Dienstag, 23. Januar 2024

Zu Österreichs Neutralität

von Helmut
 
 
Anlässlich des österreichischen Staatsfeiertags und der diesbezüglichen traditionellen Einladung des Konsuls in Hermannstadt (Sibiu) habe ich mir die Rede der scheidenden Botschafterin angehört. Danach wollte ich noch einmal den Text zur Kontrolle (der ja von ihr abgelesen wurde), habe aber keine Antwort bekommen. Würde ich das nun urgierend auf die Spitze treiben, würde ich sicher nicht mehr zum Empfang des Konsuls in Siebenbürgen eingeladen. Aber die Kontakte, die Gespräche mit den Eingeladenen sind mir wichtig ...

Unter einem früheren Artikel habe ich in einer Kommentarantwort an Kollegen Franz Lechner angekündigt, den Brieftext vielleicht doch zu veröffentlichen, denn seine Einwendungen sind berechtigt, dieses Schreiben zu veröffentlichen, das ich eigentlich nur der österreichischen Botschafterin zukommen lassen wollte, und aus dem einfachen Grund nicht abgeschickt habe, weil ich mir die Rede im Original nochmal vorher zur Kontrolle genau durchlesen wollte weil ich mich eben auf Punkte in der Rede bezogen habe, die ich bloß im Gedächtnis hatte. 
 
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Ihrer Exz., Frau Mag. Adelheid Folie
Botschafterin der Republik Österreich 
in Rumänien
 
 
Sehr verehrte Frau Botschafterin, 

 

es hat mich gefreut, Sie bei dieser Veranstaltung in Hermannstadt anlässlich des Österreichischen Staatsfeiertages aufgrund der freundlichen Einladung unseres Generalkonsuls, Herrn Huber, begrüßen zu können. Natürlich habe ich aufmerksam Ihren Worten zugehört. Dabei sind mir einige Dinge aufgefallen, die mir im Nachklang zu denken geben. Es handelt sich um Inhalte, die ich vermisst habe und andere, die ich in Ihrer Ansprache in dieser Form als nicht passend empfunden habe.

Es handelt sich vor allem um zwei Punkte. Erstens:

Die Erinnerung an diesen Tag im Jahre 1955 fußt auf dem Staatsvertrag, abgeschlossen am 15. Mai 1955, aber der 26. Oktober 1955 ist der Tag, an dem das Bundesverfassungsgesetz über die Neutralität Österreichs beschlossen wurde. Ich möchte da nur den wichtigsten Punkt erwähnen, nämlich den Artikel 1:

(1) Zum Zwecke der dauernden Behauptung seiner Unabhängigkeit nach außen und zum Zwecke der Unverletzlichkeit seines Gebietes erklärt Österreich aus freien Stücken seine immerwährende Neutralität. Österreich wird diese mit allen ihm zu Gebote stehenden Mitteln aufrechterhalten und verteidigen.

(2) Österreich wird zur Sicherung dieser Zwecke in aller Zukunft keinen militärischen Bündnissen beitreten und die Errichtung militärischer Stützpunkte fremder Staaten auf seinem Gebiete nicht zulassen.

Dieser Tag, nämlich der 26. Oktober, wäre der Tag, an dem man auch in Hermannstadt auf diesen Artikel verweisen respektive diesen in Erinnerung rufen sollte. Nun stellt sich die Frage, wie man im Absatz (1) folgenden Satz zu interpretieren hat:

Österreich wird diese mit allen ihm zu Gebote stehenden Mitteln aufrechterhalten und verteidigen.

Wenn Sie die militärischen Konflikte in der Ukraine und in Israel in der Form bewerten, wie Sie es getan haben, dann kann ich da keine Neutralität mehr erkennen. Ihre private Meinung darüber werde ich immer akzeptieren, dann auch dafür haben Sie jedes Recht. Aber als Botschafterin, als Beauftragte des Ministeriums, das einer amtlichen Regierung untersteht, da verbietet sich meiner Meinung nach diese Bewertung, wie Sie das ausgedrückt haben. Das ist bereits parteiisch, und nicht mehr neutral.

Es sei denn, dass Ihnen diese Formulierungen von Wien aus vorgegeben wurden, um die Bevölkerung mental und systematisch an ein Militärbündnis wie z.B. die NATO, zu gewöhnen. Das aber wäre gegen jegliche vertragliche Vereinbarung des Jahres 1955.

Zum anderen Punkt:

Die österreichische Botschaft, der Sie vorstehen, ist der Ansprechpartner für alle Österreicher, die sich in Rumänien aufhalten. Nicht nur für die Privatpersonen, auch für die österr. Firmen. Mit Sicherheit sind Sie auch darüber informiert, welche negativen Auswirkungen diese Blockade der österr. Regierung in der EU hinsichtlich des Schengenbeitrittes von Rumänien und Bulgarien hat.

Ich möchte hier, um nicht theatralisch zu werden, keine Fotos von den kilometerlangen Staus an den Grenzen der Lastzüge anfügen, von der menschenverachtenden Art und Weise, was die LKW-Fahrer dabei durchzumachen haben. Ich habe es mehrmals beobachten müssen.

Die Gegenargumente der österr. Regierung sind mir bekannt. Aber jedem, der sich intensiv mit den Informationen befasst, die nicht in den öffentlich-rechtlichen (also von der Regierung bezahlten) Medien zu finden sind, der weiß auch, dass diese Argumente nur vorgeschoben sind. Wir beide können das nicht ändern, weder Sie noch ich.

Aber es wäre meiner Meinung nach angebracht gewesen, schon aufgrund der vielen Repräsentanten der österr. Firmen in Rumänien, die im Saal anwesend waren und die genauso darunter finanzielle Verluste erleiden und dringend auf eine Lösung warten, diesen Punkt wenigstens anzusprechen. Aber davon habe ich nichts gehört.

Meine persönliche Beurteilung:

Es mag löblich sein, sich am österreichischen Staatsfeiertag mit den Problemen in anderen Ländern, wie z.B. in der Ukraine oder in Israel, auseinanderzusetzen. Aber wenn diese Themen nur dafür geeignet sind, von den viel naheliegenderen Problemen, in Österreich, in Rumänien und in den bilateralen Beziehungen dieser Länder, abzulenken, dann fragt man sich als aufmerksamer Zuhörer: "Warum?"

Es wurden von den Regierungen Entscheidungen getroffen, ohne das Volk zu befragen, und diese Entscheidungen hatten fatale Auswirkungen auf den Lebenswert der Bevölkerung, auf allen möglichen Ebenen. Nicht nur auf die Energieversorgung, auch die Güter des täglichen Bedarfs waren davon betroffen.

Diese einseitige Orientierung in Richtung des westlichen Militärbündnisses wurde Rumänien als Mitgliedsstaat der NATO auferlegt, aber Österreich hätte überhaupt keine Veranlassung gehabt, in diversen verbalen politischen Proklamationen die Neutralität zu verlassen. Genau das aber ist passiert, und deshalb hat Österreich die Rolle des neutralen Vermittlers in vielen politischen Bereichen verloren, und damit nach Genf abgegeben. Wien ist in dieser Richtung unbedeutend geworden.

Zum Abschluss:

Ich schätze Sie als Person außerordentlich, zumal Sie mir noch als jemand in Erinnerung sind, der auch gegensätzliche Meinungen akzeptiert, auch dann, wenn sie nicht der eigenen Meinung entsprechen. Das findet man mittlerweile bei Leuten, die in politischer Betätigung sind, eher selten.

Aus diesem Grund bedaure ich Ihren Weggang aus Rumänien, wünsche Ihnen aber auch bei Ihrer neuen Tätigkeit im Ministerium viel Erfolg und vor allem Gesundheit, für Sie und Ihre Familie, und verbleibe

Mit vorzüglicher Hochachtung [...]
 

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