Montag, 3. November 2014

Hundert notwendige Gedichte — XIX: Georg Trakl


Verklärter Herbst

Gewaltig endet so das Jahr
Mit goldnem Wein und Frucht der Gärten.
Rund schweigen Wälder wunderbar
Und sind des Einsamen Gefährten.

Da sagt der Landmann:
Es ist gut. Ihr Abendglocken lang und leise
Gebt noch zum Ende frohen Mut.
Ein Vogelzug grüßt auf der Reise.

Es ist der Liebe milde Zeit.
Im Kahn den blauen Fluß hinunter
Wie schön sich Bild an Bildchen reiht
Das geht in Ruh und Schweigen unter.


 Natürlich — seine »Raben« sind das unter Germanisten weit »berühmtere« Gedicht. Aber »Die Raben« kennt ohnehin jeder — und sie gefallen mir doch weit weniger als dieser »Verklärte Herbst«, dessen Idyll sich in den letzten beiden Versen als brüchig herausstellt — es ist ein großes Gedicht!



Georg Trakl starb heute vor hundert Jahren, am 3. November 1914, im Garnisonsspital Krakau, nach Einnahme einer Überdosis Kokain.








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