Burschenschaften bald die Runde machte und sich bis heute in deren Liederbüchern wiederfindet:

Es lagen die alten Germanen
zu beiden Ufern des Rheins,
Sie lagen auf Bärenhäuten
und soffen immer noch eins.
 

Da trat in ihre Mitte
ein Römer mit eitlem Gruß:
Heil Hitler, Ihr alten Germanen
ich bin der Tacitus.

Da hoben die alten Germanen
zum deutschen Gruß die Hand:
Heil Tacitus, Bruder der Achse,
Du bist uns artverwandt.

Nun trat in ihre Mitte
ein alter Araberscheich,
Der sprach zu den alten Germanen:
Wann kehren wir heim ins Reich?

Da rief der Schah von Persien:
Erst sind mal wir an der Reih,
Wir Indogermanen aus Asien,
Verwandte von Goebbels und Ley.

Da sagten die alten Germanen,
das machen wir doch gleich,
Ihr braucht nicht mehr lange zu warten,
Dann kommt Ihr ins Großdeutsche Reich.

Da trat in ihre Mitte
der Bock von Babelsberg,
Er hatte ne große Klappe
von Wuchs war er ein Zwerg.

Er sprach zu den alten Germanen
und grüßte mit „Sieg Heil“,
Da wurden die alten Germanen
mit einem Male so …lustig.

Es lagen die alten Germanen
zu beiden Ufern des Rheins,
Sie lagen auf Bärenhäuten
und soffen immer noch eins,
Sie soffen noch zwei, noch drei, noch vier,
Sie soffen unendlich viel Lagerbier,
Sie soffen noch fünf, noch sechs
noch sieben, noch acht:
Sie soffen die ganze Nacht.

Und jetzt habe ich ein kleines Verständnisproblem. Dieses Spottlied ist nämlich etwa so Nazi-verherrlichend wie Böhmermanns Ziegenfickererguss den Erdogan verherrlicht. Zu Zeiten des Rotzgebremsten wären die Burschis, die beim Absingen solcher Strophen erwischt wurden, wahrscheinlich selbst in Auschwitz unter die Dusche geschickt worden.
Und so bleiben nur zwei Fragen:

Erstens:
Warum wurde in der Germania zu Wiener Neustadt irgendwann, wahrscheinlich weit nach der Nazi-Zeit, eine geschmacklose Zeile über den Holocaust eingebastelt? Es ist ja okay, auch nach der Hitlerei noch Spott über die Nazis zu gießen, denn es gibt ja alte und neue Anhänger, und wie man sieht gibt es die parteiübergreifend, und denen darf man ruhig eine einkellen. Nennt sich Meinungsfreiheit und lebt eh meist nach dem System „Wie du mir so ich dir“, man bleibt sich also nichts schuldig. Trotzdem passt die Juden-Zeile da nicht rein. Wo ist da der Witz? Das unterbietet ja sogar den Humor von Böhmermann, und das muss man erstmal schaffen.

Zweitens:
Wenn man die Holocaust-Zeile wieder ausschwärzt, was bleibt dann für ein Text übrig? Richtig: der eines Spottliedes über die Nazis. Wenn also ein junger Burschi mit 15 oder so aufgenommen wird und ein solches Liederbuch mit geschwärzter Zeile bekommt, dann findet der am Rest des Liedes nichts Anstößiges. Was soll daran anstößig sein, die Hitlerei zu verscheißern? In einem Sauflied?
Ich kann da keinerlei Fehlverhalten irgend eines jungen Mitglieds und auch späteren Funktionärs erkennen. Wenn man Landbauer igrendwas an seiner ansonsten zur Schau gestellten Gesinnung vorwerfen kann, dann soll man das bitte tun, aber mit diesem Lied? Einer Hitler-Verarsche??

Und jetzt bekommt das ganze noch einen anderen Ruch: Wenn die ganze Nazi-Verherrlichung eine an den Haaren herbeigezerrte Wahlkampflüge nach Silberstein-Schema ist, warum wird dann jetzt, noch vor eindeutigen Ermittlungsergebnissen, hektisch von der Regierung die Auflösung der Burschenschaft als Verein vorangetrieben und ein SPÖ-ler, der ein Liederbuch mit einem Nazi-Spottlied illustrierte, sofort aus der Partei gefeuert? Kann es sein, dass die SPÖ vor lauter Aktionismus, um sich als die Guten darzustellen, vor Allem nach zwei Einzelfällen in zwei Tagen, hektisch einen alten Genossen abschießen, um sich als Sauberpartei hinzustellen?
Das System Bauernopfer wäre in Kerns SPÖ ja nicht zum ersten Mal angewandt.
Es bleibt fragwürdig.

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