Montag, 6. Januar 2025

Der neue Krieg an der Währungsfront

Gastkommentar
von Nereus
 

Erinnert sich noch jemand an meine verrückte Idee im Währungskorb des UNIT, der neben 40 % Gold auch Währungen der BRICS-Staaten enthalten sollte, den US-Dollar aufzunehmen? Ich hatte den Beitrag kurz vor dem Treffen in Kasan eingestellt. Bei Interesse bitte hier entlang ...

Wir erinnern uns, daß das mit hohen Erwartungen bedachte BRICS-Treffen in Rußland ein wenig enttäuschend ausfiel, da weder der UNIT zur Weltwährungs-Konkurrenz aufstieg, noch irgend etwas Konkretes zur Zukunft des UNIT verlautbart wurde. Aber, der Osten tickt nun mal anders als der marktschreierische Westen. Man überlegt, testet, wertet aus, überlegt neu, testet wieder ...

Einen solchen Test hat es nun gegeben und zwar in Saudi-Arabien.

"Die Geschichte um die Emission von auf USD lautenden Staatsanleihen in Saudi-Arabien sorgt in China für enormes Aufsehen und könnte möglicherweise von großer Bedeutung sein. Ich vermute stark, dass dies eine Botschaft an die kommende Trump-Regierung ist. .. Oberflächlich betrachtet ist es keine große Geschichte: China hat in Saudi-Arabien auf USD lautende Staatsanleihen im Wert von 2 Mrd. USD emittiert .. (Quelle)

Nun ja, was heißt hier keine große Geschichte? Die Chineser plazieren eine Staatsanleihe in einer fremden Währung? Dürfen die das überhaupt? Ja, das dürfen sie. 

[[freude]]

Das ist doch das kleine schmutzige Geheimnis des Euro- oder besser Offshore-Dollars. Und da der Osten es leid ist vom Westen herum kommandiert zu werden, macht man nun Nägel mit Köpfen, aber eben auf die chinesische Art mit einem Lächeln auf dem Gesicht.

Der erste einigermaßen interessante Aspekt ist, dass die Anleihen fast 20-fach überzeichnet waren (d. h. mehr als 40 Mrd. USD Nachfrage für Anleihen im Wert von 2 Mrd. USD), was eine weitaus höhere Nachfrage als üblich für USD-Staatsanleihen darstellt. Normalerweise sind US-Staatsanleiheauktionen 2- bis 3-fach überzeichnet, so dass die auf Dollar lautenden Schuldtitel Chinas auf dem Markt offensichtlich sehr gefragt sind.

Wer also künftig US-Dollar benötigt kann auch Staatsanleihen aus Peking kaufen. Das dürfte im US-Schatzamt sehr schlecht ankommen, denn dort wird der Bedarf an Gläubigern immer größer, da kann man Konkurrenz überhaupt nicht gebrauchen.

Der zweite interessante Aspekt ist, dass der Zinssatz für die Anleihen bemerkenswert nahe an den Zinssätzen der US-Staatsanleihen lag (nur 1-3 Basispunkte höher, d. h. 0,01% bis 0,03%), was bedeutet, dass China jetzt in der Lage ist, sich Geld - in US-Dollar (!) - zu praktisch demselben Zinssatz zu leihen wie die US-Regierung selbst.
Das ist bei keinem anderen Land der Welt der Fall.

Kreisch! Und China droht im Gegensatz zur Weltpolizei nicht mit Krieg oder neuer Landnahme. Welche Dollar-Anleihe werden also Investoren in unsicheren Zeiten kaufen? 

[[hae]]

Durch die Ausgabe von Dollar-Anleihen in Saudi-Arabien, die direkt mit US-Staatsanleihen konkurrieren und im Wesentlichen den gleichen Zinssatz erhalten, zeigt China, dass es als alternativer Verwalter von Dollar-Liquidität mitten im Herzen des Petrodollar-Systems agieren kann. Für Saudi-Arabien, das Hunderte von Milliarden an Dollarreserven hält, ergibt sich dadurch eine neue Möglichkeit, seine Dollar zu investieren: Sie können sie bei der chinesischen Regierung statt bei der US-Regierung anlegen.

Jetzt sind es schon zwei! China und Saudi-Arabien gehören zu den größten Dollar-Gläubigern. Und auf einmal eröffnen sich ganz neue Perspektiven. Wer hätte das gedacht?

Leider habe ich die Pointe vorweg genommen, aber hier nochmals in Zusammenfassung.

Okay, das ist alles interessant, aber immer noch nicht der Hauptgrund, warum die chinesischen sozialen Medien in Aufruhr sind.
Der Grund dafür ist, dass es sich um einen Versuch Chinas handelt, den USA zu demonstrieren, dass sie ihre eigene Währung effektiv gegen sie einsetzen können, mit möglicherweise dramatischen Folgen.
Und wie?
Stellen Sie sich einmal vor, China würde das Ganze ausweiten und anstelle von Anleihen im Wert von 2 Mrd. USD Anleihen im Wert von 10 oder 100 Mrd. USD emittieren.

Für die USA bedeutet dies, dass China auf dem globalen Dollarmarkt mit dem US-Staatsanleihemarkt konkurrieren würde.
Anstatt dass Länder wie Saudi-Arabien ihre Dollar automatisch in US-Schatzanleihen recyceln, könnten sie sie in chinesische Dollar-Anleihen investieren, die denselben Zinssatz zahlen.
Auf diese Weise würde ein paralleles Dollarsystem entstehen, in dem China und nicht die USA einen Teil der Dollarströme kontrolliert.
Die USA würden die Dollar immer noch drucken, aber China würde zunehmend kontrollieren, wohin sie fließen.
Stellen Sie sich das vor… 

 [[zigarre]]

Genau darauf wollte ich damals mit meinem Beitrag kurz vor Kasan hinaus. Aber nun wird es anders gemacht und ich gebe zu, die Idee ist noch viel besser. Eine neue Währung ist immer riskant, bewährte Staatsanleihen sind dagegen alte Hüte.

Ein weiterer kritischer Aspekt ist, dass jeder Dollar, der in chinesische Anleihen statt in US-Staatsanleihen fließt, ein Dollar weniger ist, der zur Finanzierung der US-Regierungsausgaben beiträgt. In einer Zeit, in der die USA massive Defizite haben und ständig Staatsanleihen verkaufen müssen, um sich zu finanzieren, könnte das Auftauchen Chinas als konkurrierender Emittent von Dollar-Anleihen, der mit den Zinssätzen der Staatsanleihen mithalten kann, die US-Regierung vor immense Finanzierungsprobleme stellen. Dies könnte das Ende des so genannten "exorbitanten Privilegs" der USA bedeuten.

Bingo! Das ist der Punkt auf den es ankommt. Die dringend notwendige Nachverschuldung gerät ins Stocken. Und, was können die Amis dagegen tun? Ziemlich wenig.

Die naheliegende Reaktion wäre die Androhung von Sanktionen gegen Länder - wie Saudi-Arabien - oder Institutionen, die chinesische Dollar-Anleihen kaufen.
Aber das würde noch mehr zeigen, dass Dollar-Anlagen nicht wirklich sicher vor der politischen Einmischung der USA sind, was die Länder weiter ermutigen würde, zu diversifizieren, was das Problem noch verschärfen würde.
Die Stärke des Dollar beruht zum Teil auf Netzwerkeffekten - jeder nutzt ihn, weil alle anderen ihn nutzen -, aber wie wir im Falle Russlands gesehen haben, schaffen Sanktionen ein koordinierendes Moment für die Länder, sich gemeinsam zu entfernen, wodurch diese Netzwerkeffekte geschwächt werden.

Eine andere Möglichkeit wäre, dass die Federal Reserve die Zinsen anhebt, um die Attraktivität von US-Staatsanleihen zu erhöhen.
Aber das wäre ein Eigentor: Es würde die Kreditkosten der US-Regierung zu einem Zeitpunkt erhöhen, an dem sie bereits mit massiven Defiziten zu kämpfen hat, was eine Rezession auslösen könnte.
Und China, das ähnliche Zinssätze wie die USA erhält, könnte jede Zinserhöhung einfach ausgleichen.

Die USA könnten auch zu der "nuklearen Option" greifen, Chinas Fähigkeit, Dollar-Transaktionen abzuwickeln, einzuschränken, aber das würde das globale Finanzsystem sofort zersplittern und die Rolle des Dollar als globale Reservewährung untergraben - genau das, was die USA vermeiden wollen.

Wir sehen, da geht nicht mehr viel. Ami-Land hat es zu bunt und zu weit getrieben. Peking grüßt freundlich über den Pazifik.

.. ist dies zum jetzigen Zeitpunkt höchstwahrscheinlich nur eine Botschaft Chinas an die kommende Trump-Regierung: "Wir können das, also überlegt euch gut, was ihr mit uns vorhabt..."
Das Schöne an diesem Schachzug ist, wie strategisch elegant er ist:
Es kostet China fast nichts, dies zu demonstrieren, zwingt Washington aber, über einige sehr unangenehme Möglichkeiten nachzudenken."

Ebend!  
 

2 Kommentare:

Michael hat gesagt…

Ein sehr, sehr interessanter Artikel. Jeder Hegemon fällt irgendwann, auch der aktuelle (noch) Hegemon wird dies tun. Ich denke, es wird im Interesse jener sein die das zustande bringen, ihn langsam und ohne grosse "Erschütterungen" auf den Boden der Tatsachen möglichst sanft aufschlagen zu lassen.

MfG Michael!

Heinz hat gesagt…

Entschuldigen sie, lieber Nereus, aber ich würde empfehlen, sich einmal in das Instrument EuroDollar einzulesen, und dann diesen Artikel noch einmal zu überdenken.
Übrigens: Es gibt seit Jahrzehnten nicht nur EuroDollar, sondern z.B. auch EuroYen.