Mittwoch, 21. Januar 2015

Hundert notwendige Gedichte XXII — Heute vor zweihundert Jahren ist ein Mensch gestorben

Na, und? Jeden Tag sterben unzählige Menschen ...  ... Nun, aber es starb an jenem 21. Januar 1815 ein Mensch, der gedichtet hatte:

Der Mensch

Empfangen und genähret
Vom Weibe wunderbar
Kömmt er und sieht und höret
Und nimmt des Trugs nicht wahr,
Gelüstet und begehret
Und bringt sein Tränlein dar,
Verachtet und verehret,
Hat Freude und Gefahr,
Glaubt, zweifelt, wähnt und lehret,
Hält nichts und alles wahr,
Erbauet und zerstöret
Und quält sich immerdar,
Schläft, wachet, wächst und zehret
Trägt braun und graues Haar.
Und alles dieses währet,
Wenn's hoch kommt, achtzig Jahr.
Dann legt er sich zu seinen Vätern nieder,
Und er kömmt nimmer wieder. 


Es ist ein bekanntes Gedicht von Matthias Claudius (15.8.1740 - 21.1.1815) — wenngleich nicht sein bekanntestes (das ist unzweifelhaft das »Abendlied« mit seinem schönen Eingangsvers »Der Mond ist aufgegangen«, das geradezu ein »Volkslied« geworden ist). Und doch von ihm mein liebstes.

Und jedenfalls eines, das zu »meinen« hundert notwendigen Gedichten gehört ...





2 Kommentare:

Lichth hat gesagt…

Sehr schön! Das erinnert mich an eine berühmte Stelle aus Popes "Essay on Man": "Erkenn' Dich selbst, erforsch' nicht Gottes Kraft! / Der Mensch ist erstes Ziel der Wissenschaft. / Er steht am Isthmus, [...]" ---> http://nexvs8.blogspot.de/2012/11/ex-libris-5.html

Herzlich, JohannJunker

P.S.: Danke für Ihren wichtigen Blog, den ich leider erst jetztz entdeckt habe! Ich würde Sie gerne verlinken.

Le Penseur hat gesagt…

Cher M. Junker,

Aber bitte gerne, verlinken Sie ruhig! Bei Ihrem interessanten Blog brauche ich mich für eine Verlinkung nun wirklich nicht zu schämen ...

P.S.: »für Ihren wichtigen Blog ...« geht natürlich runter wie Butter ;-)