von LePenseur
Des Großmeisterss der französischen Musik der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts, Camille Saint-Saëns, wurde auf diesem Blog aus Anlaß der 100. Wiederkehr seines Todestages bereits vor rund zwei Jahren ausführlich gedacht, und auch sein Weihnachtsoratorium, eine der schönsten Kompositionen in der Kirchenmusik Frankreichs jenes Jahrhunderts, wurde in zwei Interpretationen (1) (2) vorgestellt — doch warum so ein schönes Werk nicht nochmals (und diesmal zum Mitlesen mit Partitur) bringen:
Es ist eine recht frische, zügig dirigierte Interpretation (ohne deshalb etwa gehetzt zu wirken), die ihren unbestreitbaren Charme hat. Die einzelnen Teile des Werkes sind:
00:10 - 1. Prélude dans le style de Seb. Bach (organ and strings)
03:16 - 2a. Recitative: “Et pastores erant” (Soprano, Alto, Tenor, Baritone soloists, organ, strings)
06:42 - 2b. Chorus: "Gloria in altissimis" (mixed chorus, organ and strings)
07:59 - 3. Air: "Exspectans expectavi" (Mezzo-soprano soloist, organ and strings)
11:05 - 4. Air and chorus: “Domine, ego credidi” (Tenor solo, women's chorus, organ and strings)
14:12 - 5. Duet: “Benedictus” (Soprano and Baritone soloists, organ and harp)
18:01 - 6. Chorus: “Quare fremuerunt gentes” (mixed chorus, organ and strings)
21:23 - 7. Trio: “Tecum principium” (Soprano, Tenor, and Baritone soloists, organ and harp)
25:27 - 8. Quartet: “Laudate coeli” (Soprano, Mezzo, Alto, and Baritone soloists, organ, strings)
27:46 - 9. Quintet and chorus: “Consurge, filia Sion” (all five soloists, chorus, organ, strings, harp)
32:56 10. Chorus: “Tollite hostias” (mixed chorus, organ and strings)
Von einer anderen Aufnahme (zu dieser gibt es nur eine englische, durchaus profunde Beschreibung) entnehme ich die folgende Analyse des Oratoriums:
1858, zu seinem zweiten Weihnachtsfest im Amt als Organist der Église de
la Madeleine in Paris, stellte Camille Saint-Saëns sein „Oratorio de
Noël“ vor, ein lateinisches Weihnachtsoratorium nach Worten der Heiligen
Schrift in der Fassung der Vulgata. Liturgisch gesehen, beschränkt sich
das Werk streng auf die Verse 8 bis 14 aus dem zweiten Kapitel des
Lukasevangeliums, also die Verkündigung an die Hirten. Daran schließen
sich umfangreiche Betrachtungen auf biblische Texte aus dem Alten und
Neuen Testament an, die Saint-Saëns raffiniert gestaffelt hat: Von
solistischen Arien weitet sich die Perspektive kontinuierlich über
Duett, Terzett und Quartett bis hin zum Quintett mit Chor und dem
folgenden Schlusschor.
Mit zehn Nummern und 40 Minuten Spieldauer ist es
für die Epoche ein eher knappes Werk, zudem im Stil schlicht gehalten.
Dennoch blieb der junge Komponist dem rührenden Sujet an
Stimmungsmalerei nichts schuldig.
Unverkennbar handelt es sich um Musik eines Organisten, beschränkte sich
Saint-Saëns im Orchester doch auf Streicher, solistische Orgel und die
von ihm so geliebte Harfe. Das Orchestervorspiel wird von der Orgel
einer Hirtenweise eröffnet. Saint-Saëns dachte sich dieses Präludium
„dans le style de Séb. Bach“, im Stile von Bach. Im weich schwingenden
Siciliano-Rhythmus spielte er auf die Sinfonia zum zweiten Teil des
„Weihnachtsoratoriums“ an und suggerierte damit – wie Bach – das Bild der
musizierenden Hirten auf dem Feld bei Bethlehem, bevor der Engel
erscheint.
Freilich mischten sich dem Franzosen auch andere Farben ins
Bild: Anklänge an französische Dreh-leiermusik und Reminiszenzen an die
„Noëls“, jene pastoralen Weihnachtsstücke, die französische Organisten
in der Christmette zu improvisieren pflegen.
Es folgen die Verse 2, 8-14 aus dem Lukas-evangelium, vorgetragen von den
vier Solisten im Wechsel. Das Rezitativ wirkt bei Saint-Saëns
archaischer als bei Bach, angelehnt an den Rezitationston der
katholischen Liturgie und von der Orgel in lange ausgehaltenen Akkorden
begleitet. Lediglich bei den Verkündigungsworten geht der Sopran in ein
hochromantisches Arioso über, das seine höchste Emphase bei den Worten
„Christus Dominus“ erreicht.
Erst beim „Gloria in excelsis Deo“ setzen
auch die Streicher ein. Dabei ließ Saint-Saëns seine Engel über
Bethlehem nicht in barockem Überschwang jubilieren, wie es Bach und
Händel taten, sondern im strengen Kirchenstil Palestrinas.
Den Reigen der Arien eröffnet der Sopran in sanft schimmerndem E-dur und
im Ton demütiger Heilserwartung („expectans expectavi Dominum“).
Inbrünstiger und schon weit über Weihnachten hinaus weisend besingt der
Tenor das Warten der Gläubigen auf den Erlöser („Domine, ego credidi“).
Der Chor stimmt demütig in seinen Gesang ein. Erst die Harfentöne des
folgenden Duetts verwandeln das Kommen des Messias in eine pastorale
Genremusik: „Benedictus qui venit in nomine Domini“. Über quasi
hingetupften Akkorden der Harfe und der Orgel stimmen Sopran und Bass
eine Art weihnachtlicher Barcarole an. Bei der Stelle „Deus meus“ gehen
sie in innigen Choralgesang über. Der Kontrast zum folgenden Chorsatz
könnte kaum größer sein: Das „Warum toben die Heiden?“ vertonte
Saint-Saëns ganz im Stile Händels: als wuchtigen Aufruhr der Chorstimmen
über einem kräftigen Unisono-Thema der Streicher. Umso rührender der
fast süßliche Schluss dieses Satzes.
Hochromantisches Arpeggio der Harfe begleitet das Terzett „Tecum
principium“, während das „Alleluja“-Quartett wie ein Weihnachtschoral im
Dreiertakt daher kommt. Seinen Höhepunkt erreicht das Oratorium in dem
Quintett mit Chor „Consurge, Filia Sion“. Hier hat Saint-Saëns die Musik
des Prélude wieder aufgegriffen. In die pseudo-Bachischen Harmonien der
Hirtenmusik tönen nun die Solisten hinein. Ihr Wechselgesang zwischen
Frauen- und Männerstimmen gleicht einem Weihnachts-hymnus, in den der
Chor immer wieder mit seinem „Alleluja“ einstimmt. Der Choralsatz eines
schlichten Weihnachtsliedes beschließt das Werk.
6 Kommentare:
Es hat die Dimensionen einer attischen Tragödie: Warum ist „Le Penseur“ nicht der Leitende Musikredakteur bei der FAZ, oder der NZZ oder der NYT geworden?!? Da wäre er ganz bei sich selbst angekommen und eine weltweit geachtete, ja bewunderte Institution. Und würde niemals Gefahr laufen in die Gosse abzurutschen, wie das bei seinen „politischen Fingerübungen“ beklagenswerterweise immer wieder geschieht, unter dem verhängnisvollen Einfluss falscher „Freunderln“.
Anonymling: Interessant, warum Sie hier in dieser "Gosse" überhaupt mitlesen? Sollten Sie sich vielleicht in einer solchen wohlfühlen? Die Musikbeiträge selbst scheinen Sie ja nicht besonders zu interessieren, jedenfalls bleiben Sie jegliche materielle Einlassung schuldig. Dass Sie Saint Saens op 12 kennen und dies als nicht näher zu kommentierende Selbstverständlichkeit voraussetzen, kann man bei Ihnen ausschließen. Mit Ihrem Horizont scheint es nämlich nicht allzu weit her zu sein. Ein "Musikradakteur" bei einem Ihrer erwähnten Blattln scheint einerseits das höchste zu Erreichende in Ihrer Gedankenwelt zu sein. Andererseits dürften Sie der Welt der Klassik so fernstehen, dass Sie jeden Liebhaber gleich mit einem leitenden Posten im sog. Qualitätsjournalismus in Verbindung bringen. Ganz offenbar können Sie mit dem Penseur, einem seinerzeit ganz typischen Exponenten des Wiener Bildungsbürgertums, das beruflichen Erfolg, Intellekt, politischen Instinkt und klassische Bildung mit Selbstverständlichkeit in sich vereinigen konnte, nicht das Geringste anfangen. Ihr angestrengt gehässige und dabei höchst hilfloser Kommentar, typisch für den in der heutigen Linken sehr häufig zu beobachtenden Hass des Zukurzgekommenen, macht das überdeutlich.
Cher Penseur, zur Sache - bei aller Frankophilie, aber dieses opus haut mich nicht vom Hocker, ganz nach dem Motto: gewogen und für zu leicht befunden. Auch die Mischung mit der Orgel sagt mir rein klanglich nicht zu. Trotzdem danke für diese Anregung.
Werter Herr Lechner,
Ihre Beschimpfung des "Anonym" als Kretin, Linker und Ungebildeter aufgrund eines Postings, der nicht den geringsten Anhaltspunkt in dieser Richtung gibt, weist auf Sie selbst zurück und führt uns einmal mehr vor Augen, wie die von den extremen Rändern unterwegs sind, die das Heil von Putins Reich erwarten.
Wenn der "politische Instinkt" des Penseur so exzellent wäre, wie Sie bewundernd notieren, dann hätte er es nicht nötig, seinen Blog aufgrund dessen "politischer" (besser: ideologischer) Inhalte auf irgendeinem unerreichbaren Server in (ausgerechnet) den USA oder einem ihrer Satelliten in die Welt zu streuen.
Er weiß, warum er das macht. Und Sie wissen's erst recht... :-)
Musik mit Orgel mag ich nicht. Die Orgel steht als Kircheninstrument für christentümelnden linksgrünversifften Gutmenschengeist. Man gehe nur in eine x-beliebige Kirche, höre sich eine linksgrüne Suada des "Hochwürden" an und danach, wie die Orgel darüber ihre klebrige Sauce gießt.
Geschätzter Herr Collega,
das Requiem von Saint-Saëns ist zweifellos viel tiefgründiger! https://www.youtube.com/watch?v=yv6XFrQHthU
Aber das paßt halt irgendwie nicht auf einen Sonntag der Nachweihnachtszeit ...
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Cher Germanicus,
... für christentümelnden linksgrünversifften Gutmenschengeist
O Gott! Wenn Bach das liest auf Wolke 7 — der pinkelt sich vor Lachen an über so viel flagrante Unbedarftheit — und wir haben wieder eine Überschwemmung irgendwo auf der Welt ...
Sonst geht's aber noch gut?
Mein Rat — hören Sie mal da rein: https://www.youtube.com/watch?v=gQMUTuNfBww
Oder da: https://www.youtube.com/watch?v=uoiXvQhWrKY
"Linksgrünversifft"? Lachhaftes Banausentum!
Lieber Daschauher, das mit dem Kretin haben Sie gesagt. Ich kann Ihnen nicht gut widersprechen, denn vielleicht kennen Sie den Anonymling besser. Ansonsten sind Ihre engagierten Kommentare nicht von Fachwissen geprägt bzw einfach inferior argumentiert. Was hat der Serverstandort mit politischem Instinkt zu tun? So was kann nur ein elendiger Konformist schreiben, für den nicht sein kann, was nicht sein darf.
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