Dienstag, 23. Juni 2015

Hundert notwendige Gedichte XXVI – Louis Fürnberg

Nein, keine Angst — es ist nicht das berühmt-berüchtigte »Lied der Partei«, das jetzt vorgestellt werden soll. Sondern das stimmungsvolle

Alt möcht ich werden wie ein alter Baum,
Mit Jahresringen, längst nicht mehr zu zählen,
Mit Rinden, die sich immer wieder schälen,
Mit Wurzeln tief, daß sie kein Spaten sticht.

In dieser Zeit, wo alles neu beginnt,
Und wo die Saaten aller Träume reifen,
Mag, wer da will, den Tod begreifen
     — ich nicht!

Alt möcht ich werden wie ein alter Baum,
Zu dem die sommerfrohen Wandrer fänden,
Mit meiner Krone Schutz und Schatten spenden,
In dieser Zeit, wo alles neu beginnt.

Aus sagenhaften Zeiten möcht ich ragen,
Durch die der Schmerz hinging, ein böser Traum,
In eine Zeit, von der die Menschen sagen:
Wie ist sie schön! O wie wir glücklich sind!

Heute vor 58 Jahren ist er einem Herzinfarkt erlegen, erst 48-jährig, in Weimar, wohin man ihn, zwar ehrenvoll, als stellvertretenden Leiter der »Nationalen Forschungs- und Gedenkstätten der klassischen deutschen Literatur« aber eben doch eher kaltgestellt hatte.

»Manche sagen, Fürnberg starb an gebrochenem Herzen. Sein Glaube an den Kommunismus war erschüttert und die Ermordung seiner Familie hatte ihm sehr zugesetzt«, heißt es in einem Artikel aus dem Jahr 2009, aus Anlaß der hundertsten Wiederkehr seines Geburtstages.

Ich »stolperte« über Louis Fürnberg vor Jahren, beim Durchsehen des Wühlkastens meines »Haus- und Hof-Antiquars«, der mir mit einem vielsagend schmunzelnden »Daß Sie sich für einen alten Kummerl interessieren würden, hätt' ich nicht erwartet ...« zwei Euro abnahm. Eine Werkauswahl — mehr besitze ich nicht von ihm — gedruckt auf billigem, vergilbtem DDR-Papier. Und doch: schon beim ersten Durchblättern stieß ich auf dieses Gedicht: und es begleitet mich seitdem ...








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