Nein, eigentlich keine Unterbrechung, sondern eine schöne Erinnerung — es war ein Urlaub wie dieser, genauer gesagt: vor rund einem Jahrzehnt, also deutlich vor dem sogenannten »Ägyptischen Frühling«, als ich im oberägyptischen Frühling mit Blick auf den Nil im Halbschatten einer Palme lag, und ein schon länger in meiner Bibliothek ungelesen stehendes Buch las: »Ravelstein«. Zwei ältere Männer, der titelgebende Held und der dessen Biographie schreibende Erzähler, »Chick« gerufen, alle beide Universitätsprofessoren, unterhalten sich, räsonnieren über den Untergang der Bildung in den USA, über die Probleme von Juden in Amerika (Ach Gottchen! Man fühlt sich an die diesbezüglichen, unvermeidlichen Nebenbemerkungen in Woody Allens meisten Filmen erinnert — »Jammern auf hohem Niveau«, kann man da nur sagen ...), über Gott und die Welt, und alle beide natürlich mit der unvermeidlichen, deutlich jüngeren Begleitung — beim Erzähler ist es eine junge, schöne Frau, beim Philosophie-Emeritus Ravelstein (so ganz in der έφηβοφιλία-Tradition antiker Philosophenschulen) ein schöner, junger, geheimnisvoller Mann.
Ein prall mit Leben und geistvoller Charakteristik erfüllter Roman, dem man nur negativ nachsagen kann, daß er in seinem letzten Teil weniger um den Professor Ravelstein, sondern um Chick und seine Fischvergiftung kreist — aber auch das ist interessant und lesenswert geschildert, ohne Frage! Es ist dies der letzte Roman des Autors, welchen er im Alter von 85 Jahren veröffentlichte: in manchen Schwächen (der Rezensent in der NZZ führte die »zahlreichen Wiederholungen und klappernden Sätze« an, sicher nicht ohne Berechtigung) ein typisches Alterswerk — und doch in vieler Hinsicht ein spätes, ein allerletztes Meisterwerk, in dem der weise Humor und die Fähigkeit seines Autors zu prägnanter Charakterisierung über die eine oder andere dazwischenliegende kleine Schwäche des Textes lässig hinweggleiten läßt. Wer selbst ohne Wiederholungen und klappernde Sätze ist, werfe den ersten Stein ...
Saul Bellow, Nobelpreisträger und wohl US-amerikanischer Schriftsteller κατ' ἐξοχήν, braucht den literaturkundigen Lesern dieses Blogs kaum vorgestellt zu werden. Romane wie »Herzog« und »Humboldts Vermächnis« stehen sicher in vielen ihrer Bücherregale — ob auch »Ravelstein«? Falls nicht: es ergeht die Empfehlung, in diesen Roman einzutauchen, in eine Zeit, in der ein renitenter alter Emeritus in seinem Privatissimum völlig unbekümmert unter einem »Rauchen-verboten«-Schild paffen konnte — und kein sitzpinkelnder Uni-Fuzzi es gewagt hätte, ihn deshalb zur Rede zu stellen. In eine Zeit, in der man noch Meinungen hören (und schreiben) konnte, bevor der totalitäre Kahlschlag der political correctness einsetzte, der bis heute andauert, der jede Meinungsäußerung auf ihre sozialverträgliche Zulässigkeit überprüft und zensiert, und die Wüste Gobi dagegen noch wie einen wild wuchernden Regenwald wirken läßt.
Saul Bellow wäre heute 100 Jahre alt geworden. Könnte, dürfte er heute »Ravelstein« noch schreiben — so schreiben, wie er ihn (be)schrieb? Wer diese Frage ohne Zögern mit »Ja« beantwortet, braucht den Roman nicht zu lesen. Er würde ihn wohl auch nicht verstehen ...
3 Kommentare:
Jau. Was dem beschnittenen Jupiter erlaubt ist, ist dem goyischen Ochsen noch lange nicht erlaubt.
D.a.a.T.
@ D.a.a.T.
Nein, es wäre »dem beschnittenen Jupiter« heutzutage wohl ebenso nicht erlaubt.
Daß Sie sich mit einer solchen off-topic-Wortmeldung äußern würden, war dafür irgendwie zu befürchten.
Sie brauchen den Roman auch nicht zu lesen — es wäre wohl Zeitverschwendung ...
Allerdings - traun fürwahr - es wäre Zeitverschwendung. Wer wollte das leugen bzw. bestreiten - das gilt zwar (heutigentags) für dasselbe, ist aber nicht dasselbe. Leugnen oder Bestreiten.
Ach, hauen wir uns nicht, ich will Ihnen wohl.
Auch kann ich Baruch Spinoza, Leo Perutz, Karl Kraus oder Stanislaw Lem durchaus etwas abgewinnen. Und wenn es nur das Haar in der Suppe ist, hehe.
D.a.a.T.
Kommentar veröffentlichen