Dienstag, 11. Oktober 2016

Ein Unterschied im literarischen Niveau

... aber sonst durchaus brandaktuellen Schlagzeilen vergleichbar: heute vor 18 Jahren hat der deutsche Schriftsteller Martin Walser vermutlich seinen Literaturnobelpreis in den Wind geschossen. Eine Rede, die er für seine Nobel-Karriere besser nicht hätte halten sollen. Stockholm hat sich gerächt, und seitdem nur mehr Halb- bis Nicht-Talente der deutschen Schriftstellerei preisgekrönt.

Das hat es zwar schon davor zumeist (Mann und Hauptmann mögen als Ausnahmen dagegenhalten), und noch wichtiger: wer aller aus dem wahren Olymp deutscher Literatur nicht nobelitiert wurde, ist noch weitaus bestürzender!

Umso achtenswerter, daß er sie hielt! Und ein Bubenstück, wie sie ihm ausgelegt wurde ... aber auch das sind wir gewohnt, in unserer "freien", "demokratischen", "liberalen" Gesellschaft des Westens ...


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P.S.: ich weiß, daß Walser in jüngeren Jahren so links war, daß ich meine Augachse nicht einmal so weit drehen könnte, ums noch zu sehen. Und ich weiß, daß ich mit vielen seiner Ansichten zu vielen Fragen auch heute nicht im mindesten konform gehen kann. Dennoch: er kann schreiben, wie nur wenige in deutscher Sprache! Genau genommen: wie derzeit eigentlich kein einziger (ich nehme vorsichtshalber in Gedanken einmal Christoph Hein aus ...). Da ich Dichter aber nicht nach ihrer politischen Heimat, und Politiker nicht nach ihren Lieblingsgedichten zu beurteilen pflege, ersuche ich, auf Kommentarhinweise über seine politischen Positionen zu verzichten. Danke.


P.P.S.: Ist es nicht eine Schande, daß in der deutschen Wikipedia zwei aufgebauschte Randthemen, besagte Rede nämlich, und eine bombastisch aus dem Finger gesaugte "Haltung zum Judentum" vom eigentlichen Textteil des Artikels (der Rest sind Werkverzeichnis, Ehrungen etc.) fast die Hälfte rauben, und zu seinen literarische Qualitäten bestenfalls einige Zeilen zu finden sind?

5 Kommentare:

eulenfurz hat gesagt…

Eigentlich ist die klassische Literatur unser Metier: Goethe, Kleist, Storm, Schiller; Lyrik und Epik. Irgendwann in jugendlichen Momenten taten wir uns auch einige mehr oder weniger seichte Romane der Kaiserzeit (bspw. Karl May, freilich nicht die Indianerschinken) oder Bücher der NSDAP-Kulturbuchreihe an, später dann auch Walsers "Tod eines Kritikers" und andere neuere Bücher; "Unterwerfung" und "Heerlager der Heiligen" waren die letzten. Man muß nüchtern konstatieren, daß sich der Verfall an Kultur auch in der Literatur manifestiert: Walser wäre in der Klassik überhaupt nicht publiziert und in der Kaiserzeit bei der Schundliteratur eingeordnet worden, vielleicht im 3. Reich unter ferner liefen ... und das nicht, weil er etwa links oder oben oder zwischendrin sei, sondern allein aufgrund seiner schriftstellerischen Mittelmäßigkeit.

Wer aufmerksam durch die Zeiten segelt, erkennt die Erbärmlichkeit der heutigen Epoche. Das sei ihm kein Vorwurf - wir sind alle betroffen und im weiteren Sinne an die Gegebenheiten angepaßt. Immerhin: Wenn die Sonne der Kultur niedrig steht, werfen selbst Zwerge lange Schatten!

Fragolin hat gesagt…

Wer verfasst denn das Feuilleton, wer meinungsdeutet denn in den Medien und der Wikiblödia?
Ich möchte es mit den treflichen Worten des Herrn Klonovsky, der mir diese Raubkopie verzeihen möge, sagen:
"Die Zugehörigkeit zum intellektuellen Pöbel manifestiert sich in keiner Eigenschaft deutlicher als in der Unfähigkeit, die literarische Qualität eines Textes zu würdigen, dessen inhaltliche Tendenz einem zuwider ist."

Le Penseur hat gesagt…

Chère Eulenfurz,

gestatten Sie, daß ich Ihnen entschieden widerspreche. Martin Walser wäre m.E. auch zu Goethes ein bedeutsamer Schriftsteller gewesen und keineswegs unpubliziert geblieben. Sicherlich hätte er völlig andere Werke geschrieben als heute, aber ich gehe davon aus, daß auch ein Goethe heute anders schriebe als zu seiner Zeit. Und trotzdem ein Goethe wäre ...

Sicher ist auch bei Walsers Werken nicht jedes ein Meisterwurf (was übrigens auch auf Goethe zutrifft), aber doch immerhin eine Reihe von Romanen ist meisterlich geschrieben und von geradezu suggestiver Kraft. Ich erinnere mich da bspw. an die "Brandung", die mit einer Handlung, die im Grunde auf einer halben Seite erzählt werden kann, über einen ganzen Roman eine Spannung halten kann, eine Dichte der Atmosphäre vermittelt, eine präzise Sicht von Personen und ihren Verhältnissen zueinander und zum Leben vermittelt, die man sonst kaum wo findet.

Das Zwerge-Diktum wird bei vielen heutigen Autoren berechtigt sein, ohne Frage ...

Doch noch am wenigsten (wenn überhaupt!) bei Martin Walser.

Von Bülow hat gesagt…

Ach, verehrter Penseur, wie schön wäre es, Sie würden Ihren Blog ausschließlich kulturell ausrichten. Als Feuilletonist sind Sie im Netz fast ein Solitar, kongenial zu einem Joachim Fest.
"Politisch Lied, ein garstig Lied" - Goethe hätte bei dieser Feststellung auch Ihren Blog vor Augen haben können. Bitte mehr Goethe und Walser und weniger Mutti und Trump...

Le Penseur hat gesagt…

Sehr geehrter Herr von Bülow!

Leider sind die aktuellen Zeitläufte nicht so, daß ich guten Gewissens einen Blog à la Professore "Silvae" betreiben möchte ... ganz davon abgesehen, daß jener Blog ja bereits (und höchst erfolgreich, wenn ich dessen Zugriffszähler so ansehe!) besteht, und ein "reiner" Kulturblog meinerseits also irgendwie bloß eine Doublette wäre. Und wer braucht das schon?!

Nein: wenn Sie in der Historie meines Blogs zurückblättern, werden Sie von Anfang an ein Themenbündel finden, das

1. mich interessiert (und das ist mir, sorry für diesen blanken Egoismus, immer noch am wichtigsten), und
2. offenbar auch meine Leser halbwegs ansprechen dürfte (sonst hätte ich nicht die mittlerweile doch ganz netten Zugriffszahlen).

Und dieses Themenbündel besteht eben - da ich ein eminent politikinteressierter, "weltanschaulicher" Typ bin - auch (und zu erheblichem Prozentsatz) aus politischen Liedern, die, nach Lage der Dinge, leider oft genug Bocksgesänge werden (müssen).

Ich habe auch festgestellt, daß meine "reinen" Kulturartikel leider nur von einer kleinen Minderheit meiner Leserschaft wirklich goutiert werden. Was mich nicht daran hindert, immer dann, wenn mir etwas wichtig ist, dies trotzdem zu bringen (auch wenn's fast keiner liest)!

Aber ein lieber Bekannter aus dem Norden hat mir attestiert, daß die Mischung auf meinem Blog eben einzigartig ist: Politik, Geschichte, Kunst, Literatur, Musik, schöne Frauen - alles ist hier vereint in bunter Reihung.

Wenn Ihnen meine politischen Lieder zu garstig (oder meine Pin-ups zu blond ;-) ...) sind, dann überschlagen Sie sie doch einfach! In meiner Tag-Leiste (rechter Side-bar) finden Sie unter den Stichworten "Bildende Kunst", "Gedenken", "Histroy revisited", "Kulturerbe", "Literatur", "Malerei", "Musik", "Philosophisches" und "Wort zum Sonntag" sicherlich genug Artikel, um Sie einige Zeit zu beschäftigen.

Und es kommen auch immer wieder welche nach ...