Mittwoch, 1. April 2015

Fürst Bismarck



... wurde heute vor zweihundert Jahren, am 1. April 1815, geboren. Über dreiundachtzig Jahre später, am 30. Juli 1898, ist er gestorben. Ein Staatsmann, wie ihn Deutschland — nein: die Welt! — vor- oder nachher nur ganz selten hatte. Den meisten seiner Zeitgenossen war das bewußt. Die Heutigen haben es meist vergessen und verdrängt — er ist ein Name aus dem Geschichtsbuch, aus noch dazu höchst peinlicher Geschichtsepoche, wie fast alles, was vor 1968 (insbesondere vor 1945) liegt ...

Die Verse, die Theodor Fontane einen Tag nach dem Tode Bismarcks gedichtet hat, zählen fürwahr nicht zu seinen besten, doch sie spiegeln höchst treffend die Stimmung der weitesten Kreise des deutschen Volkes, deshalb seien sie hier zitiert:

Wo Bismarck liegen soll
(Geschrieben am 31. Juli 1898)

Nicht in Dom oder Fürstengruft,
er ruh' in Gottes freier Luft
draußen auf Berg und Halde,
noch besser tief, tief im Walde;
Widukind lädt ihn zu sich ein:
»Ein Sachse war er, drum ist er mein,
im Sachsenwald soll er begraben sein.«

Der Leib zerfällt, der Stein zerfällt,
aber der Sachsenwald, der hält,
und kommen nach dreitausend Jahren
Fremde hier des Weges gefahren
und sehen, geborgen vorm Licht der Sonnen,
den Waldrand in Efeu tief eingesponnen
und staunen der Schönheit und jauchzen froh,
so gebietet einer: »Lärmt nicht so! –
Hier unten liegt Bismarck irgendwo.«


 (Wo er tatsächlich ruht: Bismarck-Mausoleum in Friedrichsruh)

Ein Gedicht des jungen Richard Dehmel wenige Tage nach Bismarcks Rücktritt 1890 zeigt freilich andere Größe, und relativiert die auf Wikipedia zu lesende Behauptung: »Die Öffentlichkeit reagierte mehrheitlich erleichtert auf den Rücktritt«. Teile der Öffentlichkeit — zweifellos, doch ebenso weite Teile eben nicht! Und unter dem Eindruck der Eskapaden Wilhelms II gewannen letztere, denen das »persönliche Regiment« des jungen Monarchen zu sprunghaft und selbstherrlich erschien, bald die Oberhand.

Glocken - Glocken -
sonst den Donner klagen wir,
sonst den Flammensturm frohlocken wir:
heut frohlocken, Volk, um Dich -
heut um Dich, Bismarck,
klagen unsre Zungen, -
aber immer
widerhallt aus unserm
Mund die Kraft.

Immer hungernd,
dumpf, bang nach Opfern
ruft der Mund der Kraft.
Doch auch immer
auf zu dumpfen Jubellauten
thut den Mund die dunkle
Mutter dann;
denn auch immer
zeuget, zeuget Opfer sich
jung
immer jung der Schooß der Kraft ...
Nur ein Hauch
kommt und rühret das Gebot der großen
Mutter die Erkornen;
doch dahingezogen
folgen sie gebannt und wachsen
zu den Wolken, -
folgen sie und wankend
bebt der Boden, -
folgen sie
und
fallen.

Einem Schooß entrungen,
Einem Muttergrunde,
rollt der Strom
und
quoll der Glut-
Block,
der nun - kalt - die Wogen
staut empor.
Hingetürmt, stolz,
hochenthoben dem Gebrause,
starr thront das Lavahaupt,
ruhet die gewalt'ge Sohle, -
schaut: starrer immer,
nur gewaltiger noch
von der Wucht der Brandung
eingebohrt dem Boden, der ihn schuf! -
Aber aufgebäumt nun,
voller prallt und wühlt und kocht die hohe Flut,
schaut: voller immer,
und es wankt die Sohle, wankt das starre
stolze Haupt,
das zur Macht den Drang der Woge
dämmend hob.
Horcht: grollend krachen,
rauschend drohen
ringsum dunkle Jubelklagelaute, -
horcht in Ehrfurcht:
heut der Kraft gefallen
ist ein Opferzeuge! -

Ruhe, ruhe,
Bismarck, graue Klippe du -
rolle, rolle,
Volk, du auferwachte junge Stromflut -
hohl verhallet
eurer keuchenden Umarmung
dumpfer Odem,
ausgerungne Opferschlacht! -
Doch die Woge, doch wohin die Woge?
denn auch Er, der heute
übers alte Haupt dir, Du Gesunkner,
hoch hinweggeschäumt im Zollern-Stolze:
ja, ein Schaum nur sprüht er,
der die Woge,
die empörte junge Woge krönt.

Doch wohin, wohin die junge Woge? -
Lausche, deute, lausche,
der dein Haupt Du selbst gefürstet,
der erfüllet
das Gebot der großen Mutter Du:
lausche du den fernen Glocken,
wenn du wandelst
stumm im öden Parke, wo im Winde
schwanke Schatten streun die hohen
dunklen Lebensbäume:
lausche dann und deute
du der Glocken bange Laute dann:
Sohn der dunklen
immer jungen
nimmer satten Mutter Du -
der Kraft ...

Ob Bismarck dieses von hallendem Pathos getränkte Gedicht kannte? Was er — wenn er's denn kannte — dazu sagte? Vermutlich wäre es ihm, dem herausragenden, doch knappen Stilisten der »Gedanken und Erinnerungen« wohl zu verstiegen vorgekommen. Beschließen wir den Gedenk-Artikel daher mit den Versen des ersten »richtigen« Literatur-Nobelpreisträgers Deutschlands, Paul (von) Heyse — welcher im Jahr 1892 in heiter-elegant dahinperlenden Versen sang über
Fürst Bismarck in München
Du weißt es aus der Zeitung schon: auch wir
In München hatten unsre Bismarcktage,
Denkwürd'ge Tage wahrlich, eingezeichnet
Mit Goldschrift in die Chronik unsrer Stadt,
Von jener Nacht an, wo die Tausende
Die späte Mitternacht herangeharrt,
Nur um mit brausendem Jubel ein Willkommen
Ihm zuzujauchzen, bis zum dritten Tag,
Da das Geleit man gab dem Scheidenden,
Begierig jeder, einmal noch sein Antlitz
Zu schaun, zu hören seiner Stimme Klang,
Und überglücklich gar, wem es vergönnt,
Die Hand zu drücken, die ein Menschenalter
Die eherne Wage hielt der Weltgeschicke
Und um Germanias Haupt den Lorbeer wand.

Mein Häuschen, weißt du ja, liegt nachbarlich
Dem Haus des Freundes, des berühmten Malers,
Drin der erlauchte Wandrer Herberg fand.
Und so von früh bis spät vor meiner Tür
Sah ich die Volksflut hin und wieder wogen
Und aller Blicke scharf hinüberspähn,
Ob am Balkone dort der hohe Gast
Erscheinen möchte, dann in stürmischem Zuruf
Ausströmend alle Lieb' und allen Dank;
Indessen jene dunklen Ehrenmänner,
Die, weil sie zwergenhaft, dem Riesen grollen,
Bei Tag verstummten, um im Diebesschatten
Der Nacht ohnmächtig in den Freudenchor
Des Volks ihr hämisches Gezisch zu mischen,
Bis wütend eines Rächers derbe Faust
Die Schandgesellen züchtigte. Du lasest
Wohl von den festlich bunten Zügen auch:
Studenten, Künstlern, schlichten Handwerksleuten,
Die mit Musik und Fackeln Nacht für Nacht
Vorüberwallten, manch treuherz'gen Spruch
Hinsendend zur Altane, wo der Gast
An seiner Gattin Seite lauschend saß,
Bis er dann plötzlich die gewalt'gen Glieder
Erhob und aufrecht, mit entblößtem Haupt,
Die Menge streifend mit dem Löwenblick,
In stockender Rede sonder Prunk und Pomp,
Doch sein Gepräg auf jedem Wort, dem Volk
Darbrachte seine Seele, dankbewegt,
Indes der Fackelschein die bleiche Stirn
Umspielte, wie das elfenbeinerne Haupt
Des Zeus, das von ambrosischen Locken freilich
Umwallt war, während unser Donnerer
Nur mit dem Schütteln seiner buschigen Brauen
Heut noch erschüttern könnte den Olymp.

Dann, als verstummt die laute Festlichkeit
Und in des Hausherrn reichgeschmückte Werkstatt
Der Ehrenmüde sich zurückgeflüchtet,
Ruht' er behaglich noch ein Stündlein aus,
Hausväterlich den Wolkensammler spielend,
Um ihn ein Kreis Vertrauterer. Und lieblich
War's anzuschaun, wie er so ritterlich
Zu schönen Fraun sich neigte. Dennoch stets
Umwittert' ihn ein seltsam fremder Hauch.

So menschlich sich uns gab der Übermensch,
Bedacht, es allen wohl zu machen, heimlich
Blieb eine Spannung in uns rege, wie
Genüber einem Gast aus andrer Welt.
Ich selbst, sonst ohne Menschenfurcht, gewohnt,
Vor irdischer Größe nicht den Blick zu senken,
Vor diesem Hohen wandelte mich doch
Ein Schauer andachtsvoller Ehrfurcht an.
Dies Antlitz, sagt' ich mir, das hier dich grüßt
In Fleisch und Blut, – wenn lange schon der Odem,
Der es beseelt, ins All zurückgeschwebt,
Der letzte Blick aus diesem Herrscherauge
Versprüht ist und der Mund, auf dessen Wort
Der Erdkreis lauschte, stumm für ewig ward,
Dann, wie das Sphinxhaupt, das im Wüstenbrand
Noch unverschüttet auf zur Sonne ragt,
Ob auch jahrtausendalter Flugsand rings
Emporgeweht ist, wird dies Heldenhaupt
In mächt'gem Umriß noch die Blicke bannen,
Die Stirn, die weltenweite Pläne barg,
Von der Geschichte Nebelglanz umhaucht.
So vor dem schicksalsvollen Manne klopfte
Das Herz mir in der Brust, und nur beklommen
Von meinen Lippen löste sich das Wort.
Was hatt' ich ihm zu sagen, der Poet,
Der Mann der Träume, diesem Genius
Der Tat? der Zeichendeuter, der die Schrift
In Menschenherzen zu entziffern sucht,
Ihm, der des Volkes Herz zu lenken wußte
Zu glorreich hohen Zielen? War's nicht auch,
Wenn sinnend er das Ohr der Rede neigte,
Als lausch er doch nur halben Anteils hin,
Da Geisterstimmen, ihm allein vernehmbar,
Ihm Zauberlieder sangen, wundersam
Wie ferner Schwertklang, freud'ger Glockenton,
An seiner Größe Siegeslaufbahn mahnend?
Wie? oder wünscht' er nur sich weit hinweg
Aus allem Festlärm in sein Waldasyl,
Zwiesprach zu halten mit dem eignen Herzen
Und nachzusinnen seines Volks Geschick?
Nur halb der Unsre schien er, halb gehört' er
Sich selber an, in strenger Einsamkeit.
Und so, wie mir, erging's den andern auch,
Die ihn umringten, ja der Hausherr selbst,
Dem alle Geister muntrer Rede sonst
Gehorchen, heute war er seltsam still.
Weißt du, was plötzlich in den Sinn mir kam?
Das Märlein von Admet, dem Thrakerkönig,
In dessen schimmernder Hofburg Herkules
Zuweilen vorsprach, als verehrter Hausfreund
In Zwischenakten seiner Ruhmestaten
Sich menschlicher Gesellschaft zu erfreun.
Damals, wenn des Gewaltigen Schritt erklang
Drauß vor der Halle, wohl erbebte da
Den andern Gästen insgeheim das Herz.
Denn nicht geheuer schien den Sterblichen

Des Halbgotts Nähe. Trat er dann herein,
Mit güt'gem Nicken erst des Hauses Herrin,
Die liebliche Alceste, dann die andern
Begrüßend, atmete die Tafelrunde
Ein wenig auf, weil sie ihn furchtbarer
Gedacht, der nun so höflich sich betrug,
Und fühlte sich geehrt und endlich gar
Ermutigt zu bescheidnem Scherzeswort,
Wozu er menschenfreundlich lächeln mocht',
Indes er übermenschlich aß und trank.
Doch ganz vertraulich trat ihm keiner nah.
Die Keule, die Nemeas Löwen schlug,
Jetzt als ein Wanderstab im Winkel lehnend,
Streiften verlegne Blicke nur. Das Fell
Des Ungeheuers, das die nackten Schultern
Des Siegers als ein Reisekleid umhing,
Wer hätte dran zu zupfen sich getraut,
Als etwa des Admet unmündig Kind?
Alceste nur, der Hausfraunpflicht gedenk,
Trat lächelnd näher, dem durchlaucht'gen Gast
Den bauchigen Krug mit kühlem Bier zu füllen,
Indes sein Leibarzt ihm die frische Pfeife
Darbot – doch halt! Wohin verirr ich mich?
Wir sind in Thracien nicht, in Bayerns Hauptstadt,
In Lenbachs Haus, und unser Heros, hat
Er Taten auch vollbracht herkulischer Art,
Die Hyderköpfe deutscher Stammeszwietracht
Ausbrennend, manchen Diplomatenstall
Ausmistend und im fernen Westen uns
Des Friedens Hesperidenäpfel pflückend,
Nicht eine Keule führt er, nur den langen
Berühmten Stift, und seine Glieder hüllt
Kein Löwenfell, ein Gehrock züchtig ein,
Auch nach der Göttertafel im Olymp,
Wo jenem von der lilienarmigen Hebe
Nektar kredenzt ward, wandelte den Unsern
Wohl schwerlich die geringste Sehnsucht an,
Da seines Gastfreunds blonde junge Hausfrau
Mit echtem Hofbräu ihm den Humpen füllte,
Bis warnend dann sein Arzt den Finger hob:
Durchlaucht, 's ist Schlafenszeit. – Alsbald gehorsam
Erhob er sich, mit freundlicher Gebärde
Uns gute Nacht zuwinkend. Und wir blieben
Noch still beisammen, in Gedanken, daß
Wir eine Stunde lebten, die man noch
Uns neiden wird in fernster Enkelzeit.

Wer neidet Heyse »in fernster Enkelzeit« diese Stunde? »Heyse — who the f... is Heyse?« wäre wohl die Antwort der meisten Germanistik-StudentInnen. War der antifa- & gender-relevant? Wenigstens links? Nööö, also auf den Misthaufen damit ... wie mit Bismarck.

Ein Volk, das seine Vergangenheit und sein Kulturerbe vergißt, hat keine Zukunft. Und wenn es weiter mit einer — ohnehin schon durch mitgezählte »Mihigru«-Kinder aufgehübschte — Geburtenrate von 1,4 dahinsiecht, noch weniger. Bismarck wird den Untergang des deutschen Volkes überleben, wie ein Alexander den der Makedonier überlebt hat (die man, bitte, nicht mit der heute dort ansässigen Balkan-Mischkulanz der »Mazedonier« verwechseln sollte ...). Ob ihn GenderInnen mit Binnen-I und PC-Fimmel überleben werden, darf hingegen durchaus bezweifelt werden.

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