Und schon bin ich dabei, meine guten Vorsätze zu brechen ... an sich wollte ich ja nur gemeinfreie Gedichte in diese Sammlung aufnehmen — aber an diesem Vierzeiler konnte ich einfach nicht vorübergehen.
Es ist nun wirklich nicht so, daß mir Bertolt Brechts Lyrik für gewöhnlich besonders nahe wäre — meist finde ich seine Agitation plump, viele seiner Reime abgegriffen. Doch mit der folgenden Strophe aus seiner »Kriegsfibel« (Nr. 47) hat er sich nach meinem Dafürhalten in den Olymp der immer zitierenswerten Gedichte (hin)eingeschrieben:
Es hatte sich ein Strand von Blut zu röten,Der ihnen nicht gehörte, dem noch dem.Sie waren, heißt’s, gezwungen, sich zu töten.Ich glaub’s, ich glaub’s. Und frag nur noch: von wem?
»Hundert notwendige Gedichte« (geordnet nach Autorennamen): Theodor Däubler – Richard Dehmel – Annette Droste von Hülshoff – Joseph von Eichendorff – Andreas Gryphius — Albrecht von Haller – Ricarda Huch – Li-Tai-Peh (übertragen von Egmont Colerus) – Conrad Ferdinand Meyer (1) | (2) – Wilhelm Raabe – Anton Wildgans (1) | (2) – Stefan Zweig.
2 Kommentare:
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Die Liebenden
Seht jene Kraniche in großem Bogen!
Die Wolken, welche ihnen beigegeben
Zogen mit ihnen schon als sie entflogen
Aus einem Leben in ein anderes Leben.
In gleicher Höhe und mit gleicher Eile
Scheinen sie alle beide nur daneben.
Daß so der Kranich mit der Wolke teile
Den schönen Himmel, den sie kurz befliegen
Daß also keines länger hier verweile
Und keines anderes sehe als das Wiegen
Des andern in dem Wind, den beide spüren
Die jetzt im Fluge beieinander liegen:
So mag der Wind sie in das Nichts entführen.
Wenn sie nur nicht vergehen und sich bleiben
So lange kann sie beide nichts berühren
So lange kann man sie von jedem Ort vertreiben
Wo Regen drohen oder Schüsse schallen.
So unter Sonn und Monds verschiedenen Scheiben
Fliegen sie hin, einander ganz verfallen.
Wohin ihr? - Nirgend hin. Von wem davon? - Von allen.
Ihr fragt, wie lange sind sie schon beisammen?
Seit kurzem. - Und wann werden sie sich trennen? - Bald.
So scheint die Liebe Liebenden ein Halt.
Mich hatte es ergriffen, als ich noch jung war.
Picasso konnte noch malen, Brecht konnte noch dichten. Weil beide noch ein nichtsozialistisches Bildungssystem durchlaufen durften.
Doch ihre Jünger huben an, das was gut war zu Tode zu "reformieren" - um zu beweisen:
Sozialismus = Tod!
Kreuzweis
Jetzt, cher Kreuzweis,
... bin ich, wie der Wiener sagt, einfach baff!
Was Brecht berifft, gebe ich Ihnen recht. Bei Picasso (dem nach dem Frühwerk) bin ich mir nicht mehr so sicher — aber ich habe auch wo gelesen, daß er irgendwann meinte, seine "modernen" Werke seien eigentlich nur Verarsche des Kulturbürgertums gewesen. Das erklärte freilich vieles ...
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