Dienstag, 4. Oktober 2016

Auf besonderen Leser(innen?)-Wunsch ...

... wird eine Übersetzung des Bronner-Liedes »Die Schönheitskonkurrenz« ins Reichsdeutsche versucht. Eine echte »Nachdichtung auf Piefkonisch« wäre kaum möglich und selbst wenn, so könnte sie wohl nur ein Bronner selbst versuchen*) ...

Daher also keine Nachdichtung, sondern zunächst der annähernd phonetische Originaltext, dann die hochdeutsche Prosafassung, und zuletzt einige Anmerkungen zur Erläuterung der Begriffe und Anspielungen. Uffff ... ... aber: vor den Erfolg haben die Götter bekanntlich den Schweiß gesetzt.


1. Text
Da woa a Schönheitskonkurrenz in unserm Häuserblock,
In einem oitn Magazin als Matinée,
Die ganze Gürtel-Prominenz kommt zu der Schönheitskonkurrenz
Denn wer net do is, legt kan Wert aufs Prestigé.

Der äuß’re Anlaß woa dem Wawra-Pepsch sei Unglückstag,
Der håt beim Moped-Speedway ålle überholt,
Und knapp vorm Zü siecht er a Madl, es verreißt eam’s Vorderradl,
Und er is in eine Auslåg eineg’roit.

Na, und jetzt håm wir des für den Wawra arrangiert,
Weil der muaß den Schåd’n zåhln, der was g’schehn is.
Er is stia, und wir san nur aus Freundschaft aufmarschiert,
Weil er kriagt nåchher des ganze Reinerträgnis!

Des haaßt: wir wer’n sich herrlich dabei auch amüsier’n,
Weil ångeblich die Katzen im Bikini aufmarschier’n!
(gemurmelt: Mei Liaber, des wird a Wucht! Ich g’frei mi scho!)

Doch gleich die erschte kommt mit einem Kombinescherl an,
Då kannst dir vurstö’n, des woa glei a Pallawatsch!
»Du Gramml, grins’ do net so picksiaß! Glaubst’ mir stehn auf deine X-Fiaß?
Låß da’s reißen, deine Schläuch’, und hupf in Gatsch!«

Die nächste Dame war ein Bügelbrett im Schwimmtrikot,
Und auch die dritte war ganz ohne Sex-Appeal,
Doch bei da viert’n san uns oi’n fåst de Augen außerg’foin,
Es erscheint die Josephine Navratil!

Die Figur! Do woa de Lollobrigida ein Schmoarn!
Jede Kurve eine wahre Augenweide!
Und des G’sicht! So wie die Romy Schneider vor zehn Joahrn!
Eine Haut wie Milch und Blut und Samt und Seide!

Jawoi, des is a Wö’tkatz! Ich schau und schau und schau!
Und nehm’ ma vua, daß ich mich nach der Schau glei zuwihau …
(gemurmelt: aber da kenn’ i nix, da bin i a Anser …)

Die ganze Lollobrigität bedeckt ein Taschentuch,
Mit rosa Spitzen, dafür kriagt sie gleich Applaus,
Ihr Busen hebt sich und er senkt sich, und ein jeder Spezi denkt sich:
Wie lang haltet so ein Taschentuch das aus?

Do macht’s an Fluscherer, dea geht an jeden duach und duach,
Ma heart an Wuscherer, wia wånn sich wås zerfetzt,
Ein tiefer Atemzug der Fini sprengt den Taschentuchbikini,
Gott sei Dank, das Mädchen selbst blieb unverletzt!

Oi’s woa staad! Ka Wischa und ka Zischa,
Na, mittlerweu’ bin i scho
Mit aner klassen Flank’n auf der Plank’n
Und håb gråd no Zeit, daß i mei Sack’l
Dem årmen Madl umhäng’, dann hätt’ ma si gern draht!

Auf amoi schreit der Wawra: »Du bist do net ihr Hawara!«
Da måcht ein Schipp’l Pücher auf mich ein Attentat,
I merk, daß ich nix aufsteck’, in Trümmer geht der Laufsteg,
Auf amoi schreit a Madl: »Die Kieberer sind da!«

Es gibt a klane Pause, dann wuzeln ma si auße,
Doch leider auf da Gåss’n steht der Fini ihr Mama!

(gemurmelt: ».. die Hand, gnä’ Frau!«)

Das woa des End von dieser hirnverbrånnten Schönheitswoi’ …
De Fini fållt ma ganz erleichtert ummer’n Hois!
De Mutta hat mich angesprochen, und wås håb ich woll’n måchen …
Jedenfalls: der Schluß wår’s Standesamt Hernåls!

G’schehn ist g’schehn! Und trotzdem denk ich manchmal resigniert,
Ich hätt wårt’n solln auf eine reiche Witwe.
Is net woa? Und warum is des gråd mir passiert?
Weil der Wawra keine Ahnung håt von Speedway!

Doch Wohltun trägt ja Zinsen, und de Zinsen sind schon da,
Die Fini hat an Sohn gekriegt, und ich bin der Papa!
Nur eins schwör’ ich schon heute mit letzter Konsequenz:
Der Rotzbua geht mir nie zu aner Schönheitskonkurrenz!


2. Übersetzung
Da war eine Schönheitskonkurrenz in unserem Häuserblock,
In einem alten Magazin als Matinée,
Die ganze Gürtel-Prominenz (1) kommt zu der Schönheitskonkurrenz
Denn wer nicht da ist, legt keinen Wert auf Prestige (2).

Der äußere Anlaß war Joseph Wawra’s Unglücktag,
Der hatte beim Moped-Speedway alle überholt,
Und knapp vorm Ziel sieht er ein Mädel, es verreißt ihm das Vorderrad,
Und er ist in eine Auslage hineingerollt.

Na, und jetzt haben wir das für den Wawra arrangiert,
Denn er muß den Schaden zahlen, der geschehen ist.
Er ist pleite (3), und wir sind nur aus Freundschaft aufmarschiert,
Denn er kriegt danach das Reinerträgnis!

Das heißt: wir werden uns dabei auch herrlich amüsieren,
Weil angeblich die Katzen (4) im Bikini aufmarschieren!
(gemurmelt: Mein Lieber, das wird eine Wucht! Ich freue mich schon!)

Doch gleich die erste kommt im Unterkleid (5),
Da kannst du dir vorstellen, das war gleich ein Pallawatsch! (6)
»Du Fettkloß (7), grinse doch nicht so zuckersüß! Glaubst du, wir fahren auf deine X-Füße ab?
Laß dir deine Beine reißen, und verzieh dich! (8)«

Die nächste Dame war ein Bügelbrett im Schwimmtrikot,
Und auch die dritte war ganz ohne Sex-Appeal,
Doch bei der vierten sind uns allen fast die Augen rausgefallen,
Es erscheint die Josephine Navratil!

Die Figur! Da war die Lollobrigida ein Schmarrn! (9)
Jede Kurve eine wahre Augenweise!
Und das Gesicht! So wie die Romy Schneider vor zehn Jahren!
Eine Haut wie Milch und Blut und Samt und Seide!

Jawohl, das ist ein Weltklassemädel! Ich schau und schau und schau!
Und nehm mir vor, daß ich nach der Schau gleich bei ihr anbandeln (10) kann …
(gemurmelt: also da kenn ich nichts, da bin ich eine Eins …)

Die ganze »Lollobrigität« bedeckt ein Taschentuch,
Mit rosa Spitzen, dafür kriegt sie gleich Applaus,
Ihr Busen hebt sich und er senkt sich, und ein jeder Spezi (11) denkt sich:
wie lang hält so ein Taschentuch das aus?

Da macht’s ein Fluscherer (12), der geht einem jeden durch und durch,
Man hört einen Wuscherer (13), wie wenn sich was zerfetzt,
Ein tiefer Atemzug der Fini sprengt den Taschentuchbikini,
Gott sei Dank, das Mädchen selbst blieb unverletzt!

Alles war still! Kein Wischer und kein Zischer (14),
Na, mittlerweile bin ich schon
Mit einer gekonnten Flanke auf den Planken [scil. des Laufstegs]
Und habe gerade noch Zeit, daß ich mein Sakko
Dem armen Mädel umhänge, dann hätten wir uns gern davongemacht (15)!

Auf einmal schreit der Wawra: »Du bist doch nicht ihr Freund (16)!«
Da macht eine Schar von Schlägern (17) auf mich ein Attentat,
Ich merke, daß ich keine Chance habe (18), in Trümmer geht der Laufsteg,
Auf einmal schreit ein Mädel: »Die Bullen (19) sind da!«

Es gibt eine kleine Pause, dann drängeln wir uns hinaus,
Doch leider: auf der Gasse steht Finis Mama !

(gemurmelt: »[Küß] die Hand, gnädige Frau!«)

Das war das Ende dieser hirnverbrannten Schönheitswahl …
Die Fini fällt mir ganz erleichtert um den Hals!
Die Mutter hat mich angesprochen, und was hätte ich schon machen können…
Jedenfalls: der Schluß war das Standesamt Hernals (20)!

Geschehn ist geschehn! Und trotzdem denk ich manchmal resigniert,
Ich hätte warten sollen auf eine reiche Witwe.
Ist’s nicht wahr? Und warum ist das gerade mir passiert?
Weil der Wawra keine Ahnung hat von Speedway!

Doch Wohltun trägt ja Zinsen, und de Zinsen sind schon da,
Die Fini hat einen Sohn gekriegt, und ich bin der Papa!
Nur eines schwör’ ich schon heute mit letzter Konsequenz:
Der Rotzbub (21) geht mir nie zu einer Schönheitskonkurrenz!

3. Anmerkungen

(1) »Gürtel-Prominenz«: der Gürtel (auch »Gürtellinie«) ist eine große, die alten Vorstädte Wiens von den neueren Vorstädten (den früheren »Vororten«) trennende Hauptverkehrsstraße, traditionell mit gemischter Wohnbevölkerung aus ärmeren Kreisen, v.a. früher weitverbreitet Straßenprostitution. Jedenfalls alles, nur keine »feine Lage«!

(2) »Prestigé« ist nicht wirklich Wienerisch, sondern nur ein ironischer Seitenhieb Bronners auf die Fremdwort-Unkundigkeit der »Vorstadt-Bewohner«

(3) »Er ist stia« (kann auch »stier« geschrieben werden): ist mit »pleite« nicht ganz korrekt übersetzt: »pleite« dauert doch meist länger, wogegen »stier/stia« auch bei kurzfristiger Geldknappheit gesagt werden kann. Vielleicht wäre »Er ist blank« treffender.

(4) »Katzen«: in Wien umgangssprachlich für »fesche Mädchen« (v.a. wenn sie Annährungsversuchen erkennbar nicht unzugänglich sind …)

(5) »Pallawatsch«: ein Durcheinander, ein Chaos, ein Fehlschlag. Kann in Österreich auch durchaus hochsprachlich verwendet werden.

(6) »Kombinescherl«: typisch Wiener Diminuitiv. Kommt eigentlich von »combination [underware]«, also einem kombinierten Unterkleid (was nun im Detail in den 50er-Jahren darunter zu verstehen war, konnte mir auch LaPenseuse mangels hinreichenden Alters nicht erklären …)

(7) »Gramml« ist eine ziemlich deklassierende Bezeichnung für eine unattraktive Frau. Wörtlich sind »Grammeln« die österreichische Bezeichnung von »Grieben«. Also: fett …

(8) »die Schläuch’«: kam erst über die Auto- und Fahrrad-/Motorrad-Terminologie ins Wienerische. »Schläuch’« sind die (pneumatischen) Räder dieser Fahrzeuge, also das, worauf das Fahrzeug steht. Womit die Analogie zu den Beinen klar ist. »Gatsch«: Kot, Morast. Die Aufforderung, in diesen zu hüpfen ist etwa mit einem »zieh Leine!« zu vergleichen.

(9) »a Schmarrn« ist einerseits eine durchaus schmackhafte Nachspeise (und in Wien bisweilen auch Hauptspeise, zumeist ist damit der beliebt »Kaiserschmarrn«, gemeint), andererseits aber auch etwas »Danebengelungenes«, oder auch schlichtweg: Unsinn (z.B. »Reden S’ doch kan Schmarrn!«)

(10) »zuwehau’«: sich zu jemandem »zuwe«, d.h.: zu ihm hin, »dazuhauen«, neben ihn hinwerfen, sich annähern.

(11) Ein »Spezi« kommt eigentlich vom »Spezialfreund«, d.h. ein besonders enger Freund. Bei der Tendenz des Wieners, alles ein bisserl nach oben oder nach unten zu nuancieren (jeder Kellner wird als »Herr Ober«, d.h. Oberkellner, angesprochen, alles irgendwie Unangenehme wird dafür verkleinert: »Haben S’ ein Momenterl Zeit für mich?« wird bspw. deutlich mehr als einen kleinen Moment dauern …) kann eigentlich jeder (nähere) Freund als »Spezi« bezeichnet werden.

(12) – (15) Eigentlich nicht Wienerisch, sondern bloß wienerisch klingende Lautmalerei

(15) »(sich) drah’n«: sich davonstehlen, »auf französisch empfehlen«. Ohne »sich« davor, bedeutet »drah’n« wörtlich »drehen«, übertragen: »Fête machen«, »sich feucht-fröhlich amüsieren« (»Heut abend geh’ ma drah’n!«)

(16) Ein »Hawara« ist ein guter Freund (unter Männern), bzw. der jeweilige Sex- oder Lebensabschnittspartner (bei Frauen)

(17) »a Schipp’l Pücher«: »Schipp’l« (auch »Schüpp’l«) ist eigentlich das, was man an Haaren mit einem Griff packen kann, übertragen: eine größere Anzahl von … — »Pücher« (mit langgedehntem »ü«, bisweilen auch vornehmer: »Pülcher« geschrieben) sind ungehobelte Proleten, Schlägertypen, auch überhaupt Tagediebe und Gauner.

(18) »… aufsteck’«: kommt wohl von der früheren Sitte, sich als Zeichen des Sieges eine Feder an den Hut zu stecken (was in Österreich auch als Sprichwort üblich ist), wer merkt, daß er (sich) nichts aufstecken kann, der erkennt, daß er keine Chance hat, zu gewinnen.

(19) »Die Kieberer«, auch׃ »Die Kieberei«: Polizei.

(20) eher kleinbürgerlich-proletarischer Vorortebezirk in Wien, der wie das benachbarte Ottakring als »typisch Wien« galt (heute eher: »typisch Istanbul« …)

(21) Den »Rotzbua« versuchte der legendäre Kabarettist, Jurist und Germanist DDr. Peter Wehle (dem wir neben unzähligen Kabarettsketches und -liedern u.a. so amüsante Bücher wie »Sprechen Sie Wienerisch?« und »Sprechen Sie ausländisch?« verdanken) ironisch mit »Jüngling des Nasenschleims« in die gehobene Sprache zu entrücken. Ein »Rotzbua« ist dessen ungeachtet einfach ein mehr oder weniger frecher Bengel.


So, und jetzt, cher (chère?) »Nordlicht«, hören Sie sich das Lied nochmals an! Und müssen vermutlich erkennen, daß Übersetzung und Anmerkungen wohl Ihr Verständnis des Textes erweitern konnten, aber leider zugleich seinen »Charme« merklich beeinträchtigten. Es ist wie mit Schmetterlingen: sobald man sie anfaßt, verlieren sie ihre Pracht …

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*) So, wie er das beim ungleich berühmteren "G'schupften Ferdl" (Anm.: der unterm Video angegebene Text stammt allerdings aus der Version von Helmut Qualtinger, die mir freilich, bei aller Wertschätzung bspw. für seinen "Der Papa wird's schon richten", doch weniger gefällt als das Bronner'sche Original) unter dem Titel "Der blasse Gustav" versucht hat. Ob es ihm auch gelungen ist, mögen reichsdeutsche Ohren beurteilen ...

1 Kommentar:

Nordlicht hat gesagt…

@LP:

Danke für die Übersetzung und v.a. die Anmerkungen! Für ein Nordlicht ist zB

"Låß da’s reißen, deine Schläuch’, und hupf in Gatsch!"

(selbst wenn man es akustisch versteht) nicht sinnerfassend zu begreifen!