Samstag, 18. Oktober 2014

Heute vor fünfundzwanzig Jahren

... am 18. Oktober 1989, wurde Egon Krenz nach der entscheidenen Politbürositzung (mit dem wohl einzig berühmt gewordenen Zitat von Willi Stoph: »Erich, es geht nicht mehr. Du mußt gehen.«) vom Zentralkomitee der SED formell zum Nachfolger von Erich Honecker als Generalsekretär bestimmt. Ab dem 24. Oktober wurde er dann auch noch der (vorletzte) Staatsratsvorsitzende der DDR (der letzte, ab 6. Dezember 1989 bis 5. April 1990, war dann der LDPD-Vorsitzende Manfred Gerlach — nach der Volkskammerwahl wurde der Staatsrat abgeschafft). Die »Wende« hatte begonnen — und die dazugehörigen Wendehälse sollten nur zu bald in Erscheinung treten, und in ihrer prächtigen Erscheinung uns bis heute erhalten bleiben. Wenn man sich die schwarzlackierte FDJ-Agitatorn oder den schlau-dreisten Pfaffen mit gesäubertem Stasi-Akt so ansieht, beginnt einem selbst ein berufsjugendlicher Politruk der Partei der Arbeiterklasse noch fast ans Herz zu wachsen.

»Na, aber hallo ...«, höre ich schon zwischenrufen, »der war doch schließlich einer, der den Mauermord mitbeschlossen hat! Das kann man ja nicht vergleichen ...«

Ach, wirklich nicht? Und die Wortspenden des Bundesgaucklers, mit denen er den Kriegeinsatz der Bundeswehr wünscht ...? Ach, das ist ja bloß verfassungswidrig, und kratzt keinen, solange das Bundesverfassungsgericht das nicht in einem Urteil feststellt (und noch nicht mal dann ...) ...

Die DDRisierung unserer Welt ist weiter fortgeschritten, als die meisten es wahrhaben wollen. All das, was vor dem Zusammenbruch des Ostblocks als »westliche Werte« angesehen wurde, ist seitdem längst obsolet geworden. Man braucht diese Charade halt nicht mehr, seitdem das Konkurrenzsystem implodiert ist. Das alles wurde doch deshalb inszeniert, weil man dadurch dokumentieren wollte: »Wir sind ja doch die Besseren, die Freieren, die Erfolgreicheren!«

Sobald sich ein Monopol der Weltanschauungssysteme herausgebildet hatte (nichts anderes bedeutet ja das vielzitierte »Ende der Geschichte«!), traten die Entartungserscheinungen zutage — wie in jedem Monopol (der einzige konzessionierte Friedhofsgärtner am Land pflegt die Gräber schlampig und flicht mickrige Kränze, die dutzenden Anbieter vor den großen Stadtfriedhöfen müssen sich um ihre Kunden bemühen ...).

So sehr den damaligen Bewohnern der DDR zu gönnen ist, daß sie sich aus dem kleinbürgerlichen Mief waschechter Sozenbonzen retten konnten, so nachteilig war ihre Befreiung für die Welt insgesamt. Das Vakuum, das der zusammenbrechende Osten hinterließ, hat auch den Westen geistig leergesogen. Und ihn zur hemmungslosen Spielwiese von politischen Korruptionsnetzwerken und Bankstern gemacht. Nicht, daß es das nicht vor 1989 auch schon gegeben hätte! Natürlich hat es das gegeben — aber es wurde in Zaum gehalten, weil man sich gegen »die Kommunisten« nicht jede Blöße leisten konnte oder wollte.

Leute wie Krenz setzten Schamgrenzen in der Politik. Nicht in ihrem Handeln, sondern weil man sich davon unterscheiden wollte. Heute braucht es das nicht mehr — und so feiern die Bundesgauckler &  IM Erikas fröhliche Urständ' ...

1 Kommentar:

N hat gesagt…

Schon richtig. Die (positive) Sogwirkung und Attraktivität der BRD als aufgehübschtes Schaufenster des Westens wird nun (im Wettstreit der Systeme) nicht mehr benötigt...