Das Thema beschäftigt die Befürworter und Gegner der BRICS Gruppe seit einigen Jahren. Und nicht nur diese Leute stellen Überlegungen zur Zukunft des Dollars an. Auch anderswo sorgt man sich einerseits um den hyperbolisch verlaufenden
Schuldenanstieg der USA, der den Schuldendienst – also die
termingerechte Bezahlung der Zinsen an die Gläubiger – zunehmend brisant
werden läßt. Andererseits hat das Einfrieren der russischen Devisenreserven von ca.
300 Milliarden US-Dollar im Jahr 2022 für weltweite Ernüchterung gesorgt
und die Frage aufkommen lassen: Wann könnten wir dran sein?
Da am Dienstag (morgen) der dreitägige BRICS-Gipfel im russischen
Kasan beginnt und die Erwartungen dazu hoch sind, möchte ich paar
Überlegungen dazu anstellen. Ich hoffe es gelingt mir, mich dabei verständlich auszudrücken, denn
die Materie ist nicht ganz so einfach, wie ursprünglich gedacht.
Und leider wird der Beitrag auch etwas länger, denn diese Überlegungen kann man nicht in drei Sätzen darlegen.
Warum wollen die BRICS-Staaten den US-Dollar als internationale Handelswährung ersetzen?
Einmal wegen der obengenannten ausufernden US-Verschuldung und weil der
Dollar von den USA seit Jahrzehnten als Waffe gegen Staaten eingesetzt
wird, die sich dem Regime der selbsternannten Weltpolizei entweder
politisch oder ökonomisch widersetzen. Das wurde als Problem erkannt und nun sinnt man über eine Alternative nach. Diese heißt UNIT, soll (nur) als Handelswährung fungieren und zu 40% mit
Gold gedeckt sein, während die anderen 60 % durch einen Währungskorb
repräsentiert werden, der Yuan, Rubel, Rupie und weitere Währungen
enthalten soll.
So weit, so gut. Aber ist die Idee dahinter wirklich eine gute, vor allem was den Währungskorb angeht? Um das herauszufinden, muß man erst einmal die Ausgangslage näher beleuchten. Als weltweite Handelswährung hat sich der US-Dollar seit Jahrzehnten gut bewährt. Ja, er ist im Wert gesunken, aber die anderen Währungen erlitten das gleiche Schicksal und das oftmals noch viel heftiger. Nicht bewährt hat sich dagegen die US-Politik, im Sinne der unruhig werdenden Handelspartner, siehe oben.
Das provoziert eine fast ketzerische Frage: Kann man denn überhaupt den US-Dollar von der US-Politik trennen? Blöde Frage, oder? Und die Mehrheit dürfte antworten, nein, das kann man nicht.
Meine Antwort dazu: Nein, das stimmt so nicht. Man kann das sehr wohl trennen und es wird auch schon seit etwa 70 Jahren so gemacht.
Wie bitte?
Ja, das Zauberwort heißt Eurodollar.
Was ist denn das überhaupt? Schauen wir dazu einmal bei Wikipedia nach.
Der Eurodollar ist keine Währung, sondern im Finanzwesen der
außerhalb der Vereinigten Staaten zirkulierende US-Dollar in Form des
Buchgeldes oder der Verbriefung. Der Wortbestandteil „Euro-“ weist
lediglich auf Europa hin, denn bei der Entstehung des Eurodollar gab es
die Währung Euro noch nicht.
Damit ist der Eurodollar ein Handelsobjekt außerhalb der Währungshoheit
der USA und bildet die Grundlage für Finanztransaktionen auf den
außeramerikanischen Finanzmärkten. Eurodollar sind nach der Definition
der BIZ jene US-Dollar, „die von außerhalb der USA erworben und zur
Kreditgewährung an Kreditnehmer unmittelbar in Dollar oder – nach
Umtausch – in einer anderen Währung verwendet werden“.
Quelle: https://de.wikipedia.org/wiki/Eurodollar
Sapperlot!Nicht-US-Banken können einfach so Dollar (im Sinn von Einlagen und Krediten) erschaffen.
Wie geht das denn?
Wir wissen bereits, daß der größte Teil von neuem Geld von den
Geschäftsbanken über Kredite geschöpft wird. Die Zentralbanken spielen
keine so große Rolle, wie zumeist angenommen. Die Gelderzeugung ist aber ein mehrstufiger Prozeß, der u.a. hier kurz erklärt wird.
Da die Einlagen bei Banken Forderungen gegen das Bankensystem
darstellen, werden diese als Geld bezeichnet. Zusätzliche Kredite führen
also über die Einlagenbildung zu einer Vermehrung der Geldmenge. Der
Geldschöpfungsprozeß kann im Bankensystem so lange vorangetrieben
werden, bis die freien Liquiditätsreserven durch die Mindestreserven
(die für Einlagen zu halten sind) und durch den Bargeldabzug bei der
Kreditverwendung aufgezehrt sind.
Quelle: https://wirtschaftslexikon.gabler.de/definition/geldschoepfung-34914
Über diese „wundersame“ Geldvermehrung wurde hier an anderer Stelle und vor langer Zeit ausführlich diskutiert. Wie ist aber nun der Eurodollar entstanden?
Gerüchte sagen, durch die Russen. In den Fünfzigern lieferte die Sowjetunion Rohstoffe in die USA oder nach Westeuropa. Dazu wurden sie von den Amerikanern in US-Dollar bezahlt. Aufgrund politischer Differenzen – z.B. DDR Aufstand 1953 oder Ungarn
1956 – fürchteten sich die Russen vor US-Sanktionen und der
Beschlagnahme ihrer ausländischen Devisenreserven. (Man beachte die Parallelen zu heute ...)
Daher deponierte der Kreml diese Gelder bei westeuropäischen Banken. Die zahlten auch Zinsen für diese Einlagen und haben ganz sicher auch
die sowjetischen Einlagen als Basis für neue Kredite verwendet, siehe
oben erwähnte Geldschöpfung. Nehmen wir als Beispiel an, die Sowjetunion hat ein Rohstoffgeschäft
getätigt und 10 Millionen Dollar dafür erhalten. Die europäische Bank
gewährt dafür 3,5 % Zinsen im Jahr. Nach einem Jahr wäre der Kontostand auf 10.350.000 Dollar angewachsen.
Doch wo kommen die Zinsen für diese Einlagen her? Nun, die erzeugen oder verdienen die Banken selbst, ohne Uncle Sam dabei um Erlaubnis zu bitten. Was ursprünglich mit zwei-oder dreistelligen Millionenbeträgen begann, wuchs in den Sechzigern in die Milliarden. Heute reden wir von vielen Billionen. Der Eurodollar Anteil, der auch AsiaDollar und andere nicht
US-Bankenbereiche umfaßt, ist mittlerweile größer als der
US-Heimatmarkt!
Als ich vor einem halben Jahr begann mich mit der Materie zu beschäftigen, habe ich nicht schlecht gestaunt. Das hatte ich bislang überhaupt nicht auf dem Schirm, auch wenn ich immer wieder einmal auf den Begriff Eurodollar gestoßen war. Und es kommt noch besser. Die USA stehen dieser Geldvermehrung weitestgehend hilflos gegenüber, da sie darüber keine echte Kontrolle ausüben können.
Schaut mal hier:
Im Jahr 2008, auf dem Höhepunkt der Finanzkrise, waren die größten Nutznießer der Notkredite der Federal Reserve nicht amerikanische, sondern europäische Banken.
Mittels eines Interbanken-Transfers, der als Liquiditätsswap
ausländischer Zentralbanken bezeichnet wird, lieh die US-Zentralbank
ausländischen Zentralbanken fast 600 Mrd. USD.
Während der Krise in der Eurozone öffnete die Federal Reserve diese
Dollar-Liquiditäts-Swap-Linien erneut und lieh notleidenden
ausländischen Instituten weitere 109 Milliarden Dollar.
Im Mittelpunkt dieser Rettungsaktionen für ausländische Banken stand ein Finanz-Instrument namens Eurodollar.
Quelle: https://scholarship.law.vanderbilt.edu/vjtl
Ist das nicht der Hammer? Nicht-US-Banken schöpfen US-Dollar ohne die Amis zu fragen und wenn die
Hütte brennt, kommt die FED-Feuerwehr vorbei, um den Brand zu löschen. Haben die Amerikaner das Problem, das ihnen irgendwann um die Ohren fliegen könnte, denn nicht erkannt? Doch, das haben sie. Aber sie haben auch begriffen, daß sie dagegen wenig unternehmen können,
denn durch diese permanente Liquiditätsquelle sind sie auch selber die
letzten Jahrzehnte bestens gefahren. Sie stabilisierte quasi die
Transfer- und Reservemechanik des US-Dollar.
Das rasche Wachstum des Eurodollarmarktes blieb nicht unbemerkt.
Bereits 1979 untersuchte der Kongreß die Möglichkeit, den Eurodollarmarkt zu kontrollieren.
..
Der Gesetzentwurf wurde zur Anhörung an den Unterausschuß für
inländische Geldpolitik und den Unterausschuß für internationalen
Handel, Investitionen und Geldpolitik verwiesen, wo er jedoch nicht
behandelt wurde.
In den folgenden Jahren haben die Vereinigten Staaten nicht versucht,
den Eurodollar-Markt in nennenswertem Umfang zu kontrollieren.
Quelle, wie oben.
Was sagt man denn dazu? Die Amis haben zwar die Weltleit- und Weltreservewährung erschaffen,
aber der „ungezogene Sohn“ setzt ständig neue „uneheliche Kinder“ in die
Welt. Inzwischen ist die Kinderschar riesig und nicht mehr überschau- bzw. kontrollierbar. Übrigens: das gibt es nicht nur beim US-Dollar, das funktioniert auch
beim Schweizer Franken, dem Britischen Pfund usw. und war auch ein
Thema bei der verblichenen Deutschen Mark.
Es würde jetzt zu weit führen noch mehr über das Thema zu sagen, denn
auch die US-Banken haben die Vorteile des Eurodollar erkannt und nutzen
diesen, da er viel weniger Kontrollen und Beschränkungen unterliegt,
als der „Heimat-Dollar“, der durch die US-Bankenaufsicht sehr wohl
reglementiert werden kann und auch wird.
Der berühmte Ökonom Milton Friedmann meinte einmal süffisant dazu,
daß der Eurodollar aus dem Stift eines Buchhalters stammt bzw. quillt.
Nun zurück zum UNIT und der anvisierten BRICS-Handelswährung.
Warum holen sich die UNIT-Strategen den Eurodollar – der letztlich auch US-Dollar ist – nicht in den Währungskorb? Damit wirtschaften die Asiaten doch seit vielen Jahrzehnten und niemand hat sich bislang daran gestört. Hier würde dann auch die gefürchtete Peitsche der US-Behörden fehlen,
denn diese mußten dem Treiben der unbeschränkten Dollarvermehrung
bislang tatenlos zusehen. Und genau das ist doch ein Ziel der neuen BRICS-Währung – eine fungibele und politisch unabhängige Handelswährung.
Also, liebe BRICS Strategen, denkt mal über dieses Thema nach. Ihr holt Euch allerbeste Liquidität ins Haus und Jerome Powell und Janet Yellen können wenig bis nichts dagegen tun. Und wenn sie es doch versuchen, dann würde das Desaster noch größer,
denn wie will man echte US-Dollar von Eurodollar unterscheiden? Und mit weiteren Sanktionen würgen sich die Amis selbst die Luft ab.
Die neue Welthandelswährung wäre also kein Gegenstück zum US-Dollar,
sondern sie baut auf diesem auf und vergoldet ihn auch noch. Durch den Blockchain-Charakter des UNIT würde dieser Dollaranteil auch transparent, was bislang nicht der Fall gewesen war. Natürlich muß dann die Wichtung im Währungskorb von Bedeutung sein – so etwa 30 bis 40 %.
Für die Einführung wäre das eine ordentliche Bombe, denn damit hätte vermutlich niemand gerechnet.
Nichtsdestoweniger muß das „schreckliche Kind“ Dollar unter
Beobachtung bleiben, denn die US-Schuldenspirale wird final auch auf den
Eurodollar rückkoppeln, weil „alle Welt“ mit diesen Hintergründen
nichts am Hut hat und wenn die Kisten ins Rutschen kommen, will keiner
über deren Aufkleber nachdenken
Beim UNIT könnte man dann ggf. den Goldanteil oder die anderen Währungsanteile erhöhen, falls nötig.
Fazit:
Sobald eine Währung konvertibel gemacht wird, entsteht ein
„Schattenmarkt“, der langsam beginnt und dann immer größer wird und
legal mit dem Ursprungsmarkt verschmilzt. Damit wird aber auch die
nationale Währungshoheit aufgegeben. Das ist der Preis, der offenbar für die weltweite Konvertibilität einer Währung zu zahlen ist.
Die Zauberer der FED und des US-Finanzministeriums stehen mit
heruntergelassenen Hosen da und können nur reagieren, jedoch nicht mehr
agieren.Wer hätte das gedacht?
Das erinnert mich an ein Kinderbuch von Alexander Wolkow mit dem
Titel „Der Zauberer der Smaragden-Stadt“, vermutlich eine Adaption des
Zauberers von Oz. Der schreckliche Magier Godwin entpuppte sich als Showman ohne wirkliche Magie. Aber alle hatten Angst vor ihm.
Damit kann auch die berühmte Abkopplung des Goldes vom Dollar im August 1971 neu bewertet werden. Das war sicherlich ein bedeutendes Ereignis, hatte aber nicht die
Sprengkraft, wie meistens unterstellt, denn bereits 15 Jahre zuvor
begann eine separate US-Dollar Quelle zu sprudeln. 1971 sollen die Eurodollar Einlagen ca. 30 Milliarden betragen haben ... nicht so aufregend könnte man meinen. Doch vor über 50 Jahren waren 30 Milliarden eine andere Hausnummer.
-----
P.S.: Falls jemand das Thema Eurodollar und dessen Funktions- und
Wirkungsweise näher interessiert, kann ich die Website der Eurodollar
University von Jeff Snider bestens empfehlen.
Bei Bedarf bitte hier entlang: The Monetary Fifth Column: The Eurodollar Threat to Financial Stability and Economic Sovereignty von Stephen A. Fowler
Quelle: https://scholarship.law.vanderbilt.edu/vjtl/vol47/iss3/5/
Und für Spezies, die dazu auf dem Laufenden bleiben möchten, noch der Link zur Eurodollar University von Jeff Snider und seinen Beiträgen
auf Youtube: https://www.youtube.com/channel/UCrXNkk4IESnqU-8GMad2vyA. Nein, ich bekomme keine Provision von Herrn Schneider.
Übrigens, das Thema Eurodollar war in den Sechzigern und Siebzigern
durchaus präsent, was auch die Quellensuche indiziert, die oftmals auf
"in die Jahre gekommene" Schriftstücke verweisen. Irgendwann ist das Thema vergessen worden, doch das Problem wurde immer größer.