von Fragolin
Google
sorgt sich um die Wahrheit. Das finde ich toll. Ausgerechnet Google, das uns allen unsere Fenster
zur Welt nicht nur öffnet sondern regelrecht entglast, und sich ansonsten
selbst lieber hinter wasser- und informationsdichten Schotten verbirgt.
Jedenfalls
will man der wildwuchernden Fake-News-Verbreitung zu Leibe rücken. Denn immer
mehr private Personen verbreiten nicht verifizierte Nachrichten im Netz; wo
früher Gerüchte erst von Ohr zu Ohr kriechen mussten und dabei recht kreative
Veränderungen des Inhaltes dieser „stillen Post“ geschahen, genügt heute ein
Klick und den Rest erledigen „Teilen“ und „Kopieren“.
Klingt
also nach einer feinen Sache, wenn sich die Googler der Wahrheit widmen und
ganz selbstlos der Lüge den Kampf ansagen.
„Google wird künftig verstärkt auf
Hintergrundberichte hinweisen, in denen Medienunternehmen oder Verlage die
Faktenlage bei strittigen Themen überprüfen.“
Ach.
Medienunternehmen oder Verlage. Andere sind also eher nicht in der Lage, die
Faktenlage bei „strittigen“ Themen zu prüfen? Augenzeugen zum Beispiel?
Dann
stellt sich es mir so dar: Jemand veröffentlicht eine Meldung. Jemand, nennen
wir ihn Blockwart oder Denunziant, meldet Zweifel am Wahrheitsgehalt dieser
Meldung an, damit wird sie zu einer „strittigen“ Meldung. Google holt
Informationen von Medien / Verlagen ein, die das bestätigen oder anders
darstellen. Am Ende gilt immer die Angabe der Medien als Wahrheit und der
Verbreiter der Meldung entweder als Wahrheitssprecher oder als Lügner.
Medien
und Verlage legen also fest, was die Wahrheit ist. Na gut, die haben ja auch
bessere Recherchemöglichkeiten, und niemals irgendwelche Interessen, eine
Faktenlage, sagen wir mal, in eine bestimmte Richtung zu deuten. In die dem
geldgebenden Hauptinserenten oder der Presseförderungsauszahlungsstelle genehmen.
Radaktionsstuben,
früher, als es noch keine „Fake news“ als Kampfbegriff der Meinungsjäger gab,
auch gerne mal als „Entenzucht“ bezeichnet, sind also plötzlich Garanten für
nichts als die reine Wahrheit? „Lügen wie gedruckt“, ein geflügeltes Wort seit
Erfindung der Druckerpresse, ist vergessen?
„Das Faktencheck-Label
werde von sofort an nicht nur bei Google News eingesetzt, sondern auch auf die
Google-Suche ausgeweitet. Außerdem sei das Label nun für Medienunternehmen und
Verlage weltweit verfügbar, teilten Justin Kosslyn von dem Google-Thinktank
Jigsaw und Cong Yu, Wissenschaftler bei Google Research, am Freitag mit.“
Ach, nur
Medienunternehmen und Verlage dürfen das nutzen. Die alleinige Macht zur
Korrektur von Inhalten gebührt also Unternehmen.
Naja, ist ja
nicht ganz unlogisch, entscheiden doch inzwischen auf Weisung des deutschen
Justizministers Unternehmen darüber, welche Meinungsäußerung strafrechtlich relevant
ist und löschen diese, speichern sie nur im Hintergrund ab und lassen nur noch
ermittelnde Behörden ran. Man verbrennt Bücher nicht einmal mehr, weil sie
nachweislich unangenehme Inhalte enthalten, sondern verbrennt gleich alles, was
solches auch nur enthalten könnte. Welcher Rechtsstaat braucht schon Gerichte
oder den Respekt vor den verfassungsmäßigen Rechten der Bürger. Das wird
vollkommen überbewertet. Fragen Sie Herrn Maas.
„Jede
Minute würden tausende neue Artikel online veröffentlicht, eine Menge an
Inhalten, die wohl die meisten Nutzer überfordere, heißt es in der Mitteilung.“
Ach, und die
arbeiten die fleißigen Google-Bienchen jetzt alle auf, polieren ihren
Wahrheitsgehalt und filtern dann vor? Wann wird nicht mehr nur ein Stempel
draufgeknallt sondern die Veröffentlichung gleich von diesem Stempel abhängig
gemacht, also wann ist nur noch überprüfte und linientreue Veröffentlichung
möglich?
„Und leider sind nicht alle Inhalte korrekt
oder wahr, es fällt den Menschen daher oft schwer, Fakten von Fiktion zu
unterscheiden.“
Das gilt aber
auch, wenn ein Stempel draufpickt. Man kann auch lügen wie gedruckt und sich
dann selbst einen Stempel geben, dass man seine Lüge für wahr deklariert. Denn
jetzt kommt es:
„Deshalb
habe Google im Oktober 2016 zusammen mit Jigsaw in einigen Ländern das
„Faktencheck-Label“ eingeführt, mit dem Medienunternehmen und Verlage ihre
entsprechenden Artikel in Google News kennzeichnen könnten.“
Ha, die geben
sich den Stempel selbst. Die pappen ein fröhliches „Alles wahr, weil wir
Faktenchecker sind!“ dazu, und schon kommen sie als die mit der einzig wahren
Lüge daher. Da kann man fragen, was bringt das alles? Warum macht Google das?
„Nach
Auswertung der Rückmeldungen von Nutzern und Medienhäusern wolle man diese
Funktion nun erweitern.“
Ach wirklich?
Pekuniäre Auswertungen fanden keinen Eingang in die Bewertung? Die Nutzer
wollen das so? Naja, wird wohl so sein, wenn die Wahrheitshüter das so
schreiben.
Bei
einer Google-Suche, für deren Ergebnisse ein Faktencheck durchgeführt wurde,
wird dies auf der Seite der Suchergebnisse entsprechend angezeigt. In dem
betreffenden Fenster sehen die Anwender dann, um welche Behauptung es geht, von
wem sie stammt, und ob eine seriöse Quelle die Informationen verifiziert oder
widerlegt hat.“
Ah. Und woran
erkenne ich eine „seriöse Quelle“?
„Generell
kämen nur Medien für die Nutzung in Frage, die auf Basis von Algorithmen als
seriöse Informationsquellen eingeschätzt werden.“
Ach so,
Algorithmen, jaja, dann passt das schon. Zum Glück wissen gefühlte 90% der
Bevölkerung nicht, was ein Algorithmus überhaupt ist.
Aber wer hat
diese Algorithmen entwickelt. Wer hat deren
Seriosität verifiziert?
Das muss man
sich mal auf der Zunge zergehen lassen: Da bestimmen von Privatunternehmen
geschriebene Computerprogramme die Einschätzung, wessen Meldung die wahre und
wessen die falsche ist.
Und wer Google
kennt, der weiß ja auch, dass dort absolut altruistisch gehandelt wird und
niemand auf die Idee käme, bei diesem „Label“, das Medien zur Nutzung
überlassen wird, die Einzahlung bestimmter Beträge auf das Konto in den Bewertungsalgorithmus
mit einzubauen.
Ich persönlich
glaube weder an den Weihnachtsmann noch den Osterhasen, und ich glaube auch
nicht, dass jemand, der sich einen Stempel bei einer Privatfirma kauft und ihn
neben seinen Briefkopf stempelt, deshalb mehr oder weniger lügt als bisher.
Aber ich glaube an die Macht des Geldes und die Zucht von Melkkühen.
Die Medien
referenzieren sich gegenseitig und Google casht ab.
Der angegebene
und verlinkte Artikel erschien übrigens im gleichen Wortlaut in mehreren
Publikationen. Seriöser Verlage. Damit ist erwiesen, dass er wahr ist. Denn es
schreiben ja alle das Gleiche. Und alle recherchieren ja sorgfältig und würden
nie auf die Idee kommen, einfach vorgegebenen Text zu kopieren ohne ihn zu
faktenchecken.
So funktioniert
Selbstreferenzierung.
Übrigens
kopieren die alle den Text von einer Agentur. Wem die gehört, wer die
finanziert und wie genau dort Meldungen überprüft oder gewichtet werden – tja,
das wäre mal eine Aufgabe für einen knallharten Faktencheck. Aber unsereiner
wird das wohl nicht hinbekommen, so ganz ohne Presseausweis und Anrecht auf
Auskunft. Und ohne Möglichkeit, einen „Wahrheits“-Stempel neben seine Worte zu
drücken. Denn das können nur die, die das dann dementieren.
Was für ein
Geschäftsmodell. Die Politik kann Meinungsmorden, die Medien können sich als
einzige Quelle der Wahrheit bewerben und Google kassiert. Den Fakten-Scheck.
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