Freitag, 14. November 2014

Er war modern und antimodern zugleich

Wer? Nein, nicht der Verfasser des überaus interessanten Textes, der in der Folge zitiert werden soll, und der von Dingen schreibt, wie es unsere politkorrekte Meinungsmacherei am liebsten verbieten (oder doch als moralisch verwerflich aus dem Diskurs ausgrenzen) möchte:
Was sollten sie denn wählen? Wenn der Mittelstand die Kommunisten gewählt hätte, dann hätte er das Schicksal vor sich gehabt, das die Sowjetunion diesem Mittelstand bis zu den Bauern bereitet hat, die Liquidation. Ernst Nolte hat daraus geschlossen, vielleicht etwas übertrieben, dass der ganze Nationalsozialismus eine Antwort auf die kommunistische Terrorherrschaft dargestellt hat, aber das war doch die reale Perspektive, die damals der deutsche Mittelstand, die Handwerker und die Bauern zu erwarten hatten.

In Stalins Russland sind doch über 14 Millionen so genannte "Kulaken" umgebracht worden. Der gesamte Mittelstand ist doch liquidiert worden. Wie könnte man von diesem Teil des Volkes dann noch erwarten kommunistisch zu werden? Es blieb ihnen ja, solange sie überhaupt noch wählen konnten, gar nichts anderes übrig, als den Teil zu wählen, den sie für eine Gegenkraft hielten und von dem sie glauben konnten, dass er sie vor dem Schicksal, das in Russland der Mittelstand und die Bürger erlitten hatten, verschonte. Und die einzige Kraft, die da überhaupt in Frage kam, waren die Nationalsozialisten.

Und nun muss man ein Zwischenkapitel einschieben, weil man in diesem Zusammenhang doch sehr genau unterscheiden muss. Die heute ständig gemachte Unterstellung ist, dass die, die sich 1933 für Hitler entschieden haben, sich damit auch bewusst für den imperialistisch-expansiven Krieg, für die Judenvernichtung und für alles das, was heute in der resultatorientierten Betrachtung als die Essenz des Nationalsozialismus dargestellt wird, entschieden hätten. Wenn man aber die Reden Hitlers liest, und dieses Phänomen allein aufgrund einer gründlichen Lektüre versucht verständlich zu machen, dann kommt man zu erstaunlichen Ergebnissen. Da kommt ein Mann aus der Vorstadt Wiens nach Deutschland und hat als einzige Waffe nur das Wort zur Verfügung. Da jagt dieser Mann in dem alten Maybach, manchmal auch in einem klapprigen Flugzeug, jahrelang von Stadt zu Stadt und Dorf zu Dorf und redet und redet, das Bild des Trommlers, und schafft sich damit die Zustimmung und die Macht.

Und wenn man so eine Rede von vor 1933 liest, dann stellt man fest, der Mann hat nicht wie ein normaler Politiker in einer Demokratie geredet. Der hat nicht von Steuern geredet, nicht von Renten oder von irgendeiner sozialtechnischen Maßnahme, sondern dieser Mann hat in seinen Reden einen Mythos geschaffen.

Der erste und entscheidende Satz war immer: "Als ich als Soldat im I. Weltkrieg ..." Das war der Mythos, da steht aus den Gräbern des Krieges der einfache Soldat auf, um die aufgrund der Dolchstoßlegende gedemütigte, ihrer Ehre beraubte deutsche Armee zu rehabilitieren. Das ging schon vorher los, denn er kam immer eine Stunde zu spät, ganz raffiniert, die Spannung wuchs immer mehr, immer wieder ging einer vor die Tür "ist er schon da" nein, er kommt gleich - aber dann nach der Stunde kam er. Und dann der Badenweiler Marsch und als die Erregung und die Spannung auf dem Höhepunkt war, hörten sie mit sonorer Stimme: "Als ich als Soldat des I. Weltkrieges..." Das ist ein Mythos! Er hat etwas Unglaubliches gemacht. Er hat diesen gedrückten, verzweifelten, gedemütigten Deutschen einen Glauben eingehaucht. Er hat ihnen einen neuen Glauben und damit den Willen zur Selbstbehauptung zurückgegeben. Wenn man sich die Reden so ansieht, dann waren das quasi-religiöse Erweckungsreden, die an die Emotionen, an die Herzen rührten, von einem Mann, der bereit war, die Menschen aus dem Dunkel ihres Alltags und ihrer Verzweiflung in einen helleren und lichteren Tag zu führen.

Und nach 1933, wovon hat er denn da geredet? Nicht von der Judenvernichtung, nicht vom Eroberungskrieg gegen Russland, nicht von Weltherrschaftsaspirationen, die er nachher tatsächlich hatte, sondern was er den Deutschen verkündet hat war, dass er dieses Volk wieder als ein geachtetes Glied in den Kreis der Nationen zurückführen will. Er hat eine sittliche Erneuerung versprochen.

Der berühmte katholische Systematiker Michael Schmaus hat damals die Katholiken aufgefordert, sich an dieser Bewegung der sittlichen Erneuerung Deutschlands zu beteiligen, von den Protestanten ganz zu schweigen. Von Treue, von Familie, von der Lösung aller Not hat Hitler gesprochen und dann legte er los. In den ersten Jahren schien er alle Probleme, an denen die Weimarer Republik gescheitert war, zu lösen. Und dann 1936 die Olympiade. Die Welt kam und feierte Hitler und sein Reich. Churchill erklärte: Gottes Segen dem Volk, dem in einer solchen Situation wie den Deutschen ein Retter wie Hitler gesandt wird.

Kann man denn das verschweigen? Kann man so tun als ob das alles nicht gewesen ist?
Doch ja, leider, verehrter Herr Professor Rohrmoser — man kann! Man sollte es nicht, man dürfte es nicht, aber man kann! Unsere Gegenwart beweist es, und sie beweist ebenso, daß man es nicht sollte, ja nicht einmal dürfte, denn das heuchlerische Insistieren auf dem Gründungsmythos Nachkriegseuropas, der da lautet, daß nach 1945 das Heil gekommen sei, indem die Staaten Europs beschlossen, sich nach dem ABSOLUT-UNVERGLEICHLICH-BÖSEN zusammenzutun und dem Nationalstaat abzuschwören (feierlich-verbiestert in Deutschland, weniger feierlich, dafür klamm-heimlich im Rest), ist Geschichtsklitterung, nicht mehr. Jeder, der mit offenen Augen die Geschichte vor und nach 1945 betrachtet wird, dem zustimmen — doch keiner wird sich trauen, es anders als anonym zu machen, will er nicht ein Tête-à-tête mit dem Staatsanwalt (oder eine Aktion unserer gewaltbereiten Antifanten-Banden) riskieren.

Doch wer — wie eben dieses real existierende Nachkriegseuropa — sein Fundament auf Lüge und Verschweigen baut, der baut bloß auf Sand. Und man muß nicht erst, ganz bibelfest, die Bergpredigt zitieren, um zu beweisen, daß es kaum untauglichere Fundierungen gibt ...


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P.S.: Dank an Kollegen Walter, der mich auf diesen bemerkens- und bedenkenswerten Text aufmerksam machte.

2 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Wenn Hitler in seinem Wahlkampf vom Ersten Weltkrieg gesprochen hätte, wäre das Entsetzen unter den Zuhörern gross gewesen.
Noch 1943 nannte er den Ersten noch den "Grossen Krieg".
Zu Weltkriegen wurden beide nach 1945.Dann erst konnten sie
nummeriert werden.

kenner der lage hat gesagt…

prinzipiell richtiger einwand, nur ändert das detail nicht das geringste an der tatsache, dass unsere heutigen "historiker" ein ganz anderes bild der 20-erjahre zeichnen, bei dem ein auschwitz eigentlich rein zufällig noch nicht stattgefunden hatte - denn im herzen waren die deutschen ja schon längst nazis!