Sonntag, 9. November 2014

Woran man zu gedenken gedenkt (und woran nicht...)

Vor 215 Jahren, am 9. November 1799 (a.k.a. 18. Bumaire VIII) putscht sich Napoleon an die Macht — hier dramatisch inszeniert auf einem Gemälde von François Bouchot: »General Bonaparte vor dem Rat der Fünfhundert«:


Es folgen fünfzehn Jahre Gemetzel und Unterdrückung der Völker Mittel- und Südeuropas durch den kleinwüchsigen Größenwahnsinnigen, der bis heute in Frankreich breiteste Verehrung genießt (man stelle sich mal vor, ähnliches geschähe in Deutschland mit Hitler, einem durchaus vergleichbaren Scheusal). Naja ...

Die ohnehin alljährlich überall lang- und breitgetretenen 9. November der Jahre 1918, 1923 und 1938 lassen wir mal »außen vor« (wie der Piefke sagt), und denken dafür 75 Jahre zurück, an den 9.11.1939, den Venlo-Zwischenfall, über den die deutsche Wikipedia possierlich korrekt zu berichten weiß:

Ablauf

Major Richard Henry Stevens und Captain Sigismund Payne Best waren Offiziere des britischen Secret Intelligence Service, die im Herbst 1939 in den Niederlanden mit vermeintlichen deutschen Hitlergegnern aus Kreisen der Wehrmacht in Kontakt standen. Hinter diesen verbargen sich aber in Wirklichkeit deutsche Geheimdienstagenten unter Leitung von Walter Schellenberg. Die Verhandlungen fanden in London Beachtung auf höchster Ebene. Premierminister Arthur Neville Chamberlain und Außenminister Lord Halifax sahen die Chance, dass Adolf Hitler von der Wehrmachtsführung beseitigt und der Krieg schon nach wenigen Monaten wieder beendet werden könnte. Einen Tag nach dem Bürgerbräuattentat von Georg Elser liefen sie in der holländischen Grenzstadt Venlo einem deutschen Sonderkommando in eine Falle und wurden nach Deutschland entführt. Dabei wurde der niederländische Geheimdienstoffizier Luitenant Dirk Klop erschossen. Das Sonderkommando, das die Grenze zu den Niederlanden überschritt, stand unter der Leitung von SS-Sturmbannführer Alfred Naujocks. Drahtzieher in Berlin war Reinhard Heydrich, der Chef des deutschen Geheimdienstes.

Folgen

Der Venlo-Zwischenfall machte weite Teile des britischen Spionagenetzes in West- und Mitteleuropa nahezu wertlos. Er führte zum Rücktritt des niederländischen Geheimdienstchefs Johan W. van Oorschot und lieferte Hitler im Mai 1940 einen Vorwand für den Einmarsch in den Niederlanden. 
Ach Gottchen, was für ein heimtückischer Vorwand das doch war! Da begleitete doch bloß ein als britischer Offizier getarnter niederländischer Geheimdienstoffizier im Auftrag seines Chefs (also eines Geheimdienstchefs einer vorgeblich neutralen Macht!) die Geheimdienstoffiziere einer Kriegspartei zu einem Treffen mit (vermeintlichen) Hitlergegnern, um die Ausschaltung (oder gar Ermordung) Hitlers zu bemurmeln, und die drögen Deutschen meinen, daß dies einen »... Verstoß der Niederlande gegen die politische Neutralität gegenüber Deutschland belegen sollte«, der »im Mai 1940 als Vorwand für den Einmarsch in die Niederlande diente«. Also wirklich!

Ei, je nun — man stelle sich zur Abwechslung einfach vor, daß in einem hypothetischen Krieg des Leuchtfeuers der Demokratie gegen den pöhsen Putin sich Agenten Putins nach Venezuela begäben, um dort, freundlich von venezolanischen Geheimdienstoffizieren begleitet, mit vermeintlichen Backaroma-Gegnern (in Wahrheit: CIA-Agenten) über einen Putsch gegen Obama zu verhandeln — wäre es bloß ein »Vorwand«, wenn die USA darin einen Neutralitätsbruch Venezuelas sähen? Wohl eher nicht. Aber solche Kleinigkeiten spielen halt keine Rolle, wenn's darum geht, den deutschen Kollektivschuldkomplex zu pflegen ... ... doch weiter in der Historie:

Vor vierzig Jahren, am 9. November 1974, stirbt Holger Meins nach 58 Tagen Hungerstreik. Da sind wir betroffen und ein Stück weit traurig, besonders, wenn wir im »Freitag« lesen dürfen:

Ein Mosaik zärtlicher Erinnerungen an einen verhungerten Terroristen

"Allen sog. Gewohnheiten, gedankenlosen Selbstverständlichkeiten, einfachen Regeln und Wahrheiten, aller äußeren Ordnung, aller Selbstzufriedenheit und der gesamten Überlieferung stehe ich skeptisch gegenüber."
(Holger Meins 1961, "Bildungsbericht" vor dem Abitur)
Er war als Schüler ein begeisterter christlicher Pfadfinder. Mit zwanzig wuchsen die Zweifel. Er formuliert sie in dem Bildungsbericht mit erstaunlicher Offenheit: "Es gibt für mich - jedenfalls im Augenblick - kein größeres Problem und keine größere Qual als Gott; denn ich weiß nicht, ob Gott ist..." Doch man müsse "weiter fragen, bis zur letzten Frage, bis in den Bereich, in dem es um Sein oder Nicht-Sein geht, auch auf die Gefahr hin, dass man daran zerbricht. Ich glaube, dass ich mich im Augenblick in einer solchen Situation befinde."
Wie ist Holger Meins zehn Jahre später zum Terrorismus gekommen?
Interessant wäre vielmehr: wie ist Jakob Augstein zu einer Postille gekommen, die derartig herumsülzt? Ach ja, die Knete vom Pappi (bzw. dem, dessen Namen und Moneten er geerbt hat, gezeugt hat ihn ja ... ... aber lassen wir das — der Typ steht sich einfach nicht dafür ...)

Am 9. November 1989 stand dann jenes Ereignis am Plan der Geschichte, mit dessen unerfreulichsten Nachwirkungen wir uns bis heute (und vermutlich noch länger) rumschlagen müssen ...

Lassen wir's gut sein. Wir gönnen's ja den Ex-DDRlern, daß sie nicht mehr Honnis Stammelreden im Hauptabendprogramm in Endloschleife serviert bekommen. Aber ist das ein Grund, deshalb Mutti & Bundesgauckler auf uns loszulassen? November ist schon so deprimierend genug ...


2 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Dein Landsmann, O Ostmärker, war kein "Scheusal"! Wie ist Dir?
Zugegeben, es war nicht alles lecker.

Le Penseur hat gesagt…

Cher Anonym,

sorry: aber wenn der kein Scheusal war, wer war dann eines? Sie dürften diesen Blog, der sich u.a. bemüht, den Verfälschungen einer Siegergeschichtsschreibung entgegenzutreten, mit einem Nazi-Nostalgie-Blog verwechseln.

Sollten Sie Sehnsucht nach einem solchen haben, gehen Sie auf die Suche — im weiten Internet werden Sie sicher fündig werden. Hier hingegen nicht.

Daß die Ideologie der Nazis mit einem libertär-konservativ-nonkonformistischen Ansatz denkbar unvereinbar ist, sollte eigentlich klar sein.

Libertär = staatskritisch und minimalstaatlich ist das exakte Gegenteil der vond en Nazis propagierten Staats(all)macht ("Reichsgedanke", "Führerprinzip" & Co.)

Konservativ = fortschritts-skeptisch ist ebenso das exakte Gegenteil zu den Heilsverheißungen, die die Nazis am laufenden Bande äußerten. Der Konservative mißtraut vielmehr instinktiv jeder "Heilsversprechung", sondern gibt sich lieber mit etwas Bewährtem (wenngleich auch vielleicht Unvollkommenen) zufrieden, als daß er an eine perfekte Neugestaltung glaubt.

Nonkonformistisch = anti-kollektivistisch ist ebenso ein fundamentaler Gegensatz zum Nazis, der mit Sätzchen à la "du bist nichts, dein Volk ist alles" unterwegs war.

Geschichtsfälschungen der Siegerseite (z.B. über die Opferzahlen des Fliegerbombenterrors gegen zivile Ziele) werden entlarvt, indem man ihnen unermüdlich die wahren Fakten entgegenstellt, nicht, indem man eine sinnlose Mohrenwäsche bei Hitler betreiben will nach dem Motto: "Zugegeben, es war nicht alles lecker".

Das ist eine mehr als geschmacklose Untertreibung: "nicht alles lecker" für unzählige aus irgendwelchen hirnrissigen Rasseideologien heraus Verfolgte und Ermordete halte ich für völlig daneben!

Wenn Sie anderer Meinung sind — sollen Sie! Ich bin kein Staatsanwalt und das Recht auf freie Meinungsäußerung ist mir wichtig, und gegen Zensur und die Statuierung von Meinungsverbrechen habe ich was (nein: alles)!

Aber ich habe ebenso als Blogbetreiber das Recht, unerwünschte Stellungnahmen als solche zu bezeichnen.

Nehmen Sie also zur Kenntnis, daß die obige zu dieser Kategorie zählt, und äußern sie solche wo immer Sie wollen, aber nicht hier.

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P.S.: weitere Kommentare in diesem Thread sollten sich an den angeführten Erwägungen orientieren. Danke.