Sonntag, 27. Mai 2012

Prolegomenon zu einigen Gedanken über Freiheit und Gerechtigkeit

Wie die Leser dieses Blogs schon mitbekommen haben: das österreichische Gesetz über die Vorratsdatenspeicherung, welches seit 1. April 2012 der Staatsanwaltschaft (und damit faktisch auch der Polizei) praktisch uneingeschränkten Zugriff auf die Verbindungsdaten im Internet ermöglicht hat ebenso wie der — wenigstens für mich — unnachvollziehbare Ratschluß »Google-Bloggers«, seine Blogschreiber mit Hinterlist zur Übernahme von programmtechnischen Neuerungen zu drängen, die sie nicht brauchen, hat den LePenseur-Blog einigermaßen zum Erliegen gebracht. Dennoch: es geht weiter. Etwas anders als bisher, aber doch nicht unvergleichbar. Schwerpunkt der — seltener als früher verfaßten — Artikel werden Hintergrundsbetrachtungen über Themen sein, die nicht nur dem Blogautor am Herzen liegen, sondern in den Diskussionen in unserer Systempresse weitgehend ignoriert werden — oder mit Stehsätzchen aus der Gutmenschen-Stanze »beantwortet« werden ...

In den nächsten Wochen wird es also, wie schon angekündigt, um die Begriffe »Freiheit« und »Gerechtigkeit« gehen, sowohl um jeden dieser beiden für sich allein als auch in ihrem inhärenten Spannungsverhältnis. Ich plane da keine »Lexikonartikel« (hoffentlich wenigstens!), sondern mehr oder weniger kurze Betrachtungen, nicht gerade Aphorismen (die ihren Reiz meist der Unbestimmtheit ihres Inhalts verdanken — aber davon geht das Netz ohnehin über!), eher Fragen als Antworten, immer mit einem kleinen Montaigne'schen »Que sais-je?« in der Hinterhandf.

Und als kleiner Vorgeschmack dazu heute eine — vielen Lesern vermutlich ohnehin bekannten — kleine Anekdote aus der Zeit Friedrichs II (den ich als Österreicher noch immer nicht den »Großen« nennen mag) über Johann Friedrich Adolf von der Marwitz, welcher bekanntlich »Ungnade wählte, wo Gehorsam nicht Ehre brachte«. Man kann die Geschichte in Fontanes »Wanderungen durch die Mark Brandenburg« nachlesen — sicher in brillanterem Stil, als ihn LePenseur je zuwege brächte.

Marwitz also ... ... was hätte dieser Fall mit »Gerechtigkeit« und »Freiheit« zu tun? Nun, Gerechtigkeit ist irgendwie nachvollziehbar: der Befehl zur Plünderung von Schloß Hubertusburg ist wohl ungerecht zu nennen — aber »Freiheit« ...? Welche Freiheit hatte schon ein Offizier unter einem absolutistisch regierenden König? Und genau hier setzt meine Überlegung an: Freiheit muß man sich nehmen, und auch bereit sein, ihre Folgen zu tragen. Freiheit, die im Wählen von Beliebigkeiten besteht (ob ich bspw. in meinem Stammlokal ein Rindschnitzel oder einen Schweinsbraten bestelle ist nicht »Freiheit« — nur: wenn ich es nicht mehr darf, weil z.B. Schweinefleisch verpönt wird, um niemanden zu »verletzen«, dann herrscht freilich Unfreiheit!), ist eben nicht »Freiheit«, sondern — Beliebigkeit.

Oberst von Marwitz wählte die Freiheit (und die Gerechtigkeit). Und hatte in einem tendenziell unfreien Staatsgebilde wie dem Preußen Friedrichs II durchaus unangenehme Folgen zu tragen. Wobei das Ausmaß der negativen Folgen zugleich ein Gradmesser für Freiheit und Gerechtigkeit unter diesem König, unter dieser Staatsform war: wer ähnliches z.b. gegenüber Stalin oder Hitler versuchen hätte wollen, war wohl ungleich härteren Repressalien ausgesetzt.

Meine ich also, daß Freiheit nur wenn gegen Nachteile »erkauft«, ihren Namen verdient? Nein, aber doch, daß die »Beliebigkeit«, also die mit keinerlei Nachteilen verbundene Wahlmöglichkeit, zwar eine Grundlage, in gewissem sinne eine Vorbedingung von Freiheit ist — aber allein noch nicht Freiheit bedeutet. Was Freiheit ist, darüber hat dieser Offizier und Landadelige mit seinem Verhalten eine Lehre erteilt. Und sich seinen Epitaph, den ich oben zitierte, damit mehr als redlich verdient ...

Mittwoch, 23. Mai 2012

Sarrazins Thesen

... finden bei »Experten« (welche ja teilweise sogar wirklich welche sind) durchaus Zustimmung. Natürlich nicht seine gaaanz pöhse (um nicht zu sagen: »krude«) These, warum deutsche Politiker sich wie die Lakaien submissest bücken, sobald es darum geht, etwas eklatant gegen die Interessen ihres Volkes und Staates gerichtetes auszuführen. Das geht natürlich garnicht! Einfach Autobahn, wie es autobahner nicht geht ... man kann sich die hyperventilierenden Reaktionen direkt auf der Zunge zergehen lassen:
Aus der Politik kam Kritik an Sarrazin. Grünen-Fraktionschef Jürgen Trittin hält die Thesen des Autors für "erbärmlich" und wirft ihm "D-Mark-Chauvinismus" vor. "Sarrazin rutscht immer weiter nach rechts ins Abseits. Es ist erbärmlich, dass er den Holocaust heranzieht, um seinen Thesen zu Eurobonds größtmögliche Aufmerksamkeit zu sichern", sagte Trittin "Welt Online".
Sarrazin rutscht also nach rechts in ein Abseits, wo geschätzte 80% der autochthonen deutschen Bevölkerung ihm zustimmen.
Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) urteilte in der "Bild am Sonntag": "Entweder redet und schreibt Sarrazin aus Überzeugung einen himmelschreienden Blödsinn oder er macht es mit einem verachtenswerten Kalkül."
Man sollte über arme Krüppel, v.a. wenn sie Verbrechensopfer sind, nichts Böses sprechen — aber wenn einer wie Schäuble mit dem verachtenswerten Kalkül, sich bei den Brüsseler Macht»eliten« (man könnte auch »Euromafia« dazu sagen) einzuschleimen, wahrheitsgemäße Tatsachenfeststellungen als himmelschreienden Blödsinn denunziert, dann darf man das schon kritisieren. Könnte der Hehler im Rollstuhl nicht zur Abwechslung mal die Schnauze halten?
FDP-Generalsekretär Patrick Döring sagte derselben Zeitung, Sarrazin verknüpfe "die Frage der historischen Verantwortung Deutschlands unzulässig mit der aktuellen währungspolitischen Debatte".
Mut und Grundsatztreue sind in der Politik keine Kategorien. Und unter »Liberalen«, die sich im Mainstream aalen, schon garnicht ...
Der SPD-Haushaltsexperte Carsten Schneider warf Sarrazin Unwissenheit vor. "Herr Sarrazin versucht es mal wieder mit den üblichen Provokationen. Seine Kritik am Euro ist nationalistisch und reaktionär", sagte Schneider der "Passauer Neuen Presse".

Schleswig-Holsteins SPD-Landeschef Ralf Stegner forderte Sarrazin zum Parteiaustritt auf. "Sein einzig wertvolles Buch ist das Parteibuch. Er täte sich und der SPD einen großen Gefallen, wenn er dieses zurückgibt", sagte Stegner zu "Handelsblatt Online".
Ich könnte ein weiteres Mal meinen seligen Herrn Papa zitieren, lasse es aber — solche Sozen sind mir die Mühe nicht wert ...
Grünen-Fraktionsgeschäftsführer Volker Beck sagte: "Wäre ich Sozialdemokrat, würde ich diesen Hetzer nicht in meiner Partei dulden." Empört reagierte er darauf, dass Sarrazin in seinem neuen Buch den Holocaust und die europäische Währung in einen Zusammenhang stellt: "Offenbar kann Sarrazin den Juden den Holocaust nicht verzeihen", sagte Beck dem Online-Portal.
Un offenbar kann Beck Herrn Sarrazin nicht verzeihen, daß er einfach rechthat.
Der frühere SPD-Finanzminister Peer Steinbrück hatte den Berliner Ex-SPD-Finanzsenator bereits am Sonntagabend öffentlich in die Schranken gewiesen. In der ARD-Talkshow "Günther Jauch" trat Steinbrück entschieden Sarrazins Verknüpfung von Holocaust und Euro-Krise entgegen.

Steinbrück warf Sarrazin "Geschichtsvergessenheit und Geschichtsblindheit" vor. Vor dem Hintergrund der Katastrophen des 20. Jahrhunderts habe Deutschland eine europapolitische Verantwortung, die EU zu stabilisieren. Sarrazins biete in seinem Buch dagegen lediglich "eine sehr platte ökonomistische Analyse" ...
Ach Gottchen, von wegen »öffentlich in die Schranken gewiesen« ... Steinbrück erwies sich als substanzloser Laberer, der sich mit emotionell gefärbten Worthülsen um Fakten und Zahlen zu drücken versuchte.

Wer diese Wortmeldungen so Revue passieren läßt, weiß eines mit Sicherheit: Sarrazin hat mit seiner begeiferten These völlig recht. Denn nur an einer empfindlichen Stelle getretene Hunde kläffen derart laut und unisono.

Hunde? Ich sehe schon bedenkentragende Leser bedächtig ihr Haupt schütteln. Aber man kann doch deutsche Systempolitiker nicht mit Hunden vergleichen! Ganz richtig — dieser Vergleich ist eindeutig unfair zu Hunden. Womit hätten diese treuen, braven Geschöpfe verdient, mit derlei Geschmeiß in einem Satz genannt zu werden ...?

Dienstag, 22. Mai 2012

Doch nun zu etwas ganz anderem!

Vorab ein Hinweis an alle (bisher) regelmäßigen Leser meines Blogs: es wird weitergehen. Meinen Verzweiflungsausbruch angesichts der ungewünschten »Neugestaltung« habe ich verwunden, was allerdings — leider! — noch nicht heißt, daß ich deshalb schon Zeit gefunden hätte, meine geplante Artikelserie zum Thema »Gerechtigkeit & Freiheit« zur Publikationsreife gedeihen zu lassen. Aber wait and see ...

Doch nun, wie angekündigt, zu etwas ganz anderem:

Der ebenso hochwürdige wie auch sonst schätzenswerte Herr Alipius berichtet wohlwollend über eine »launige« Wortspende aus dem zwar exzellenten, doch m.E. nicht eben berufenen Munde des Salzburger Weihbischofs und zitiert dazu folgende Passage:
Was zieht die Menschen am Buddhismus an? Mein Verdacht: Es ist eine Weltanschauung, die zu nichts verpflichtet, sie kennt keine Gebote Gottes, für die der Mensch einmal Rechenschaft ablegen müsste!
Nun mag Weihbischof Laun sicherlich einige Ahnung von katholischen Dogmen und christlichem Glauben haben — aber vom Buddhismus versteht er offensichtlich nicht allzu viel.

Das wird, wenn man sicherheitshalber seinen ganzen Artikel auf kath.net durchliest, jedem, der sich nur ein wenig mit dieser Religion (sollte man dazu nicht besser »Religionsphilosophie« sagen?) auseinandergesetzt hat, beinahe schmerzhaft bewußt: mit einem Wort — er hat zwar keine Ahnung, davon aber jede Menge, wie der schnoddrige Schlußabsatz beweist:
Gott verhält sich wie ein richtig programmiertes GPS: Der Mensch kann hunderte Male einen anderen, falschen Weg einschlagen, Gott „berechnet die Route immer wieder neu“ und führt den, der sich führen lässt, hin zum Ziel aller Sehnsüchte, zu Gott. Auch die Buddhisten.
Wie schön, wenn hier jemand das Ziel »richtig programmiert« hat. Und Buddhisten dorthin führen läßt, wohin sie vielleicht garnicht wollten. Geführt von einem Laun-GPS, das das Ziel »aller« Sehnsüchte kennt. Wird eigentlich nur mir als libertärem Freiheitsfreund angesichts der dadurch vermittelten Unausweichlichkeit der Zielvorgabe etwas mulmig zumute? Und (ketzerische Frage, ich weiß!): wo ist hier eigentlich der Unterschied zur »Mentalität des vorgegeben richtigen Zieles«, wie wir es z.B. aus dem Munde geeichter Marxisten kennen ...?

Mittwoch, 16. Mai 2012

Meine Motivation sinkt rapide

... diesen Blog weiterzuführen. Soeben hat Blogger mein über die Jahre aufgebautes Design mit Zitatleisten etc. unwiderruflich — wenigstens ich wüßte nicht, wie ich es wieder herstellen sollte — zerstört, da ein Anklicken des »Vorlage«-Fensters, in dem man bisher in der »alten« Blogger-Oberfläche »watscheneinfach«, wie der Österreicher sagt, das Design anpassen konnte, mich ins Nirvana des ursprünglichen Minima-Designs führte.


Nun, das war's dann vermutlich. Ich weiß nicht, ob ich mir nochmals die Arbeit antue, all das irgendwie zu rekonstruieren. Falls ja, werden es meine Leser ja sehen. Falls nein, ebenso.


Adieu!

Der ESM — Europas neues Ermächtigungsgesetz.

In der ECHO-Ausgabe 1.2012 (bitte im PDF-File bis Seite 20 runterscrollen) findet sich ein keineswegs erbaulich zu lesender Artikel von Dozent Friedrich Romig unter dem Titel »Der geplante Verfassungs-Putsch im Mai«. Was dem Artikel an Erbaulichkeit fehlt, wird freilich durch seinen Informationsgehalt mehr als wettgemacht. Manchmal ist es von Vorteil, von kommendem Unheil wenigstens zu wissen, wenn man sich dagegen auch nur höchst unvollkommen (nämlich durch Auswanderung — aber wohin?) schützen kann.

Man mag Romig mögen oder nicht (ich mag ihn in vielen Bereichen, offen gesagt, nur recht schaumgebremst) — aberhier hat er leider völlig recht:
Wenn wir diesen geplanten Putsch nicht verhindern, wird die ESM-Mega- Bad Bank sich auf uns legen wie eine Krake und mit ihren Fangarmen noch den letzten Blutstropfen aus unseren Adern saugen, bevor wir endgültig im Schuldensumpf versinken..
LESEN!

Freitag, 4. Mai 2012

In den nächsten Tagen

... wird es auf diesem Blog vermutlich noch etwas ruhiger werden, als seit dem 1. April 2012. Der Grund ist einfach, daß ich eine Reihe längerer Artikel über grundlegende Fragen der Gerechtigkeit und Freiheit, der Demokratie und der Rechtstaatlichkeit und was dergleichen mehr an ungelösten Problemen (und unter den derzeitigen Verhältnissen wohl auch unlösbaren) unserer realexistierenden »demokratischen« Rechtsordnung sind.

Warum ich darüber dann überhaupt schreibe? Wohl nur, um mir in einigen Jahren nicht sagen zu müssen: als du sowas noch schreiben konntest/durftest, warst du zu bequem dazu. Jetzt ist es zu spät. Es wird nichts ändern, das ist mir bewußt. Außer für mich. Und das ist mir wichtig — trotz allem.

Donnerstag, 3. Mai 2012

»Das multikulturelle Modell wird hinterfragt«

Meint in höchst alarmiertem Ton der gestern vorgestellte Jahresbericht der »Europäischen Kommission gegen Rassismus und Intoleranz« (ECRI), einer der vielen Tarn- und Vorfeldorganisationen des Europarats.
Die Krise habe nicht nur die wirtschaftlichen Möglichkeiten von Zuwanderern und unterprivilegierten Minderheiten eingeschränkt. Durch Kürzungen von Sozialleistungen würden diese Gruppen nun auch vermehrt in die Armut abgedrängt. Und diese soziale Kluft „führt zu verstärkten Aggressionen auf beiden Seiten“, so der Bericht. „Das multikulturelle Modell wird hinterfragt.“ (Die Presse)
Seltsam, mir sind eigentlich die Verfolgungsjagden gegen arme Zuwanderer und »unterprivilegierte Minderheiten« (sind damit etwa bettelnde und ladendiebische Zigeunerbanden gemeint?) durch die autochthone Bevölkerung eher unbekannt. Also dürfte das Gesülze von »verstärkten Aggressionen auf beiden Seiten« sich — gutmenschlicher Vernebelungstaktik geschuldet — eigentlich nur auf eine Seite beziehen.

Und wenn dieses »multikulturelle Modell« nun hinterfragt wird, demzufolge wir Steuern und Sozialversicherung zahlenden Staatsbürger von Heerscharen von Scheinasylanten abgezockt werden und uns ohne mit der Wimper zu zucken mit den Segnungen neuester balkanesischer, kaukasischer, nordafrikanischer und kleinasiatischer Kriminalitätsmethoden vertraut machen lassen sollen, dann finde ich, daß der einzige Alarmismus, der da angebracht wäre, sich auf die Frage beschränkt, warum das alles nicht schon viel früher erkannt und bekämpft wurde, sondern erst jetzt, wo ein Gegensteuern mühsam, riskant und kostspielig ist.

Mittwoch, 2. Mai 2012

Axel Cäsar Springer

... ja, so hieß der tatsächlich mit vollem Namen, wurde heute vor hundert Jahren in Altona (heute Hamburg) geboren. Und ein Cäsar des Zeitungswesens in Deutschland nach 1945 war er ja, kein Zweifel. Mit der dazugehörigen Portion Größenwahn, wie seine ergebnislose Privatdiplomatie (Treffen mit Chruschtschow 1958) und sein ständiges Bemühen um politische Einflußnahme in der BRD bewiesen.

An Springer rieben sich die Linken ebenso wie die, die Deutschland nicht bloß als eine suzeräne Satrapie der Westalliierten definieren wollten. Springer konnte wohl nicht anders: als Patriziersohn eines Verlegers und Politikers konnte er die Linken nicht ausstehen (was ebenso begreiflich wie ehrenwert ist), als Zeitungslizenzinhaber von Gnaden der britischen Besatzer konnte er ein wirklich unanbhängiges Deutschland nicht wünschen (was ebenso begreiflich wie unehrenhaft ist). So schwankt sein Charakterbild, um Schiller zu bemühen, nicht in der Geschichte, sondern zeigt vielmehr die klare Kontur eines ebenso nach unten machtbewußten wie nach oben beflissenen Dieners seiner Herren. Und die saßen eben nicht in Deutschland (dessen heimlicher Gouverneur er wohl gerne gewesen wäre).

Seine berühmt-berüchtigten »redaktionellen Grundsätze« (1. Das unbedingte Eintreten für die friedliche Wiederherstellung der Deutschen Einheit in Freiheit - 2. Herbeiführen einer Aussöhnung zwischen Juden und Deutschen, hierzu gehört auch die Unterstützung der Lebensrechte des israelischen Volkes - 3. Die Ablehnung jeglicher Art von politischem Totalitarismus - 4. Die Verteidigung der freien sozialen Marktwirtschaft, nach seinem Tod um die »Unterstützung des transatlantischen Bündnisses und die Solidarität in der freiheitlichen Wertegemeinschaft mit den Vereinigten Staaten von Amerika« erweitert), nach denen Meinungsfreiheit in »seinen« Zeitungen gestaltet werden durfte, sprechen für sich. Als Libertärer befürworte ich natürlich das Recht eines Zeitungseigners, sein ihm gehöriges Medium nach Belieben zu gestalten — mir stößt es nur etwas gallig auf, wenn dieser Zeitungseigner seine konzentrierte Medienmacht erst auf der Basis einer Lizenzerteilung aufbauen konnte, die jeden nicht-lizensierten, und daher später Kommenden automatisch benachteiligte.

Wie ein Patriziersohn es mit seiner Lebenssicht vereinbaren konnte, ein letztklassiges Schundblatt wie »Bild« zu lancieren und zur — wie man zuletzt bei Wulff drastisch demonstriert bekam — machtarroganten Revolverpostille auszubauen, wird wohl auch für immer ein Geheimnis bleiben. Axel Springer, der sich immer so gerne groß- und bildungsbürgerlich gab, hatte wohl den altrömischen Grundsatz »non olet« tief internalisiert. Mußte ihn es deshalb wundern, wenn der Gestank, den dieses sein Erfolgsmedium verbreitete, und den er nicht wahrhaben wollte, dann doch an ihm hängenblieb?

Axel Springers größter Vorteil war wohl, daß seine verbissensten Gegner selbst zumeist mehr als dubiose Gestalten waren (man denke etwa an »IM Wagner«), sodaß er gegenüber solchen Subjekten noch immer als Saubermann mit korrekt geknöpfter Weste dastand. Aber es ist eben bloß die relative Überlegenheit, mit der der sprichwörtliche Einäugige unter den Blinden König ist. Und Einäugigkeit wird man Axel Springer ebensowenig absprechen können.

Ist dieser Hunderter also ein Gedenktag? Ja, aber wohl nicht in dem Sinne, den ihm die Springer-Presse zu geben versucht. Springer war nicht der Grand Old Man der deutschen Zeitungsszene. Er war der Marionettenspieler hinter manchen Kulissen der BRD. Aber einer, der selbst an Fäden hing. An (fast) unsichtbaren. Aber desto straffer gespannten ...

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P.S.: der empörte Aufschrei der Springer-Apologeten (mindestens 7-8 emp auf der nach oben offenen PPQ-Skala) zeigt an, daß die Charakteristik dieses Mannes wohl nicht so weit von der Realität geraten sein dürfte. Nun, das freut einen doch irgendwie.