Montag, 14. Mai 2018

Mediengeschäft

von Fragolin

Ein siebenjähriges Mädchen, Tochter einer tschetschenischen Familie, wird mitten in Wien geschächtet (mediale Umschreibung: „mit Stichwunden im Hals“) und dann im Plastiksack in der Mülltonne entsorgt. In einer Mülltonne, zu der nur Hausbewohner des Blocks Zugang haben.
Natürlich blühen die Phantasien und Theorien, und dass diese Indizien gepaart mit bereits erfolgten Erfahrungen mit bestimmten Ethnien und Religionszugehörigkeiten ein fragwürdiges Licht auf die Familie werfen, ist verständlich. Das muss man nicht schönreden, dass das unappetitlich und pietätlos ist. Aber man kann daran eine wunderbare Automatik erleben, wie Medien heute funktionieren.

Jeder denkt ja, dass es fein ist, dass große Tageszeitungen ihre Artikel gratis ins Internet stellen, immerhin kann man so die interessierenden Artikel lesen und gleich auch noch kommentieren. Leserbrief is out, Kommentarposting is in. Und dann kann man auf die Kommentare auch noch antworten oder diese mit grün oder rot bewerten. Tolltolltoll!
Aber keiner denkt nach, wie das funktionieren kann mit dem „gratis“.

Nun, es geht so:
Jede Zeitung bedient ihre Klientel. Man wirft kleine Stöckchen hin, von denen man weiß, dass die Forengemeinde nur darauf wartet. Man kennt seine Schäfchen und weiß, wie die ticken. Es gibt Trigger, auf die springen die an wie Nachbars Lumpi auf eine läufige Hündin.

Da weist die „Krone“ ihre traditionell eher rechts und hausfraulich geprägte Klientel darauf hin, dass das Kind permanent allein draußen gelassen wurde und oft bis in die Nacht unterwegs war. Riecht nach Vernachlässigung. Dazu passt auch die Anzeige um halb zwölf in der Nacht. Durchschnittliche Siebenjährige sind zum Abendbrot drin. Und schon spult sich der ganze Reigen empörter Eltern ab, die es nicht fassen können, wie eine Familie so ignorant mit einem kleinen Mädchen umgeht, aber wir wissen eh, Moslems und Mädchen, und Tschetschenen sowieso, und dann auch noch Stiche in den Hals – die Blase kocht. Hunderte Kommentare, zigtausende Clicks – und mit denen verdient dann die „Krone“ ordentlich Geld, denn die halbe Seite besteht ja aus Werbeeinblendungen, und die werden nach Clicks bezahlt. Es ist eine reine Geldbeschaffung. Und bei hunderten Kommentaren sind eben auch mal drei oder vier dabei, die wirklich unappetitlich sind.

Daraus macht dann der „Standard“ einen Artikel darüber, dass „rechte Hetzer“ im Internet eine „Welle des Hasses“ gegen die arme Familie losgetreten hätten – und schon kreischt deren Klientel auf und es gibt hunderte Kommentarpostings, bei denen ebenso einige vor Hass und Hetze nur so triefen, und zigtausende Clicks – samt den damit verbundenen Werbeeinnahmen. So geht Medienbusiness heute. Empörung schüren, Leute aufstacheln, Clicks generieren.
Fakten?
Pfeif drauf!
Emotionen schaffen Kontostand!
Da werden wildeste Vermutungen angestellt, da wird aufgebauscht, da wird Aufregung geschürt. Es ist ein postfaktisches, emotionsgesteuertes Geschäft mit gefilterten und über geschickte Wortwahl mit gewollter Bedeutung gefülllten Informationen

Jeder Artikel in einer Zeitung hat nur einen Zweck: Geld damit zu verdienen. Früher ging das über Straßenverkauf und Abonnement, heute über Clicks im Netz. Medien sind eben nicht, wie sich gerne selbst sehen, die großen Informationslieferanten und Wertevermittler, Wahrheitsritter und Weltgestalter, sondern einfach nur Händler, deren Ware nur dann reißend Absatz findet, wenn sie entsprechend reißerisch daherkommt. Das Geschäftsmodell ist, genau die Emotionen anzusprechen und möglichst aufzuwühlen, über die man dann auch noch berichten kann, um noch mehr Emotionen aufzukochen.

Man kann sich schön langsam fragen, ob diese Medien, und das meine ich quer durch die Bank, nicht die eigentlichen Spalter und Radikalisierer in unserer Gesellschaft darstellen, denn je empörter und tobender der Mob, desto größer die Einnahmen. Und das würde auch erklären, warum wirklich gratis angebotene Blogs und Websites so bekämpft und pauschal als Brutstätten von Hass und Hetze bezeichnet werden – wenn die Leute erst mitbekommen, dass sie von denen, die keine finanziellen Interessen haben, besser informiert werden als von denen, die mit Emotionalität reich werden, könnte ihnen ein fettes Geschäft entgehen.

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