Dienstag, 18. Oktober 2022

Damals und heute ...

von Grantscherben
 
 
Gestern brachte mich ein alter Artikel von LePenseur auf recht "widersinnige" Gedanken: So mancher Vergleich mag "an den Haaren herbeigezogen" wirken und dennoch finde ich es interessant, die eine oder andere Parallele zu ziehen zwischen dem Damals und dem Heute.
 
Joseph II. – ein Reformer der vieles erreichen wollte und dennoch während seiner kurzen Amtszeit (1780-1790) bei vielen seiner Vorhaben (Pressefreiheit usw.) scheiterte. Das Volk erinnerte sich seiner erst als sich die politischen Umstände radikal änderten. Als sein Neffe als Kaiser Franz II./I. die Regierungsgeschäfte übernahm, fegte Napoleon wie ein Sturm durch ganz Europa.

Die Politik
 
Staatskanzler Metternich und seine Polizeispitzel regieren 1815 mit eiserner Hand. Zensur der Presse, Zensur bei Künstlern stehen an der Tagesordnung. Über Politik traute man sich kaum zu sprechen – zu groß war die Angst vor Konsequenzen. Ein Lockdown wie zu Coronazeiten gab es nicht, aber dennoch veränderte sich das Verhalten der Bürger. Der Rückzug ins "traute Heim" prägte eine ganze Epoche – "Biedermeier" – über Politik wurde kaum gesprochen, schließlich wollte man nicht anecken. Einige wenige Künstler (heute würde man sie als Staats-gefährder, Schwurbler oder ähnliches bezeichnen) trauten sich Miss-stände aufzuzeigen. (z.B. Nestroys Semmelanekdote: "Die Semmeln werden immer teurer und kleiner...«) 
 
Die Epoche des Biedermeiers dauerte bis  1848 - dem Jahr der Revulotion.
 
Das Klima - einstmals zu kalt, heute zu "heiß" ...

1815 - In jenen Tagen brach der Tambora mit einer Intensität von 7 auf dem Vulkanexplosivitätsindex aus (die größte Eruption seit dem Ausbruch des Taupo in Neuseeland). Was 1816 darauf folgte, ging als "Jahr ohne Sommer" in die Geschichte ein. In Deutschland wurde es als das Elendsjahr „Achtzehnhundertund-erfroren“ berüchtigt. Ein ungewöhnlich kalter Wetterverlauf in Europa mit Ernteausfällen, schwere Unwetter und Überschwem-mungen, Missernten und Schneefall in höheren Lagen das gesamte Jahr hindurch in Mitteleuropa. In der Schweiz schneite es jeden Monat mindestens einmal bis auf 800 m Meereshöhe und am 2. und 30. Juli bis in tiefe Lagen. Die niedrigen Temperaturen und heftige Niederschläge führten auf den britischen Inseln und in weiten Teilen Kontinentaleuropas, besonders in Deutschland, zu Ernteausfällen. Der Getreidepreis in Europa erreichte erst im Folgejahr (1817) das Anderthalbfache des Niveaus von 1815. Am stärksten betroffen war das Gebiet unmittelbar nördlich der Alpen: Elsass, Deutschschweiz, Baden, Württemberg, Bayern und das österreichische Vorarlberg. Hier erreichte der Getreidepreis im Juni 1817 das Zweieinhalb- bis Dreifache des Niveaus von 1815. 
 
Die niedrigen Temperaturen und anhaltenden Regenfälle führten in Teilen Europas hingegen zu kata-strophalen Missernten. Hungersnöte brachen aus. In der Zentralschweiz war die Hungersnot besonders groß, nach Beschreibungen des Frühmessers Augustin Schibig verzehrten die Leute „die unnatürlich-sten, oft ekelhaftesten Sachen, um ihren Heißhunger zu stillen“. In Ybrig, in Rothenthurm in der Alt-matt und in den Berggegenden „haben die Kinder oft im Gras geweidet wie die Schafe. Der Konstanzer Archivar Joseph Kastell berichtete, dass in den Ostschweizer Kantonen Hungrige unreifes Obst, kleine Schnecken sowie Blätter und gebrühtes Gras aßen.

Insbesondere das Elend in der Ostschweiz veranlasste Zar Alexander I. zu einer Spende von 100.000 Rubeln und Getreidelieferungen aus Russland. Frankreich gelang es besser, die Getreidepreise unter Kontrolle zu halten – sowohl in Frankreich als auch in Großbritannien linderten zudem Importe aus Russland die Not.

Zwischen 1816 und 1819 brachen in verschiedenen Regionen Europas und des östlichen Mittelmeer-raumes Typhus und die Pest aus. Typhus ist eine typische Begleiterscheinung von Hungersnöten, die besonders unter feuchten, unhygienischen Bedingungen grassiert. Es gibt Schätzungen, dass allein in Irland sich 800.000 Menschen mit Typhus infizierten und über 44.000 Menschen an Krankheit und Hunger starben. Der US-amerikanische Historiker John D. Post ermittelte für die Jahre 1816 und 1817 für einige Länder deutlich höhere Mortalitätsraten, von etwa +4 % in Frankreich bis hin zu mehr als +20 % in der Schweiz und in der Toskana.
 
Der Chemiker Justus von Liebig wurde durch die Erinnerung an die Hungersnöte zu seinen Unter-suchungen über die Bedingungen des Pflanzenwachstums angeregt. Als Ergebnis seiner Forschungen wurde die Mineraldüngung eingeführt, welche zu einer erheblichen Steigerung der landwirtschaftlichen Erträge führte.

Im südwestdeutschen Raum kam es zu Auswanderungen, insbesondere aus Württemberg, wo 1816 das Auswanderungsverbot aufgehoben worden war. Nachdem Werber der russischen Krone Auswande-rungswillige eingeladen hatten, hatte die Auswanderung nach Südrussland, zum Beispiel nach Bessara-bien, ihren Höhepunkt um 1817/18.

Kunst

Jahrzehntelang nach dem Vulkanausbruch kam es zu merklichen Veränderungen im Tageslicht. Besonders ausgeprägt war dies abends und morgens, da die Sonnenstrahlen auf ihrem dann längeren Weg durch die Atmosphäre auf eine Vielzahl von Aerosolpartikeln stießen, von diesen gestreut wurden und dadurch vornehmlich die langwelligen Anteile des Lichtspektrums (Rot) beim Betrachter ankamen. Die biedermeierlichen Sonnenuntergänge in Europa waren von nie dagewesener Pracht – in allen Schattierungen von Rot, Orange und Violett, gelegentlich auch in Blau- und Grüntönen. Die grandiosen Abendstimmungen und die intensiven Erdfarben, Ocker- und Gelbtöne der Gemälde und Aquarelle von William Turner, die außerhalb von Landschaften mit entsprechender natürlicher Farbgebung (etwa der Toskana und der Camargue) fast unwirklich erschienen, wurden davon sichtlich beeinflusst.

Literatur

Die britische Schriftstellerin Mary Shelley verbrachte den Sommer 1816 mit Freunden in der Nähe des Genfersees. Sie besuchten öfter Lord Byron in der nahegelegenen Villa Diodati. Aufgrund des extrem schlechten Wetters konnten die Anwesenden häufig das Haus nicht verlassen. So beschlossen sie, Schauergeschichten zu schreiben und den anderen vorzutragen. Shelley schrieb die Geschichte Fran-kenstein. Byrons Leibarzt John Polidori (1795–1821) verfasste Der Vampyr – eine Vampirgeschichte lange vor dem Entstehen von Bram Stokers Dracula. Lord Byron vollendete seine Geschichte nicht; er verarbeitete Eindrücke dieses Sommers in dem Gedicht "Die Finsternis" ...
(Quelle https://de.wikipedia.org/wiki/Jahr_ohne_Sommer)
 
Zurück zu Joseph II.: Mit dem Patent vom 1. November 1781 wurde in allen drei böhmischen Ländern die „Leibeigenschaft aufgehoben“ und an deren Stelle eine „gemäßigte Untertänigkeit nach dem Muster der österreichischen Erbländer“ eingeführt. So wurde der erwachsene Untertan rechtlich voll geschäfts-fähig und war nicht mehr von den verschiedenen Konsensen seiner Obrigkeit abhängig.
 
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P.S.: 1920 benutzte der Dramatiker Karel Čapek erstmals den Begriff robot „Roboter“, und zwar in dem utopischen Drama R.U.R. In der Geschichte baut die Firma Rossum auf biochemischem Weg erzeugte Fronarbeiter: Roboter. Eigentlich stammt das tschechische Wort robot, das in dieser Form ins Englische entlehnt wurde, von Karels Bruder Josef Čapek, und für die deutsche Endung -er sorgte der deutsche Übersetzer des Stücks. Grundlage des tschech. Wortes ist das Substantiv robota „Arbeit, Fronarbeit“, das auf das altkirchenslawische rab „Sklave“ zurückgeht.

Karel Čapek ist heute für seine Werke bekannt, die der Science-Fiction zugerechnet werden. Er steht darin Schriftstellern wie Aldous Huxley und George Orwell nahe. 

Es handelt vom Unternehmen R.U.R., das künstliche Menschen (nach heutigem Sprachgebrauch Androiden) herstellt. Diese „Robots“ werden als billige und rechtlose Arbeiter verwendet. Ihr massiver Einsatz in der Industrie verändert mit der Zeit die gesamte Weltwirtschaft. Im weiteren Verlauf des Theaterstücks rebellieren die Kunstmenschen jedoch und vernichten die Menschheit.

Der Name des Stücks R.U.R. steht für Rossum’s Universal Robots, die Firma, die im Stück die künstlichen Menschen erzeugt. Der Name „Rossum“ ist eine ironische Anspielung des Autors: das tschechische Wort rozum bedeutet Vernunft, Verstand.
 
Der Gestapo galt Karel Čapek (nach dem früheren Präsidenten Masaryk) als „Staatsfeind Nummer 2“, sein Bruder Josef Čapek, Maler und Schriftsteller, wurde bereits 1939 als einer der Ersten verhaftet, durchlitt die KZs in Dachau, Buchenwald und Sachsenhausen, bis er schließlich Anfang April 1945 im Konzentrationslager Bergen-Belsen an Fleckfieber starb.

In den 1930er Jahren setzte Karel Čapek sein literarisches Talent ein, um vor der Bedrohung durch Nationalsozialismus und Faschismus zu warnen. Auch zum Kommunismus hielt er Abstand. Seine produktivste Schaffensperiode lag in der Zeit der Ersten Tschechoslowakischen Republik (1918–1938)
Das kommunistische Regime der Tschechoslowakei nach 1948 tat sich zwar schwer, Karel Čapek anzuerkennen, da er nie von der Überlegenheit einer Diktatur des Proletariats gegenüber anderen Gesellschaftsformen überzeugt gewesen war. Bei der Beseitigung von Hochwasserschäden am Strž zog sich Čapek eine Lungenentzündung zu, an der er verstarb. Am 29. Dezember 1938 wurde er auf dem Vyšehrader Friedhof beigesetzt.

Zum Schluss noch ein Link zum Hörspiel R. U. R. mit recht prominenter Besetzung (produziert 1978 - BR/RIAS)

2 Kommentare:

Grantscherben hat gesagt…

Nachtrag der Link zum Hörspiel für Interessierte:
(R.U.R. - Rossums Universal Robots - Karel Capek - Hörspiel (1978)

https://www.youtube.com/watch?v=XGEae3gDVGQ

Das Hörspiel ist mit Heidelinde Weis und Susanne Uhlen usw.prominent besetzt.

Aber gerade in Bezug auf die letzten Aussagen von Heidelinde Weis im Kölner Treff möchte ich dazu folgendes anmerken:

Ich empfehle dieser guten Dame sich dieses Hörspiel wieder einmal anzuhören. Dazu ein paar literarische Werke wie "1984" und "Schöne neue Welt" . Sie möge in sich gehen und über ihre getätigten Aussagen nachdenken!

zum WDR und "seinem" klatschenden Publikum:

Konformitätsprinzip nach Asch in Reinkultur!

"Kölner Treff"
siehe hier:

https://www.youtube.com/watch?v=ixbuDTLx9-Y

Sandokan hat gesagt…

Sehr interessant, danke!