Hab das im rumänischen facebook heute geschrieben, um den Leuten mal wieder den Spiegel vorzuhalten. Stellt sich die Frage, ob das in anderen Ländern der sog. christlichen Hemisphäre anders ist. Denke aber nicht. Also passt es auch hier ... Die Übersetzung:
KARFREITAG IN RUMÄNIEN UND DIE GELEBTE TRADITION
Immer wieder bin ich davon beeindruckt, wie die Leute hier in Rumänien, wo doch jeder von sich behauptet, dass er dem christlichen Glauben zugehörig ist, den Karfreitag begehen.
Natürlich soll man an diesem Tag nicht arbeiten, das wäre unchristlich. Da versucht man, besser mit dem Auto und dem eingepackten Grill ins Grüne zu fahren, damit man den Feiertag im christlichen Sinne begeht.
Wenn man überhaupt an ein Gebet denkt, dann höchstens daran, dass man dafür betet, dass es an diesem Tag nicht regnet. Wenn man sich dann genügend satt gegessen und ausgeruht hat, dann geht man in ein Lokal, wo gute Musik ist, und wo man auch tanzen kann, neben dem, was die Gastronomie so hergibt.
Irgendwann in der Nacht geht man dann zufrieden nach Hause, weil man den Tag sinngemäß verbracht hat. Geht man zufällig an einer Kirche vorbei, dann macht man noch drei kurze Kreuzzeichen, weil man ja christlich ist.
Ich kann mich über diese Ansicht über den Karfreitag nur wundern, und besonders über die Verlogenheit, die dabei zu beobachten ist. Ich will von mir nicht behaupten, ob ich christlicher bin als andere, aber ich habe da eine völlig andere Meinung.
An dem Tag, an dem der Erlöser am Kreuz Blut und Wasser geschwitzt hat, da soll ich es mir zum Gedenken gut gehen lassen? Sehe ich keinen Zusammenhang. Im Gegenteil, ich arbeite wie an jedem anderen Tag auch.
Ich erinnere mich an meine Kinderzeit, als ich in den Osterferien auf dem Land war, bei den Bauern. Dort hat man auch am Karfreitag gearbeitet, ich weiß nicht mehr was, aber die Leute waren auf dem Feld. Vielleicht Kartoffel gesteckt, oder sonst was.
Um 15 Uhr, also in der Todesstunde Jesu Christi, da hat irgendeiner, meistens der Oberknecht, die Leute zusammengerufen, man hat die Mütze abgesetzt, der Mann hat ein Büchlein hevorgeholt und ein Gebet vorgelesen. Danach hat man die Mütze wieder aufgesetzt und hat weitergearbeitet.
Bei dieser Art des Gedenkens am Karfreitag kann ich einen Sinn erkennen. Alles andere ist doch nur eine gelebte Lüge. Wie auch so vieles andere in unserer Zeit.
8 Kommentare:
Sehr geehrte Damen und Herren,
mir fällt im Zusammenhang dieses Beitrags das Zitat ein, das Albrecht Schweitzer zugeschrieben wird, der da gesagt hat:
"Man wird nicht zum Christen, weil man in die Kirche geht; man wird ja auch nicht zum Auto, nur weil man in der Garage steht".
In der heutigen Zeit nach alle der aufgeklärten (und weniger aufgeklärten) Religionskritik, den unbestreitbaren Fortschritten der wissenschaftlichen Welterklärung und des um sich greifenden Materialismus, stellen sich die Frage bestimmt noch mal anders...
Für mich gibt es drei große, ehrliche Alternativen:
1. Offener Atheismus, für den Ostern nur eine Art "Frühlingsfest" sein kann.
2. Kulturchristentum, das sich zwar noch als christlich im Geiste der abendländischen Wertvorstellungen und Tradition sieht, aber nicht mehr unbedingt dogmatisch glaubend.
3. Ein reflektiertes, denkendes Christentum, das seine Religionskritik nicht mehr vor sich, sondern hinter sich hat.
Für wen die erste Option aufgrund der Erfahrung der Präsenz von etwas Höherem nicht mehr in Frage kommt, dem bleiben im Grunde nur die beiden anderen Punkte.
Das läuft für mich nur über die Anerkennung, dass auch die Bibel ein schwer zu deutendes Buch voller Metaphern ist.
Insofern ist derjenige, der zum Gillen rausfährt, vielleicht gar nicht so verkehrt. Es war frühchistliche Tradition, gemeinsam zu Essen. Daraus hat sich das Abendmahl entwickelt.
Erst einmal danke für diese Analyse! Diese drei genannten Punkte sind sachlich definiert und dem ist auch nicht zu widersprechen. Natürlich hängt es davon ab, wie man als christlich orientierter Mensch diese Lehre sieht. Als reine Ideologie, der man sich ungefragt unterwirft, oder als die Art des persönlichen Lebensweges, den man gewählt hat.
Zum Letzteren gehört natürlich auch die Kraft und vor allem der Wille, zu hinterfragen. Deshalb bin ich auch mit so manchem Vertreter der schwarzen Zunft im Dialog, das sich irgendwo zwischen Dissens und Konsens bewegt.
Jeder hat die Möglichkeit, sein Leben so zu gestalten, dass es im Einklang mit seinen Mitmenschen abläuft. Das ist in meinen Augen die reformierte und auf die heutige Zeit gebrachte Methode der Religionsausübung. Ich war zeitlebens der Meinung, dass ich das gerade als Unternehmer unter Beweis stellen kann. Gegenüber meinen Beschäftigten und auch gegenüber meinen Kunden.
Die Bestätigung dafür, dass mir das auch halbwegs gelungen ist, erkenne ich daran, dass mich Leute aus beiden genannten Gruppen, mit denen ich vor 15 und 20 Jahren Kontakt hatte, immer noch freundlich grüßen und sich gerne im Gespräch mit mir zurückerinnern.
Was in vielen anderen Ländern nicht so bekannt ist, dafür aber in Österreich, das ist der geflügelte Spruch von Schiller im Wallenstein: "Leben und leben lassen". Irgendwo eine Binsenweisheit, mit der man die Idee des Christentums mit wenigen Worten auf den Punkt bringt.
PS: Ich habe diesen Atikel mit dem Karfreitag in drei Foren gebracht, in drei Ländern. Es gefällt mir, den Leuten manchmal den Spiegel vorzuhalten. Denn genau das ist mir gelungen. Das merkt man daran, dass sich die Kommentare dazu in "betretenem Schweigen" darstellen. Ihr Kommentar ist der Einzige, der konstruktiv ist.
„Leben und leben lassen“ als Essenz des Christentums? Eine gewagte These. Wenn, dann allenfalls bei einem kirchlich ungebundenen Kultur- und Lebenschristentum. Die Kirche ist bis heute eine einzige Widerlegung des Schiller-Wortes. Sie lässt mich ja nicht mal im Schlafzimmer Leben, wie ich es für richtig halte, sondern schreibt mir vor, was ich da zu tun und zu lassen habe, auf die Gefahr der „ewigen Verdammnis“.
Wie Sie richtig festgestellt haben, eben als eine Form des gelebten Christentums. Inwieweit die Kirche beim echten Christentum überhaupt eine Rolle spielen soll/kann, lasse ich dahingestellt. Ich sehe da wenig Gemeinsamkeiten, auch aus eigener Erfahrung.
Ist letztlich auch der Grund, wie ich vermute, dass die freikirchlichen Organisationen/Gemeinden, z.B. in Rumänien, seit geraumer Zeit wie die Pilze aus dem Boden schießen.
Hallo,
für mich sind zwei Dinge klar:
1. Ein Christ kann man nicht allein sein. Man braucht eine Gemeinde, ein sich-treffen, ein Abendmahl. Das bedeutet aber nicht zwangsläufig, dass man jedem Dogma unhinterfragt zustimmen muss. Es gibt aus de Briefen des neuen Testamentes genug Ermahnungen, dass die frühen Gemeinden das schon nicht taten, aber auch die Forderung, den Geist nicht zu töten.
2. Das Christentum ist keine "Philosophie" in dem Sinne, das man es herausholt, um dann zu diskutieren und zu theoretisieren ("philosophieren" im eigentlichen Sinne kann man mit den Wenigsten!), es sollte eine Praxis sein.
MfG
Herrn Anonym - 21 April, 2025 13:16
Zu 1): "Ein Christ kann man nicht allein sein. Man braucht eine Gemeinde, ein sich-treffen, ein Abendmahl."
Ihre persönliche Einschätzung. Sehe ich aber anders. Da wir in unserer Familie alle möglichen Liturgien beinhalten (kath, evang. orth.) sieht man bereits die Unterschiede, wie da das Abendmahl äußerst unterschiedlich gehandhabt wird. Das beweist, dass es sich beim Abendmahl nur um eine Symbolik handelt, die manche in den Mittelpunkt stellen.
Daher komme ich schon zu Pkt 2), den ich genauso sehe. Aber Pkt 2) ist die Logik aus Pkt. 1), so wie ich sie sehe. Christ zu sein, ist eine persönliche Einstellung, die sich aus dem Lesen und dem Interpretieren der Bibel ergeben. Dazu brauche ich keinen Lehrer oder Pfarrer oder sonstigen Erklärer.
Wenn ich das Prinzip des Christentums begriffen habe, dann kann ich das auch völlig alleine in die Tat umsetzen. Es resultiert dann in der Art und Weise, wie ich mit meinen Mitmenschen umgehe. Mitmenschen sind in der Familie, am Arbeitsplatz, in der Nachbarschaft, und auch sonst wo.
Hab da einen im Bekanntenkreis, der eigentlich nie in die Kirche geht. Aber der sucht sich zu jedem Weihnachtsfest eine Familie heraus, denen es dreckig geht. Aber warum dreckig: Nicht, weil die zu faul sind, um was auf die Beine zu stellen, sondern weil die unverschuldet in Not geraten sind. Meist eine Familie mit kleinen Kindern, wo z.B. der Ernährer einen schweren Unfall hatte, oder sonst was. Der ermittelt die Umstände verdeckt bei der Nachbarschaft.
Am 24. Dezember stellt er sich dann ein, mit Christbaum, schmückt den, kommt auch mit Geschenken, mit nützlichen Dingen, was eben die Kinder und die Familie nötig haben. Für die betreffende Familie völlig unerwartet.
Das ist genau das, was ich unter gelebtem Christentum verstehe. Dazu braucht man auch keine Gemeinde, sondern einfach nur einen Willen und ein Konzept.
...mit welchem Recht diese Leute dann am Karfreitag arbeitsfrei haben sollen ...
DAS, sonst sehr wertgeschätzter Helmut, bei allem Respekt, finde ich sehr bedenklich!
Und als "Atheist" sehe ich mich nicht. Fausts Antwort auf die Gretchenfrage ...
"Bedenklich" oder "nachdenkenswert"? Habe ich da einen wunden Punkt berührt? Ich habe keine definitive oder ultimative Meinung dazu abgegeben. Meine Formulierung war so:
"Aber ich stelle mir die Frage, mit welchem Recht...." Würde mich interessieren, wie Sie das "Recht" dazu dann formulieren würden. Der Staat bestimmt die Tage, an denen ein gesetzlicher Feiertag angesetzt wurde. Oftmals aus religiösem Hintergrund.
In Österreich sind die Evangelischen in der absoluten Minderzahl, nämlich nur 3%. Daher gibts da keinen staatlichen Feiertag am Reformationstag (31. Oktober). In Deutschland ist das von Bundesland zu Bundesland verschieden, wo der Reformationstag arbeitsfrei ist.
Eine Theorie: Nun lebe ich z.B. im überwiegend evangelischen Bundesland Sachsen, und zwar als Katholik. Ich arbeite an diesem Tag nicht, mit welcher Begründung? "Weil es der Staat so vorschreibt." Religiös motiviert.
Gibt es ein Recht für die Bewohner eines Landes, an den Feiertagen der anderen Religionen mitzumachen und dadurch arbeitsfrei zu haben? Wieviele Türken gibts in Österreich, wieviele Chinesen?
Eigentlich hätte ich an den Tagen des 29. - 31. Januar, an denen ich gearbeitet habe, feiern sollen. Am 29. Januar mit den Chinesen deren Neujahr (sie haben dieses Jahr das Jahr der Schlange), und am 30. und 31. Januar wäre ich gerne beim Ramazan Bayrami, dem türkischen Fastenbrechen, dabei gewesen.
1612 war nach dem Augsburger Religionsfrieden von 1555 der Spruch gültig: Cuius regio, eius religio. In abgewandelter Form existiert das heute noch, im Blick auf die jeweilige Landesregierung. Aber eigentlich sollte nach dem Westfälischen Frieden 1648 das der Vergangenheit angehören.
Man kann darüber wertfrei diskutieren, auch mit pro und contra. Ich selbst bin zu keinem Schluss gekommen. Aber mich würden die Argumente von anderen Lesern interessieren. Aber über alles Bestehende die Decke des Schweigens drüber zu legen, ohne zu hinterfragen, das ist nicht mein Stil.
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