Freitag, 5. Juli 2013

»Freiheit und Demokratie kommen nicht aus Gewehrläufen«

... betitelt »Die Presse« ihren heutigen Leitartikel aus der Tastatur von Wieland (nicht dem Schmied, sondern dem) Schneider.
So sieht es aus, wenn Soldaten aufmarschieren, um die Demokratie zu retten: Der gewählte Präsident Ägyptens und die Führer der größten politischen Bewegung sitzen in Haft, Medien wurden geschlossen und Panzer verhindern, dass dagegen protestiert wird. [...]

Doch, und das ist die Crux, Mursi und die „Freiheits- und Gerechtigkeitspartei“ der Muslimbrüder sind an die Spitze des Staates gewählt worden. Zwar waren diese Abstimmungen keineswegs perfekt: weil etwa Stimmenkauf im Spiel war und weil von vornherein klar war, dass die liberalen und linken Parteien, die sich nach dem Ende der Mubarak-Diktatur erst organisieren mussten, gegen die Muslimbrüder-Maschinerie nie eine Chance haben würden. [...]

Sobald Mursi und seine Gesinnungsgenossen an der Macht waren, verhielten sie sich freilich alles andere als demokratisch, mit ihrer „Wir sind die Stärksten, also bekommen wir alles“-Einstellung. Etwa, als es darum ging, eine neue Verfassung zu zimmern, oder als sie begannen, die Institutionen mit ihren Gefolgsleuten zu durchsetzen. All das wurde von der Opposition und den Demonstranten auf dem Tahrir-Platz zu Recht kritisiert. Doch beim Versuch, das Pendel nun in ihre Richtung ausschlagen zu lassen, setzen sie nicht nur auf hochproblematische Methoden, sondern auch auf einen hochproblematischen Verbündeten: Mithilfe putschender Generäle mehr Demokratie erkämpfen zu wollen, gleicht der Fahrt durchs Gelände auf dem Heck eines Kampfpanzers, den man selbst nicht steuert.
(Hier weiterlesen)
Nun, das klingt wenige Tage vor dem 20. Juli etwas pikant in den Ohren, denn es wäre haargenau die 180° entgegengesetzte Argumentation, mit der man die Nicht-Beteiligung bspw. einem Guderian oder Manstein (derer auf diesem Blog unlängst gedacht wurde) schuldhaft vorwirft. Denn wie Mursi ist auch Hitler ganz legal an die Macht gekommen, ernannt von einem demokratisch gewählten Reichspräsidenten, unterstützt von einer klaren Reichstagsmehrheit, die damals unter zweifellos noch viel perfekteren Umständen abliefen als je eine ägyptische Wahl.

Nicht, daß ich dieser Argumentationslinie nicht folgen könnte — aber, bitteschön, liebe Gutmenschen & PC-Streamliner: entscheidet euch, was ihr als gewünscht, und was ihr als verwerflich betrachtet! War »Operation Walküre« ein demokratisch bedenklicher Militärputsch, dann dürft ihr euch heute auch bei Mursi aufregen. Sonst nicht!

Natürlich höre ich sofort den Aufschrei, daß man Mursi doch um Gottes (bzw. Allahs) willen nicht mit Hitler vergleichen könne! Na, sicher gibt's da Unterschiede — und deren zwei entscheidenste wären:
1. Mursi war nach einem Jahr weggefegt — Hitler erst nach zwölf.
Und, noch wichtiger:
2. die ägyptischen Militärs waren erfolgreich — Stauffenbergs Anschlag hingegen nicht.

Sie schreiben, geschätzter Herr Redakteur, in Ihrer Schlagzeile völlig zutreffend:

»Freiheit und Demokratie kommen nicht aus Gewehrläufen.«

... und wer wollte Ihnen da widersprechen! Doch dieser Satz bedarf einer entscheidenden Ergänzung:

»Aus den Moscheen noch viel weniger.«

5 Kommentare:

F. M. hat gesagt…

»Aus den Moscheen noch viel weniger.«

PS: ... aber aus der römisch-katholischen Kirche!

Molot hat gesagt…

"Freiheit und Demokratie kommen nicht aus Gewehrläufen."
Vor allem treten die Beiden nie gemeinsam auf.
Aus Gewehrläufen können aber sowohl Freiheit, als auch Demokratie kommen.
Das hängt nur davon ab, wer das Gewehr in der Hand hat.

eulenfurz hat gesagt…

Wie faßte schon vor einigen Monaten ein Kommentator so treffend das Wesen des Demokratismus zusammen:

"Demokrat ist, wer die Knarre in der Hand hat."

http://eulenfurz.tumblr.com/

Anonym hat gesagt…

(... bzw. Kreuzweis)

Nicht aus Gewehrläufen? Aber aus den Schächten von Liberty-Bombern vielleicht?

Ja, "Freiheit", dieses nebelige Wieselwort aus der Sippe der noch nebulöseren "Menschenrechte".

Der Muselman mit schariakonformen IQ mag es durchaus als Freiheit ansehen, in Rufweite eine Moschee zu haben überall seine geliebten Gebete verrichten zu dürfen. Oder bei Bedarf einem Schweinefresser auf den Kopf zu sprigen.

Die Muslimbrüder waren diesbezüglich ganz radikale Freiheitsfreunde. Mursis Hetze gegen die Schiiten, Aleviten und Kopten - gegen Iran und Syrien - ließen viel noch tätigen Befreiungswillen erahnen.

Fall jemand einen Wunsch nach Verständnis des Wundersamen Geschehen dort hat: ein Ludvik Medved hat es gut erklärt auf:
juergenelsaesser.wordpress.com/2013/07/04/mursi-gesturzt-vorsicht-vor-verfruhtem-jubel/

Der Heide hat gesagt…

»PS: ... aber aus der römisch-katholischen Kirche!«

Genau *rofl* Brauche ich dafür genauso wenig, danke.


Ansonsten: Wieder sehr schön das Zwiedenken aufgedeckt.