Sonntag, 29. Juni 2025

Heute vor 150 Jahren

von LePenseur
 
 
... starb zu Prag Ferdinand I, "der Gütige", Kaiser von Österreich und König von Böhmen (1835-1848) und bereits ab 1830 König von Ungarn (als Ferdinand V), hier auf einem Gemälde von Leopold Kupelwieser im prunkvollen Ornat des Ordens vom Goldenen Vlies zu bewundern:

Sproß vielfältiger Verwandtenehen und daher genetisch vorbelastet, galt er der Geschichtsschreibung lange als "geistesschwach", wenn nicht gar als "Idiot auf dem Thron" — eine Einschätzung, die in dieser Härte sicherlich unzutreffend genannt werden muß. Immerhin sprach er

... fünf Sprachen, beherrschte zwei Musikinstrumente, konnte sehr gut zeichnen, außerdem reiten, fechten und schießen und stand den Wissenschaften, den neuen technischen Erkenntnissen seiner Zeit und den Fortschritten in der Landwirtschaft aufgeschlossen gegenüber. 

wie Wikipedia in ihrem Artikel erwähnt. Trottel sind
dazu normalerweise nicht im Stande — aber sicher war er als Herrscher einer Großmacht zu Zeiten, als den Monarchen noch echte Entscheidungsfunktionen zukamen und sie nicht auf ein lächerliches "Grüßaugust"-Amt, das man ihnen heute zubilligt, beschränkt waren, nicht wirklich geeignet und es ist bezeichnend, daß kecke Studenten zu Zeiten der 1848er-Revolten ein Spruchband am Reiterstandbild des früheren Kaisers Joseph II (der ja trotz vieler Unbesonnenheiten und Schärfen in seiner Regierungsführung zweifellos kein Trottel war!) anbrachten, auf dem zu lesen stand:
 
Kaiser Joseph, steig hernieder,
Lenke  Deine  Völker  wieder !
Laß' in diesen schweren Zeiten
Lieber  Ferdinandum  reiten  ...

Was dem durch die Revolten ohnehin seelisch verunsichtern ("Ja, dürfen's denn das?", war seine fassungslose Reaktion auf die Aufstände seiner Untertanen) Monarchen den Entschluß zweifellos erleichtert haben mag, auf die weitere Regierung seines Reiches zu verzichten und diese — da selbst kinderlos — an seinen jugendlichen Neffen zu übergeben, der als Kaiser Franz Joseph I bereits mit 18 Jahren den Thron besteigen (und für weitere 68 Jahre innehaben) sollte.

Als "Kaiser im Ruhestand" lebte er fortan auf dem Hradschin, dem alten Königsschloß in Prag und erwies sich dann als überaus geschickter Verwalter seines ansehnlichen Vermögens, das nach seinem Tod dem Neffen (und regierenden Kaiser) zufiel. Franz Joseph soll, über die erstaunliche Höhe des ererbten Vermögens fassungslos, ausgerufen haben: "Jetzt weiß ich erst, was es heißt reich zu sein!" — denn bis dahin war sein persönliches Privatvermögen nicht eben üppig zu nennen.

Der große Dichter und k.k. Hofrat und Leiter des Hofkammerarchivs in Wien, Franz Grillparzer, dichtete aus Anlaß der Thronbesteigung Ferdinands das "Gott erhalte", die Volkshymne der Donaumonarchie um — und seine poetisch ebenso schwungvollen, wie auch der weit bescheideneren Lebenswirklichkeit des jungen Kaisers überaus taktvoll gerecht werdenden Verse sind zu schön, um einfach vergessen zu werden, also seien sie an den Schluß dieses kleinen Gedenkartikels gesetzt:
Gott erhalte unsern Kaiser,
Unsern guten Ferdinand!
Der du Throne hältst und Häuser,
Schirm ihn, Herr, mit starker Hand,
Laß, statt Lorbeer, Ölbaumreiser
Sprossen, wo er liebend stand;
Gott erhalte unsern Kaiser,
Unsern edlen Ferdinand.

Höher als kein Weltenstürmer
Strahl er in der Gnade Licht;
Jeden Rechtes ein Beschirmer,
Folg ihm dienend jede Pflicht.
Nur ein Guter ist ein Weiser,
Fluch ist ohne Herz Verstand,
Darum jubeln wir dem Kaiser,
Unserm guten Ferdinand!

Und die ihm zur Seite thronet,
Fromm wie wenig, mild wie er,
Hier schon als im Jenseits wohnet,
Segen spendet um sich her,
Bis der letzte Pulsschlag leiser,
Laß sie wandeln Hand in Hand;
Segn in ihr auch unsern Kaiser,
Unsern guten Ferdinand!

Mag dann Feind und Bosheit dräuen,
Sich erheben eine Welt,
Wer verlangt auch nach dem Neuen,
Dem das Alte wohlgefällt,
Müht euch ab, des Fremden Preiser,
Seht hier einig Fürst und Land.
Gott mit uns und unserm Kaiser,
Wir mit Gott für Ferdinand.

 

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