von Fragolin
Es war eine herzzerreißende Geschichte. Als sich nach dem Konzert
des Pop-Sternchens Ariana Grande in Manchester ein friedensreligiöser
Sprenggläubiger zu seinen 72 Jungfrauen detonierte, überrollte eine
Welle der Hilfsbereitschaft die Stadt; jeder, der in der Nähe war,
eilte den Opfern zu Hilfe und rettete so viele Verletzte, wie er nur
konnte.
Ganz besonders hervorgetan hat sich ein junger Obdachloser, der
sofort zu den Verletzten eilte und in dessen Armen weinenden Auges
eine junge Frau an den Folgen des Attentates verstarb. Selbstlos
versorgte er Verletzte, half ihnen auf die Beine und zeigte der Welt
damit genau das, was sie sehen will: dass es eben herzliche,
selbstlose und wahrhaft gutherzige Menschen gibt, die jenseits des
Rennens nach Mammon im Schatten dahinvegetieren, deren wahres
Leuchten des Herzens im Dunkel der Schatten der Armut niemand sieht
und die erst in solch schrecklichen Minuten ihre wahrhafte Schönheit
zeigen, wenn gutbetuchte Menschen egozentrisch das Weite suchen. Die
Emotionen schlugen hoch bis in den Himmel, die Medien drängelten
sich um den rührenden Retter, erkoren ihn zum „Held von
Manchester“, ließen sich immer wieder seine Geschichte erzählen,
wie er den Verzweifelten Mut gab und den Verletzten auf die Beine
half und eine junge Frau in seinen Armen ihren Verletzungen erlag.
Und so erweichte er das Herz des ganzen Landes, denn wie konnte es
sein, dass so ein strahlender Held auf der Straße leben muss, dass
ihm nicht einmal ein Dach über dem Kopf bleibt? Eine
Fundraising-Seite wurde eröffnet und Spenden wurden gesammelt, denn
wie kann eine Gesellschaft es zulassen, diesen wahren Helden weiter
auf der Straße verkommen zu lassen, jetzt, wo jeder gesehen hat, was
für ein verehrungswürdiger Halbgott er ist? Mädchen spendeten ihr
Taschengeld, Frauen weinten ob des harten Loses dieses wundervollen
Helfers.
Bis die Polizei die Bilder der Überwachungskameras auswertete. Da
kamen plötzlich Zweifel an der Geschichte, denn irgendwie sah das
alles etwas anders aus, als der Gute in die Mikrofone der
bereitwillig von glückstrunkenen Jungjournalistinnen mit feuchten
Augen und vor Erregung bebendem Busen geheuchelt hat.
Nix da Hoffnung geben. Nix da auf die Beine helfen. Nix da Sterben in
seinen Armen.
Eine verletzte Vierzehnjährige hat er nicht unterstützt sondern
ausgeplündert und auch andere Verletzte hat er bestohlen, Handys und
Geldtaschen samt EC-Card kassiert, von denen er sich auch noch Geld
behoben hat. Am Ende
bleibt ein gesperrtes Spendenkonto, die Girlies bekommen ihr
Taschengeld zurück und der lügnerische Plünderer ein Dach über
dem Kopf, aber die Fenster vergittert.
Was ist jetzt daran so bemerkenswert? Ich meine, außer der Tatsache,
dass mal wieder die Realisten mit ihren fiesen Vorurteilen, die aus
Lebenserfahrung resultieren, im Recht geblieben sind. Daran hat man
sich ja schon gewöhnt.
Zwei Dinge gibt es zu bedenken.
Erstens:
Wenn die Polizei nicht auf der Suche nach den Hintergründen dieser
Bluttat eines irren Sprenggläubigen die Kameras ausgewertet hätte,
würde dieser Typ jetzt in einer von gutgläubigen Spendern bezahlten
Wohnung hocken und dort sein Hehlergut horten. Die Medien haben sich
auf die Geschichte gestürzt und diese hochgekocht, denn sie passte
in das politisch korrekte Weltbild vom edlen Obdachlosen, der, wäre
er auch noch schwarz und Transvestit und Geflüchteter gewesen,
wahrscheinlich zum Millionär geworden wäre. Man glaubte ihm jedes
Wort seiner tränenrührenden Lügengeschichte, weil man sie glauben
wollte. Weil sie passte. Weil sie richtig war. Denn es geht in
der postfaktischen Emotionsblase, in der unsere Gesellschaft in den
eigenen Untergang schwebt, nicht mehr darum, was real ist, es geht
darum, was sich richtig anfühlt.
Und diese Medien, diese einer plumpen Lüge frei- und bereitwillig
aufsitzenden Schreibknilche, die einen Dieb zum Helden hypeten,
einfach, weil sie es wollten, die wollen dem Rest der Welt das Recht
auf Berichterstattung absprechen, ja am Liebsten verbieten, weil alle
anderen Fake News verbreiten, wenn sie recherchierte oder selbst
beobachtete Vorgänge beschreiben, denn nur sie selbst sind die
Wahrheitsmedien, die Qualitäts-Nachrichtenproduzenten, die
Faktenchecker.
Die gefährlichsten Lügner sind die, die selbst glauben, nur die
Wahrheit zu erzählen.
Zweitens:
Wenn jeder einfach eine Geschichte erzählen kann, die leicht
emotional zu Beeinflussende und nach Glücksbesoffenheit Lechzende
ohne zu hinterfragen aufsaugen und glauben, einfach, weil sie sie
glauben wollen, weil sie in ihr Weltbild passen, ihre Ideologie
stützen, ihre innere Schulter klopfen weil sie schon immer wussten
dass die Wilden die besonders Edlen sind, und keiner hinterfragt, ja
hinterfragen darf, ob da überhaupt ein Körnchen Wahrheit zu finden
ist – dann kann jeder dahergelaufene Märchenerzähler mit einer
herzzerreißenden Geschichte über eine lebensgefährliche Flucht,
neben ihm im Hagel der Fassbomben niedersinkende Geschwister, tote an
den Strand gespülte Kinder und traumatisierende Verfolgung durch
brutale Schergen hier lächelnd diese postfaktisch-emotionsgeleitete
Idiotengesellschaft abkassieren, die für herzzerreißende Märchen
jeden Preis bezahlt und bereit ist, sich selbst für wundervolle
Geschichten abzuschaffen.
Wenn schon ein einziger britischer Obdachloser die ganze Gesellschaft
hinters Licht führen kann, wie ist das dann mit unseren Politikern
und Medienschaffenden, die mit Märchen über arme Flüchtende und
traumatisierte Kinder, die in Aleppo in den Armen ihrer sterbenden
Eltern dem Verbrennen ihres einzigen Teddybären zusehen müssen, die
emotionsgeleiteten Heulsusen mit tränenrührigem Gefühlsgedusel
versorgen und die Gesellschaft in Wellkammbesoffenheit manipulieren?
Traue niemandem.
Schon gar nicht jemandem, der die Macht hat, dich zu bescheißen,
Denn die Macht zu besitzen, heißt, sie zu benutzen. Sagt der Realist
mit Lebenserfahrung.
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