Montag, 3. Oktober 2016

Es war sicher keine Sternstunde der Dicht- und Tonsetzkunst

... als sich der damalige Staatskanzler Deutsch-Österreichs, Dr. Karl Renner (nach 1945 dann der erste Bundespräsident der Zweiten Republik) als Text"dichter", und der populäre Opernkomponist Wilhelm Kienzl 1919/20 als Joseph-Haydn-Ersatz versuchten, und folgende "Volkshymne" verbrachen:

Kleine Anmerkung zwischendurch: es ist lobenswert, daß das Video ganz korrekt das Wappen der (Ersten) "Republik Österreich" ohne die heutigen gesprengten Ketten zeigt, andererseits schüttelt es einen, wenn man einen in Fraktur geschriebenen Text ohne typographisch richtiges "langes S" (das gibt's übrigens auch in Antiquaschriften, und sieht wie folgt aus: ſ bzw. in kursiv ſ ) geschrieben sieht!

Wilhelm Kienzl hat durchaus Besseres geschrieben. Nicht unbedingt gemeint damit sein bekanntestes Werk, "Der Evangelimann", dessen große Paradenummer sogar trotz Fritz Wunderlichs herrlichem Timbre und Interpretationskunst eine gewisse "Schmachtfetzigkeit" nicht abstreifen kann:


(wer sich nach dieser Kostprobe noch die ganze Oper antun will: hier werden Sie in einer historischen Aufnahme, mit dem großen Julius Patzak in der Titelpartie, geholfen ...)

Kienzls zweite erfolgreiche Oper (wenn auch an Massenwirkung mit dem Evangelimann keineswegs vergleichbar!), "Der Kuhreigen", gab ihm Gelegenheit, das Talent als "absoluter Musiker" in seinen Symphonischen Variationen über das Straßburglied ("Zu Straßburg auf der Schanz") op. 109a unter Beweis zu stellen:


Wilhelm Kienzl schrieb v.a. Opern, insgesamt zehn, von denen sich allerdings nur die vorerwähnten zwei durchsetzen konnten, bis auch diese nach 1945 (natürlich, ist man bei einem Komponisten præ Atonalität zu schreiben versucht!) fast völliger damnatio memoriæ anheimfielen.

Seine durchaus hörenswerten Kammermusikwerke (Streichquartette, Trios etc.), aber auch die vielen Klavierstücke, Lieder und Chorkompositionen sind so vergessen, daß von ihnen nicht einmal ein einziges Stück auf Youtube auffindbar ist.

Heute vor fünfundsiebzig Jahren, am 3. Oktober 1941, ist der 84-jährige Komponist verstorben. Er ruht in einem Ehrengrab auf dem Wiener Zentralfriedhof (Gruppe 32 C, Nummer 20, wie Wikipedia so pietätvoll wie exakt verzeichnet). Ob es jemals im Diesseits der Opernhäuser und Konzertsäle für seine Musik eine Auferstehung geben wird, ist nicht abzusehen ...

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