Habemus Papam. Der Medien-Hype ist speziell heute, in diesen Minuten, auf Hochtouren, die Pilger (und was sich in den Medien so nennt) fluten seit Tagen nach Rom, das Mega-Ereignis auf dem Petersplatz will schließlich gekonnt ge-covered werden. Papstwahlen sind keine allzu häufigen Ereignisse, also muß jetzt, wenn schon eines der drei traditionellen Highlights, die Übertragung des Requiems für den Vorgänger, leider ausfallen mußte, Quote gemacht werden. Am Samstag wandte sich der neue Pontifex in freundlichen Worten an die Presse-Vertreter in Rom. Ich kann nur hoffen, daß die peinlichen Dummschwätzer, die auf faktisch allen deutschsprachigen Öffis die letzten Tage und Nächte mit ihren von wenig Sachkenntnis angekränkelten, dafür aber mit umso mehr vorgefertigter Meinungs-Stanzware ausstaffierten Kommentaren zur Qual machten, nicht bei der Audienz zugelassen waren (oder wenigstens nur ganz hinten).
Heute vormittag also findet die offizielle Amtseinführung statt. Früher mal war das eine hochfeierliche Angelegenheit: die Sedia Gestatoria, auf der Loggia die Krönung mit der Tiara, und so, davor mit einem routinierten Monsignore des Hofstaates, der am Weg durch den Petersdom dem Papst vorangehend, mehrmals eine Flocke Werg anzündete und verglühend achtlos zu Boden fallen ließ, murmelnd: »Memento, Domne — sic transit gloria mundi!« Das hatte Stil … …
Mal sehen, was sich davon ins Jahr 2013 rettet. Die Krönung mit der Tiara wohl definitiv nicht. Geht doch net, weil der doch für die Armen ist, wenn er sich schon Franziskus nennt … und außerdem, Travnicek, wer braucht sowas in Zeiten der Wirtschaftskrise und angesichts der Ungerechtigkeit in der Welt, und überhaupt! Hach, wie sind wir doch selig in der neuen Armut — geradezu armselig! Don Alipius schreibt zu derlei Überlegungen in gewohnter Treffsicherheit:
Sollte er z.B. neue Gewänder für päpstliche Liturgien anschaffen, nur, weil die neu angeschafften bescheidener oder ärmlicher oder demütiger ausschauen als die, die in sicherlich nicht geringer Anzahl bereits im Vatikan herumhängen, dann wäre das für mich eine Obszönität. (Hier weiterlesen)
Meine Frau, die manchmal (ganz, ganz selten natürlich nur ...) ein klein wenig boshaft sein kann, meinte spitzzüngig dazu:
»Er kann die alten Sachen ja auf Ebay versteigern lassen und den Erlös nach Afrika schicken. Oder er verkauft alles an Dolce & Gabbana, die machen dann aus dem Brokat exquisite Damen-Handtaschen« — ja, ja, auch so geht »Option für die Armen« ...
Videntes autem discipuli, indignati sunt, dicentes: Ut quid perditio hæc? Potuit enim istud venundari multo, et dari pauperibus. Sciens autem Jesus, ait illis: Quid molesti estis huic mulieri? Opus enim bonum operata est in me. Nam semper pauperes habetis vobiscum: me autem non semper habetis. (Mt. 26, 8-11)
Nicht ohne Berechtigung sagt man, jedes Volk habe die Regierung, die es verdiene. Und offenbar auch jede Zeit das Maß an Stil und Feierlichkeit, das sie verdient. Hieß es früher, dem Kaiser zu geben, was des Kaisers ist, und Gott, was Gottes, so heißt es im Zeitalter der Jessicas und Kevins eben: gebt dem Ochlos, was des Ochlos’ ist (um es bildungsbürgerlich auszudrücken). Würdig ist out, telegen lächeln in. Und etwas Smalltalk. Und ein Rotkreuz-Hund (n-tv : »Das wird wohl das Bild des Tages«), nicht zu vergessen! Man kann’s bedauern, ändern wird man’s wohl nicht können. Wenigstens, solange es die Maßgeblichen nicht ändern wollen.
Ich verweise hier kurz auf meine vor ein paar Wochen gebrachten Gedanken unter dem Titel »
Ämter: Würden und Funktionen«. Was ich darin als Befürchtung aussprach, dürfte sich also bewahrheiten: die Funktionalisierung (und damit Banalisierung) kirchlicher Ämter hat nunmehr erkennbar endgültig die Spitzenfunktion der Katholischen Kirche erreicht. Interessant ist in diesem Zusammenhang freilich, daß mit der Funktionalisierung keineswegs ein Verzicht auf Symbole einhergeht — sie werden nur andere. Das Symbol des mit der Tiara (korrekt »Triregnum« genannten), also mit drei Kronreifen quasi »potentiiert« gekrönten Stellvertreters Gottes auf Erden wird durch das Symbol des im Gemeinschaftsbus mitfahrenden Papstes — »Ecce Kumpel«, sozusagen — ersetzt. Ich mache kein Hehl daraus (und wer diesen Blog kennt, wird nicht überascht sein), daß mir die früheren Symbole (wenn ich sie auch nur als »bloßes« Symbol, nicht wie die unhinterfragt Gläubigen als quasi »Realsymbol« ansehen konnte) lieber waren. Die neuen sind für mich zu sehr nach dem Geschmack von Hollywood oder CNN (je nachdem).
Den weitblickenden Propheten zu spielen, und schon nach ein paar Tagen den weiteren Verlauf, oder gar die historischen Nachwirkungen eines Pontifikates vorherzusagen, maße ich mir nicht an. Wir werden es ja jeden Tag, also früh genug, miterleben. Ich sage nur, daß mich persönlich jedenfalls Stil und — wenigstens auch teilweise — die offiziös transportierten »Inhalte« des neuen Pontifikates mit etwas diffusem Unbehagen erfüllen. Damit ist, um kein Mißverständnis aufkommen zu lassen, keineswegs gesagt, daß mir die etwas hemdsärmlig-»pastorale« Art des neuen Papstes ganz aus Prinzip unsympathisch wäre. Nein, als Erzbischof einer Großdiözese in der Neuen Welt ist so etwas völlig in Ordnung, da wäre beispielsweise ein Bischof von einer luzid-feinsinniger Klassizität à la Vincenzo Gioacchino Pecci (später
Papst Leo XIII) eine klare Fehlbesetzung. Aber der Tiber ist eben nicht der Rio de la Plata …
Doch solche Stil- und Verhaltensfragen sind immer auch — nein: vor allem! — vor dem Hintergrund der Perzeption solcher Signale zu beurteilen. Und hier bekommt der neue Papst nach meinem Gefühl jede Menge Lob und Zustimmung aus der falschen Ecke. Medienleute, die vermutlich kaum ein Vaterunser vollständig zusammenbrächten, und sonst mit Freuden kirchliche »Skandale« aufblasen, was das Zeug hält, scheinen über Papst Franziskus hin und weg zu sein, und überschlagen sich vor Begeisterung über seinen »umgänglichen Stil«. Und bringen —
the show must go on — schon die Geschütze in Stellung, mit denen sie nach dem Abebben des Neuigkeitswertes wieder die gewohnten Schüsse abfeuern wollen. Was mit den Seitenhieben auf den »Hitlerjungen Ratzinger« nicht so recht klappen wollte (na, zum Glück hat er sich dann mit seinem Zugehen auf die Piusbruderschaft etwas eingebrockt, das man ihm danach jederzeit als Killerargument anhängen konnte), das wird sich, geschickt orchestriert, bei irgendwelchen Vorwürfen »aus der Zeit der Militärjunta« doch mit Links einfädeln lassen, nicht wahr?
Nun, überzeugte Katholiken werden mir jetzt pessimistische Schwarzmalerei vorwerfen und darauf verweisen, daß der neue Papst schließlich genau vor solchem Pessimismus gewarnt habe. Mag sein. Mir schwirrt da allerdings ein Artikel im Kopf herum, den ich vor Jahren einmal las, in welchem der Autor, ein klinischer Psychologe, eine große Studie präsentierte, die eben an seiner Universität abgeschlossen worden war. Succus daraus war, daß die meisten Menschen nicht in der Lage sind, Probleme und Gefahren korrekt zu erkennen, sondern dazu neigten, ihre Lage besser einzuschätzen, als sie objektiv gesehen war. Die einzige und leider nicht allzu große Gruppe, die realistische Einschätzungen zu treffen im Stande war, waren die von der Psychologie als »schwach depressiv« Eingestuften. Also das, was man handelsüblich als »Pessimisten« zu bezeichnen pflegt. Nicht schön, aber wahr …
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Ein lesenswerter Artikel zum neuen Papst erschien bei »
Manfreds Korrektheiten«. Man mag ihn des Alarmismus' zeihen — wenigstens so lange, bis er sich bewahrheitet hat. Manfred Kleine-Hartlage hat nämlich schon viel geschrieben, bei dem man ihm Alarmismus vorwarf (z.B. über die Islamisierung Europas). Das weniger beruhigende Faktum daran: bis jetzt ist er eigentlich fast nie falsch gelegen ...