Wieder mal ein Verfemter, weil »ein Nazi« ... ... ach ja, wirklich? Und Pablo Neruda wird der Nobelpreis posthum aberkannt, weil er Stalin verherrlicht hat, oder wie? Lassen wir's ... Die deutsche Wikipedia staunt ein bisserl:
Die Balladen Münchhausens fanden seit den 1960er-Jahren weniger Beachtung, aber Marcel Reich-Ranicki nahm 2005 trotzdem zwei Gedichte Münchhausens in seine Anthologie Der Kanon, Band 5 auf.
Hm, »trotzdem« ... ... Na, der traut sich was! Gut, man kann ihm ja schwer an, er war doch schließlich selber ... ... aber er hätt's ja auch lassen können, das mit diesem Börries von Münchhausen, nicht wahr?
Nun, das folgende Gedicht fand freilich keine Aufnahme in den Kanon von Literaturgroßinqusitors Gnaden, und ist nach meiner persönlichen (und natürlich ganz unmaßgeblichen) Ansicht trotzdem wert, gekannt zu sein:
Der goldene Ball
Was auch an Liebe mir vom Vater ward,
Ich habs ihm nicht vergolten, denn ich habe
Als Kind noch nicht gekannt den Wert der Gabe
Und ward als Mann dem Manne gleich und hart.
Nun wächst ein Sohn mir auf, so heiß geliebt
Wie keiner, dran ein Vaterherz gehangen,
Und ich vergelte, was ich einst empfangen,
An dem, der mirs nicht gab – noch wiedergibt.
Denn wenn er Mann ist und wie Männer denkt,
Wird er wie ich die eignen Wege gehen,
Sehnsüchtig werde ich, doch neidlos sehen,
Wenn er, was mir gebührt, dem Enkel schenkt.
Weithin im Saal der Zeiten sieht mein Blick
Dem Spiel des Lebens zu, gefaßt und heiter,
Den goldnen Ball wirft jeder lächelnd weiter, –
Und keiner gab den goldnen Ball zurück!
Am 14. März 1945 ging der Dichter, den Untergang seiner Heimat durch den Vormarsch der Alliierten vor Augen, gebeugt durch den Tod seiner Frau zwei Monate zuvor, in den Tod. Den goldnen Ball sollte nicht eine Kugel, sondern eine Überdosis Schlaftabletten ersetzen. Dem Spiel des Lebens sah er da längst wohl denkmöglich nicht »gefaßt und heiter« zu ...
Kein Platz für Häme! Münchhausen hat einige Balladen (und manch andere Gedichte) geschrieben, die unauslöschlich im Gedächtnis bleiben — wenn man sie nur einmal kennengelernt hat; denn wovon man nie erfuhr, das kann man nicht missen.
Wie ein Artikel aus dem Jahr 2011 »enthüllt«, stand Börries von Münchhausen damals noch in der Liste der Ehrenbürger von Göttingen (»eine Ehrenbezeugung, die er ursprünglich mit Hitler und Frick teilte, die diesen jedoch nach dem Ende des NS-Regimes wieder aberkannt wurde«, wie der Verfasser sich gleich hinzuzusetzen beeilt). Wir können gewiß davon ausgehen, daß Göttingens Ehrenbürgerliste seitdem zeitgeistkonform expurgiert wurde. Seinen Rang als Dichter freilich vermag man nur durch konsequentes Totschweigen zu untergraben versuchen (ob das gelingt, wird die Geschichte weisen). Oder durch konsequente Umvolkung, bis niemand mehr seine Sprache spricht. Eine Lösung, ja geradezu eine Endlösung, die derzeit alternativlos unternommen wird ...
Kein Platz für Häme! Münchhausen hat einige Balladen (und manch andere Gedichte) geschrieben, die unauslöschlich im Gedächtnis bleiben — wenn man sie nur einmal kennengelernt hat; denn wovon man nie erfuhr, das kann man nicht missen.
Wie ein Artikel aus dem Jahr 2011 »enthüllt«, stand Börries von Münchhausen damals noch in der Liste der Ehrenbürger von Göttingen (»eine Ehrenbezeugung, die er ursprünglich mit Hitler und Frick teilte, die diesen jedoch nach dem Ende des NS-Regimes wieder aberkannt wurde«, wie der Verfasser sich gleich hinzuzusetzen beeilt). Wir können gewiß davon ausgehen, daß Göttingens Ehrenbürgerliste seitdem zeitgeistkonform expurgiert wurde. Seinen Rang als Dichter freilich vermag man nur durch konsequentes Totschweigen zu untergraben versuchen (ob das gelingt, wird die Geschichte weisen). Oder durch konsequente Umvolkung, bis niemand mehr seine Sprache spricht. Eine Lösung, ja geradezu eine Endlösung, die derzeit alternativlos unternommen wird ...
»Hundert notwendige Gedichte« (geordnet nach Autorennamen): Bertolt Brecht – Hans Carossa (1) | (2) – Matthias Claudius – Theodor Däubler – Richard Dehmel – Fritz Diettrich – Annette Droste von Hülshoff – Joseph von Eichendorff – Theodor Fontane – Louis Fürnberg – Emanuel Geibel – Andreas Gryphius — Albrecht von Haller – Hermann Hesse – Friedrich Hölderlin – Ricarda Huch – Klabund – Karl Krolow – Li-Tai-Peh (übertragen von Egmont Colerus) – Conrad Ferdinand Meyer (1) | (2) | (3) – Agnes Miegel – Friedrich Nietzsche – Wilhelm Raabe (1) | (2) – Georg Trakl – Anton Wildgans (1) | (2) – Stefan Zweig.
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