Samstag, 19. Juli 2014

Friedrich Sieburg

... wurde im Jahr 2004 aus Anlaß der 40. Wiederkehr seines Todestages von der Konkurrenz gelobt. Von der angeblich konservativen »Welt«. Und das las sich dann so:
Unter Kennern ist es schon lange Konsens: Er war einer der großen Stilisten deutscher Sprache, würdig einer editorischen Gleichbehandlung mit Kurt Tucholsky oder Alfred Polgar. Sein "Robespierre" zählt zu den wichtigsten Dokumenten einer dissidenten Literatur im Dritten Reich. Seine frankreichkundliche Publizistik prägt bis heute unser Bild des Nachbarlandes. Und was er nach 1945 für die intellektuelle Westbindung des deutschen Bildungsbürgertums getan hat, kann ebenfalls nicht hoch genug eingeschätzt werden. Und doch ist Sieburg wahrscheinlich der unbekannteste unter den bekannten Publizisten des vergangenen Jahrhunderts. Aus Anlass seines 40. Todestages am 19. Juli erschien gerade mal ein Artikel - in der "FAZ" referierte Jürg Altwegg über die Probleme, die noch heute die Franzosen mit ihm haben.

Im Übrigen geht alles schief. Kein Buch von ihm mehr vorrätig, seitdem Sieburgs Stammverlag, die DVA, seine Bücher aus dem Verkehr gezogen hat.
»Es scheint ein Fluch über Sieburg zu schweben. Warum? Welche Dynamik ist da wirksam?« fragt der Welt-Feuilletonist noch mit gerunzelter Denkerstirne. Ach geh! Welche »Dynamik«, wohl ...? Die Antifanten-Dynamik der Faschismus-Keule, guter Mann! Noch nicht behirnt, daß man als Mensch, der das Unglück hatte, sich zwischen 1933 und 1945 in Deutschland aufzuhalten, heutzutage eigentlich nur eine Chance auf eine faire Behandlung hat, wenn man nachweislich Jude, nachweislich schwul oder nachweislich links war/ist?! Sieburg ermangelte es da an allem ...

Sicher: Sieburg war kein Held des Widerstandes — das wären aber all die Maulhelden, die ihm das jetzt ankreiden, ebensowenig gewesen! Denn die machen beim kleinsten Stirnrunzeln des örtlichen Muselmanen-Imams, irgendeiner Gender-Kommission oder Frauenbeauftragten bereitwillig in jede Hose, die man ihnen hinhält. Journaillisten, die sich — allein die jüngste »Berichterstattung« über die Ukraine belegt es tausendfach — bereitwilligst zu Propagandapamphletisten instrumentalisieren lassen, wenn es denn bloß der Wille der jeweiligen Zeitungsmacher ist, schütten Häme aus über einen, der im kriegsführenden NS-Staat lieber überlebte, als im KZ als Widerständler zu krepieren — es ist nur mehr ekelerregend ...

Ja, sicher: Sieburg war nicht unbedingt ein angenehmer Mensch (das extrapoliert LePenseur mit seiner Menschenkenntnis mal aus einigen Porträtphotos und dem Stil und Duktus der Bücher und Rezensionen, die er gelesen hat).

Er konnte, zweifellos, arrogant und unduldsam sein, starrköpfig auf seiner Meinung beharren (all diese Eigenschaften teilte er übrigens mit seinem lispelnden Nachfolger MRR) — aber er konnte auch anders; z.B. zugeben, daß er fast ein Meisterwerk »verpennt« hätte:
Mitunter, nicht allzuoft, erfahren wir mit Überraschung, ja fast mit Schrecken, wie nahe wir daran waren, ein schönes und wichtiges Buch zu versäumen. Um ein Haar hätte ich dieses Buch »Sandkorn für Sandkorn« nicht gelesen und hätte mir damit leichtfertig ein großes Leseglück verscherzt.
... schrieb er über ein 1960 erschienenes Buch eines weithin unbekannten Schweizer Autors. Leicht wäre es für ihn gewesen, mit ein paar mäkelnden Anmerkungen zu »beweisen«, daß das Versäumnis kein so großes gewesen sei, um damit seine Position als allmächtiger Kritiker der Literaturszene zu untermauern. Sieburg reagierte anders — und seine Rezension brachte dem Buch (und damit dem Autor) den lange ersehnten Durchbruch aus der Enge der Schweiz in den gesamten deutschen Sprachraum.

LePenseur kennt nicht allzu viele heutige Rezensenten, die — ihre Allwissenheit und Bedeutsamkeit pretentiös vor sich hertragend — solch peinliches »Übersehen« freimütig eingestehen wollten. Davon, daß sie es auch nicht mit dieser Eleganz formulieren könnten, wollen wir doch lieber gleich absehen ...

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